„Non abbiate paura!“, „Habt keine Angst!“, Diese ersten Worte des Papstes wollten
alle Menschen anders verstanden haben, als Ermutigung, als Aufruf zur Standfestigkeit,
zum Widerstand gegen den Sozialismus. Der französische Journalist André Frossard berichtet
von Tränen in den Augen von Diplomaten, die dabei waren. Das ist wohl das Geheimnis
des Papstes und Menschen Johannes Paul II.: er begegnete Menschen. Und auch wenn er
tausende gleichzeitig anspricht, hörten viele etwas an sie gerichtetes. Blättert man
durch die Berichte und Journale von damals, liest man, wie verschieden der Papst die
Menschen ansprach. Ein zweiter Gedanke, der eng mit dem ersten zusammenhängt, wird
ebenfalls von Frossard treffend beschrieben: die, die Johannes Paul kennen lernten,
sahen dieselbe Person privat und öffentlich. Wer den Papst vor allem in den frühen
Jahren aber bis weit in die 90er Jahre hinein sah, hatte das Gefühl, keine Maske zu
sehen. Frossard nennt das die „perfekte Einheit der Persönlichkeit“. Der Papst der
Audienzen war derselbe, der sich mit gemischten Gruppen traf um zu essen und zu reden
und der Ski fuhr oder dem die Massen bei den Reisen zujubelten. Seine Kunst war
die des Kontaktes, auch über die Massen und die Medien hinweg. Wenn er zur Begrüßung
eines Landes den Boden küsste, dann war er selbst der Handelnde, nicht das Protokoll
oder der Brauch. Es sagte „ich“, nicht „wir“. Er machte das Reisen zu einem Charakteristikum
des Papsttums. Es zeigt sich den Menschen ein entschlossenes Gesicht, aber auch
ein lächelndes. Ihm sah man an, dass er keine Angst hatte.
Aus einem Interview
mit Kardinal Joseph Ratzinger aus dem Jahr 1995. Was sind Ihrer Einschätzung nach
die großen theologischen Leitlinien des nunmehr 17-jährigen Pontifikats?
„Wie
schon in der ersten Enzyklika des Heiligen Vaters deutlich wurde, ist sein großes
Thema der Mensch. Es geht ihm um die Erlösung des Menschen, dass heißt um seine Befreiung
aus Entfremdungen, aus Unterdrückung und Unfreiheit; es geht ihm darum, dass der Mensch
recht werde und zu seiner Wahrheit, zu sich selbst finde. Der Papst ist überzeugt,
dass der Mensch diese seine Wahrheit, die Wahrheit selber, nur in Christus finden
kann. Anders gesagt: Der Mensch braucht die Begegnung mit Christus, um „erlöst“ zu
werden. „reißt für Christus die Türen auf und habt keine Angst vor ihm“, hat er 1978
bei seiner Antrittspredigt gesagt; dieser Satz ist sein eigentliches Programm – alles
andere ergibt sich von da aus.“