2011-04-26 15:54:18

Sudan: Vor der Unabhängigkeit des Südens


Es ist eines der ärmsten Entwicklungsländer der Welt: der Sudan. Jetzt steht das Land vor einer neuen Zerreißprobe: Die Unabhängigkeit des Südsudans. Nach einem jahrzehntelangen Sezessionskrieg soll die seit sechs Jahren autonome Region Südsudan ab Juli ein unabhängiger Staat werden. Damit findet aber nicht nur eine politische, sondern auch eine religiöse Trennung statt: Während im Norden des Sudans, dessen Staatsreligion der Islam ist, hauptsächlich sunnitische Muslime leben, zählt sich der Großteil der Bevölkerung im Süden zum Animismus sowie zum Christentum. Der Comboni-Missionar Pater Benito Buzzacarin lebt und arbeitet bereits seit 48 Jahren im Sudan. Im Gespräch mit Radio Vatikan erzählt er, dass es für die kleine katholische Gemeinde in der Hauptstadt Khartum heuer keine frohen Ostern gegeben hat. Denn viele Christen verließen die Hauptstadt in Richtung Süden.

„Jesus ist gestorben und auferstanden, und daher singen wir das Halleluja mit Freude. Nur dass wir es dieses Jahr in einer ganz besonderen und einzigartigen Weise singen. Denn rund die Hälfte aller Christen, vielleicht auch noch mehr, ist verschwunden und nach dem Referendum für die Unabhängigkeit am 9. Januar in den Süden zurückgekehrt. Ein großer Teil unserer südsudanesischen Brüder sind nach Hause gegangen, sodass sich unsere Kirche, die aus Schwarzafrikanern bestand, sehr verkleinert hat. Alle Pfarreien bekommen diese neue Situation mehr oder weniger stark zu spüren, und das macht uns ein bisschen traurig.“

Die Zustimmung für die Unabhängigkeit ist groß. Laut offiziellen Angaben haben 99 Prozent aller Südsudanesen im Zuge des Referendums für die Unabhängigkeit ihrer Region gestimmt. Für Pater Buzzacarin hat die Aussicht auf ein unabhängiges Land unter den Christen im Sudan eine Rückkehrbewegung fast biblischen Ausmaßes ausgelöst:

„Am 9.Juli wird die Unabhängigkeit des Südens ausgerufen. Im Norden gab und gibt es noch immer viele Christen, die es eilig haben, in den Süden zurück zu kehren. Es gibt eine große Bewegung von Sudanesen, die vor der Unabhängigkeit in ihr Land zurückkehren wollen. Ihre Beweggründe sind unterschiedlich: Die meisten wollen erstens: zu ihren Verwandten zurück kehren, dort ein Haus bauen und Arbeit finden. Und zweitens gibt es die Schwierigkeit, ein geeignetes Transportmittel für die Rückkehr zu organisieren. Denn hier sprechen wir von sehr langen Strecken, viele der Heimkehrer sind tausende Kilometer unterwegs. Einige von ihnen warten noch und hoffen, dass ihnen die südsudanesische Regierung eine solche Heimreise ermöglicht. Wir können fast sagen, dass es sich um eine geradezu biblische Reise handelt.“

Im Vorfeld der Teilung des Landes ist bereits ein blutiger Kampf um die Macht entbrannt. Südsudanesische Soldaten liefern sich Gefechte mit paramilitärischen Gruppen, die um ihren Einfluss im erdölreichen Süden fürchten. Allein in der Karwoche sollen bei den Kämpfen mehr als 165 Menschen getötet worden sein, darunter auch Frauen und Kinder. Internationalen Beobachtern zufolge könnte mit der Unabhängigkeit des Südsudans ein neuer Krisenherd entstehen. Auch Pater Buzzacarin sieht derzeit nur wenig gute Vorzeichen für einen baldigen Frieden im Sudan:

„Nach der Unabhängigkeit ist die Zukunft des Nordens ungewiss. Jeden Tag werden wir mit Nachrichten konfrontiert, in denen es heißt, dass der Norden islamisiert wird und das islamische Recht, das ja schon in Kraft ist, in Zukunft umfassend und in seiner Gänze ausgeführt wird. So etwas geschieht aber nur in wenigen Ländern. Das bedeutet, dass die Kirche viel Spielraum bekommen wird, der aber beschränkt bleiben wird. Das ist unsere Angst… Aber wir sind in den Händen Gottes: Die Kirche gehört nicht uns, sondern Ihm, und das wird auch in Zukunft so sein.“

(rv 26.4.2011 ak)







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