Karol Wojtyla war ein Dichter, als Schüler, Fabrikarbeiter, Student, Priester und
auch noch als Bischof. Sein letztes Gedicht schrieb er kurz vor der Abreise zum zweiten
Konklave 1978, das ihn zum Papst wählen sollte. Sein Dichterpseudonym lautete Andrzej
Jawien, eine Figur aus einem Roman eines mit ihm befreundeten Autors. Es sind dichtende
Blicke aus den Augen eines Seelsorgers, immer mit den Beinen auf dem Boden bleibend,
ohne Pathos. Der Dichter Wojtyla ist ein Suchender, keiner, der die Wahrheit, die
er besitzt, deklamiert. Bekannt ist, dass er unter der deutschen Besetzung Polens
im Geheimen Theater spielte, ein subversiver Akt gegen die Nazis, die die polnische
Kultur zerstören wollten. Begonnen hatte er seine Ausbildung mit dem Studium der
polnischen Sprache und Literatur, er schrieb neben Gedichten auch Dramen. Überliefert
ist die Kritik seines Theaterlehrers, der, als er von Wojtylas Absicht erfuhr, Priester
zu werden, gesagt haben soll: „Wollen sie ihr Talent denn so verschwenden?“ Nichts
wurde verschwendet. Die Prägung durch das szenische Theater, dass alle Bürgerlichkeit
in Gestik und Ausstattung verschmäht, macht aus Karol Wojtyla nicht nur einen guten
Kommunikator, sondern auch einen Dramaturg, der versteht, seine Inhalte in Szenen
umzusetzen. Als man den damaligen Primas Polens und Widerstandskämpfer gegen die
Kommunisten, Stefan Kardinal Wyszynski, fragte, was denn dieser neuernannte Erzbischof
von Krakau – Wojtyla – eigentlich für einer sei, antwortete er: „Ein Dichter“.