Was bleibt von der
Papstreise in Italiens Nordosten? Zunächst einmal natürlich ein Bild: Benedikt XVI.
in der Gondel auf dem Canale Grande. Eine Szene wie auf einem Gemälde von Tintoretto
oder Tizian, in einer dunklen Ecke des Dogenpalastes. Zweitens bleibt die Rede, die
er in der Kirche Santa Maria della Salute gehalten hat: die große Papstansprache dieser
Reise, die fast zweifelsfrei aus seiner Feder stammt, authentische Ratzinger-Melodie,
eine Meditation über Venedigs Berufung und Aufgabe, auf Augenhöhe mit seinen Ansprachen
an die Welt der Kultur in Paris oder Prag. Unvergeßlich sein Sinnieren darüber, dass
sich die heutige europäische Kultur „verflüssige“.
Und drittens bleibt Aquileia:
Durch seinen Abstecher in dieses Dorf, das mal eine der größten Städte im Römischen
Reich war, hat Benedikt ein Kapitel Kirchengeschichte ins Bewußtsein zurückgerufen,
das vielen unbekannt war: die Geschichte von einer Riesen-Kirchenprovinz im frühen
Christentum, die politische und kulturelle Grenzen überwand und zu den Vorläuferinnen
der heutigen Europäischen Union gerechnet werden darf. Für einen Moment wurde Aquileia,
das christliche Utopia, bei der Papstmesse in Mestre wieder greifbar: 500 Gläubige
aus Slowenien und Kroatien waren zur Papstmesse gekommen, die Bischöfe von Klagenfurt
und Graz, 500 katholische Philippinos aus Venedig, Padua und Treviso, ja sogar ein
paar Pilger aus einer Partnerpfarrei in Kenia.
Im April 2012 treffen sich
die Christen des italienischen Nordostens in Aquileia zu ihrem zweiten Kirchenkongress:
Höhepunkt eines schon länger andauernden synodalen Prozesses. Da werden sie den Versuch
machen, die Vision des Papstes von der grenzüberschreitenden Kirche umzusetzen. Benedikt
hat ihnen zwei Vorschläge gemacht: wieder stärker mit Bistümern in Nachbarländern
zusammenzuarbeiten – wie damals zur Zeit des Patriarchats von Aquileia – und für Einwanderer
besonders aufnahmebereit zu sein.
„Du aber stärke deine Brüder“ hieß das Motto
dieser Reise, und das Logo zeigte den hl. Markus, der dem Petrus das von ihm geschriebene
Evangelium überreicht. Mit feiner Ironie hat Benedikt XVI. dieses Bild umgedreht,
als er am Sonntag im Markusdom sagte: „Heute bringe ich euch dieses Evangelium wieder
zurück“. Ein Auftrag zur Neuevangelisierung. „Habt keine Angst, gegen den Strom zu
rudern, um Christus zu treffen“ – auch diese Formulierung nicht ohne Ironie in der
Wasserstadt Venedig. Das Evangelium sei „keine Utopie und keine Ideologie“, sondern
die „größte Kraft zur Verwandlung der Welt“, meinte der Papst in Santa Maria della
Salute. Und man solle keine Angst vor dem Evangelium haben – es tauche ja sogar, auch
das war wieder eine etwas spitze Bemerkung, im Stadtwappen von Venedig auf.
Das
Bild, wie der Papst Gondel fährt. Die Rede an Menschen aus Kultur und Wissenschaft.
Die Vision von Aquileia. Der Aufruf zur Neuevangelisierung. Das ist es, was von diesem
Papstbesuch bleibt.