2011-05-06 11:00:13

Deutschland: Die Ethik des gerechten Krieges


Wir haben über die moralische Bedeutung des gerechten Krieges mit Professor Michael Reder vom Institut für Gesellschaftspolitik der Hochschule für Philosophie in München gesprochen.

„Ein Krieg ist gerechtfertigt, wenn er bestimmte Kriterien erfüllt. Das heißt, ethisch ist er nur dann legitim, wenn ihn die Regierung befohlen hat, wenn es einen gerechten Grund gibt und wenn das Ziel des Attentats oder dieser kriegerischen, gewalttätigen Intervention die Wiederherstellung von Gerechtigkeit ist. Allerdings sieht man bei diesen drei klassischen Gründen auch schon die Probleme, die damit verbunden sind: ob es wirklich ein „gerechter“ Grund ist, eine gewalttätige Form des Attentats durchzuführen und ob dadurch so etwas wie Gerechtigkeit und Frieden gefördert wird. Das ist natürlich stark umstritten.“

Die Umstände des Todes Osama bin Ladens im Zuge der Militäraktion amerikanischer Elitesoldaten werden wohl nie restlos geklärt werden. Für Professor Reder bestehe aber kein Zweifel, dass es statt der Tötung eines Staatsfeindes bessere Alternativen gibt.

„Eine deutlich bessere Lösung wäre natürlich gewesen, wenn man Osama bin Laden vor ein internationales Gericht gestellt hätte. Unsere moderne Demokratie, auch unser modernes Selbstverständnis auf weltpolitischer Ebene ist mit einer Idee der Gewaltenteilung und einer friedlichen Beilegung von Konflikten verbunden. Wir haben solche Formen mit dem Internationalen Strafgerichtshof auch etabliert. Ich denke, dass grundsätzlich natürlich eine rechtliche Lösung des Problems mit einer Anklage Osama bin Ladens die bessere und auch ethisch gerechtfertigte Lösung gewesen wäre.“

Laut einem Sprecher des Weißen Hauses sei Bin Laden zum Zeitpunkt seiner Festnahme zwar nicht bewaffnet gewesen, habe aber Widerstand geleistet. Durch die Tötung des Al Kaida Führers bestehe für Reder aber die Gefahr, dass die absolute Gültigkeit der Grundrechte Schaden nehmen könnte.

„Wir haben mit den Menschenrechten auf globaler Ebene und mit den jeweiligen Verfassungen und Grundrechtschartas in den einzelnen Gesellschaften ganz klare Vorgaben, dass bestimmte Grenzen nicht überschritten werden können und dürfen. Natürlich ist das in Einzelfällen sehr problematisch, weil es so scheint, als ob das Ziel, das wir erreichen – beispielsweise einen gefährlichen Terroristenführer aufzuspüren – dann auch die Mittel heiligt. Ich würde hier allerdings warnen: Denn die Grundsätze des Rechtsstaates sind eben genau so aufgezogen, dass sie absolut gelten und dass sie nur in absoluten Extremsituationen Spielraum offenlassen. Insofern würde ich sagen, dass die Grundrechte auch in solchen Situationen nicht aufgeweicht werden dürfen.“

Welche Folgen der Tod Osama bin Ladens haben wird, lässt sich noch nicht abschätzen. Weltweit wächst die Angst vor neuen Terroranschlägen islamischer Extremisten, die am Tod ihrer Symbolfigur Rache nehmen könnten. Professor Reder warnt in diesem Zusammenhang von einer Radikalisierung der islamischen Religion:

„Ich denke, man sieht bei den Debatten in Deutschland aber auch in vielen anderen Ländern der Welt, dass der Islam oft über einen Kamm geschoren wird. Es wird nicht deutlich zwischen den sehr unterschiedlichen Strömungen und politischen Haltungen, die es im Islam gibt, unterschieden wird, angefangen von Marokko bis hin zu Indonesien. Ich glaube, hier muss man sehr deutlich hinschauen und darf nicht automatisch den Islam als eine gewalttätige Religion verurteilen. Hier denke ich, dass es wichtig ist, ein differenziertes Bild, auch gerade in Hinsicht auf Osama bin Laden, weiter zu verfolgen und auch in die gesellschaftliche Debatte einzubringen. Hier sehe ich auch eine große Verantwortung der christlichen Kirchen, auf solche Differenzierungen aufmerksam zu machen.“

(rv 05.05.2011 ak)







All the contents on this site are copyrighted ©.