Vorschau auf die Reise nach Aquileia: Geistliche Mutter für Schwaben, Bayern, Tirol,
Slowenien
Aquileia hatte ein
eigenes Credo, eine eigene Liturgie – ach ja, und ein Konzil gab es hier auch. Wie
ist es möglich, dass das heutige 3.500-Seelendorf Aquileia in der frühen Kirchengeschichte
eine so prominente Rolle spielte? Das fragte Stefan Kempis den deutschen Jesuitenpater
und Kirchenhistoriker Klaus Schatz.
„Es war eine wichtige römische Flottenstation,
und es gab auch eine wichtige christliche Gemeinde dort – mindestens seit dem zweiten,
dritten Jahrhundert. Nach der Legende wurde sie von dem Petrusschüler Markus gegründet;
Tatsache ist jedenfalls, dass Aquileia ab dem fünften Jahrhundert ein wichtiger kirchlicher
Zentralort wurde.“
Der heilige Markus galt doch eher als Begründer und
Missionar von Venedig?
„Dieser Rang von Aquileia ist mit der Zeit auf Venedig
übergegangen, einschließlich der Patriarchenwürde. Jedenfalls war Aquileia ab dem
fünften Jahrhundert ein wichtiges kirchliches Zentrum vor allem für die Mission nach
Norden: Die damalige Kirchenprovinz Aquileia reichte bis an die Donau, umfasste das
heutige Österreich und auch das heutige Bayern südlich der Donau bis Schwaben, Tirol
und ebenso Slowenien. Also eine ziemlich große Region.“
Warum so eine riesige
Kirchenprovinz?
„Das hängt natürlich damit zusammen, dass die Gebiete nördlich
von Italien zunächst mal wenig missioniert waren und dass die Gegend von Aquileia
die natürliche Verbindung zur Adria und zum ganzen Mittelmeerraum darstellte. Dadurch
ist das leicht erklärlich... Aquileia hatte eine eigene Liturgie – so wie es damals
ja im Westen viele Liturgien gab, alle in lateinischer Sprache, aber mit eigenen liturgischen
Formen, darunter etwa die ambrosianische Liturgie von Mailand. Aquileia gehörte also
zu den Kirchen des Abendlandes (so wie Gallien, später die irische Kirche und Spanien),
die durchaus eigene liturgische Formen entwickelten und bei aller Bindung an Rom doch
eine gewisse Selbständigkeit besaßen.“
Die ambrosianische Liturgie gibt
es ja heute noch – und die von Aquileia?
„Nein, die gibt es nicht mehr...
Die Bedeutung von Aquileia ging mit der Zeit vor allem deswegen zurück, weil sie ja
in einer ganz bestimmten, vorübergehenden geografischen Situation gewurzelt hatte:
Der Norden war noch kaum missionarisch entwickelt, vor allem nördlich der Donau und
damit nördlich des Römischen Reiches; und gleichzeitig war Aquileia die Verbindung
mit der Mittelmeerwelt. Das war also ein geopolitischer Raum, der um das Mittelmeer
zentriert war. Von dem Moment an, wo einerseits das Mittelmeer aufhörte, verbindender
Mittelpunkt einer gemeinsamen Kultur und eines gemeinsamen Lebensraums zu sein, andererseits
die nördlichen Region eigene Schwerpunkte entwickelten, schwand die Position Aquileias.
Da wurden dann andere kirchliche Mittelpunktsorte wie Salzburg, Mainz usw. bedeutsamer
– eine ganz natürliche Entwicklung.“
Wenn man mal die Kirchengeschichte
auf ein paar Fäden zusammenschnurren läßt: Welche Bedeutung hat denn der Besuch eines
bayrischen Papstes in dieser besseren Ruinenstätte Aquileia?
„Das ist wohl
eine Verbindung mit den eigenen Ursprüngen, weil die ersten Spuren des Christentums
in Bayern auch dorthin weisen. Also eine Besinnung auf die urchristlichen Ursprünge...“