So begeistert die Welt beim Amtsantritt von Karol Wojtyla war, so kritisch haben vor
allem die europäischen Katholiken und Medien im Laufe seines Pontifikates immer wieder
Theologie und Regierung Johannes Pauls II. kritisiert. Rückwärtsgewand und dogmatisch
sei er gewesen, in Bischofsernennungen und Sexualmoral auf Enge statt auf Weite setzend,
bei aller Mediensouveränität dann eben doch kein Mann der Moderne, sondern ein Bewahrer
des Alten. Vor allem die zweite Phase seines langen Pontifikates nach dem Mauerfall
war davon geprägt. Zig-Tausende Katholiken verließen in seinen Amtsjahren die Kirche,
es gab Streit mit Theologen und Theologien, Disziplinarmaßnahmen und dogmatische Entscheidungen,
und die Rhetorik des Papstes gegen die unterdrückerischen Systeme des Ostens schien
sich nun gegen den freien und liberalen Westen zu richten. Und selbst die Polen, für
deren Freiheit sich dieser Papst wie kaum ein anderer wirkungsvoll eingesetzt hatte,
der zum Symbol eben dieser Freiheit wurde, diese Polen benutzen diese Freiheit nun
nicht in dem Geist, wie der Papst für sie gestritten hatte, sondern höchst menschlich,
für Wohlstand, für Auflösung sittlicher und anderer Moral etc. Dabei ist das Geheimnis
dieses Papstes, dass er seine Botschaft nicht geändert hat. Er ist zu keinen Zugeständnissen
an eine Moderne bereit, die dem christlichen Verständnis vom Menschen widerspricht,
auch wenn es die Menschen und auch die Christen wollen. Er steht für Prinzipien, die
unmodern klingen, auch und gerade wenn sie den Wünschen des Einzelnen widersprechen.
Johannes Paul sah nie im Fortschritt und in der Moderne etwas unstrittig Wunderbares,
etwas rein Positives. Die Ideologie des Konsumismus ist für ihn genauso menschenverachtend
wie die des Sozialismus. Wie es der Journalist Jan Ross in seinem Buch über den Papst
formuliert hat: Der religionslose Mensch, der Mensch ohne Gott ist in den Augen des
Papstes manipulierbar für die Herren der Verhältnisse. Wahrheit, Freiheit und Person
gehören untrennbar zusammen. Man kann die Dinge in Johannes Paul nicht trennen,
den Kämpfer gegen den Hunger und den Krieg im Irak nicht vom Mahner gegen eine liberale
Sexualmoral, alles entstammt derselben Quelle, seinem Glauben und seiner Theologie.