Es ist eines der ärmsten Entwicklungsländer der Welt: der Sudan. Jetzt steht das Land
vor einer neuen Zerreißprobe: Die Unabhängigkeit des Südsudans. Nach einem jahrzehntelangen
Sezessionskrieg soll die seit sechs Jahren autonome Region Südsudan ab Juli ein unabhängiger
Staat werden. Damit findet aber nicht nur eine politische, sondern auch eine religiöse
Trennung statt: Während im Norden des Sudans, dessen Staatsreligion der Islam ist,
hauptsächlich sunnitische Muslime leben, zählt sich der Großteil der Bevölkerung im
Süden zum Animismus sowie zum Christentum. Der Comboni-Missionar Pater Benito Buzzacarin
lebt und arbeitet bereits seit 48 Jahren im Sudan. Im Gespräch mit Radio Vatikan erzählt
er, dass es für die kleine katholische Gemeinde in der Hauptstadt Khartum heuer keine
frohen Ostern gegeben hat. Denn viele Christen verließen die Hauptstadt in Richtung
Süden.
„Jesus ist gestorben und auferstanden, und daher singen wir das Halleluja
mit Freude. Nur dass wir es dieses Jahr in einer ganz besonderen und einzigartigen
Weise singen. Denn rund die Hälfte aller Christen, vielleicht auch noch mehr, ist
verschwunden und nach dem Referendum für die Unabhängigkeit am 9. Januar in den Süden
zurückgekehrt. Ein großer Teil unserer südsudanesischen Brüder sind nach Hause gegangen,
sodass sich unsere Kirche, die aus Schwarzafrikanern bestand, sehr verkleinert hat.
Alle Pfarreien bekommen diese neue Situation mehr oder weniger stark zu spüren, und
das macht uns ein bisschen traurig.“
Die Zustimmung für die Unabhängigkeit
ist groß. Laut offiziellen Angaben haben 99 Prozent aller Südsudanesen im Zuge des
Referendums für die Unabhängigkeit ihrer Region gestimmt. Für Pater Buzzacarin hat
die Aussicht auf ein unabhängiges Land unter den Christen im Sudan eine Rückkehrbewegung
fast biblischen Ausmaßes ausgelöst:
„Am 9.Juli wird die Unabhängigkeit des
Südens ausgerufen. Im Norden gab und gibt es noch immer viele Christen, die es eilig
haben, in den Süden zurück zu kehren. Es gibt eine große Bewegung von Sudanesen, die
vor der Unabhängigkeit in ihr Land zurückkehren wollen. Ihre Beweggründe sind unterschiedlich:
Die meisten wollen erstens: zu ihren Verwandten zurück kehren, dort ein Haus bauen
und Arbeit finden. Und zweitens gibt es die Schwierigkeit, ein geeignetes Transportmittel
für die Rückkehr zu organisieren. Denn hier sprechen wir von sehr langen Strecken,
viele der Heimkehrer sind tausende Kilometer unterwegs. Einige von ihnen warten noch
und hoffen, dass ihnen die südsudanesische Regierung eine solche Heimreise ermöglicht.
Wir können fast sagen, dass es sich um eine geradezu biblische Reise handelt.“
Im
Vorfeld der Teilung des Landes ist bereits ein blutiger Kampf um die Macht entbrannt.
Südsudanesische Soldaten liefern sich Gefechte mit paramilitärischen Gruppen, die
um ihren Einfluss im erdölreichen Süden fürchten. Allein in der Karwoche sollen bei
den Kämpfen mehr als 165 Menschen getötet worden sein, darunter auch Frauen und Kinder.
Internationalen Beobachtern zufolge könnte mit der Unabhängigkeit des Südsudans ein
neuer Krisenherd entstehen. Auch Pater Buzzacarin sieht derzeit nur wenig gute Vorzeichen
für einen baldigen Frieden im Sudan:
„Nach der Unabhängigkeit ist die Zukunft
des Nordens ungewiss. Jeden Tag werden wir mit Nachrichten konfrontiert, in denen
es heißt, dass der Norden islamisiert wird und das islamische Recht, das ja schon
in Kraft ist, in Zukunft umfassend und in seiner Gänze ausgeführt wird. So etwas geschieht
aber nur in wenigen Ländern. Das bedeutet, dass die Kirche viel Spielraum bekommen
wird, der aber beschränkt bleiben wird. Das ist unsere Angst… Aber wir sind in den
Händen Gottes: Die Kirche gehört nicht uns, sondern Ihm, und das wird auch in Zukunft
so sein.“