Karfreitagsliturgie: „Das Leiden ist nie Strafe Gottes"
In Stille, unbeschuht
und begleitet von der römischen Kurie hat Papst Benedikt XVI. am Karfreitag das Kreuz
Christi, Zentrum der Liturgie des Tages, verehrt. In einem zweieinhalbstündigen Gottesdienst
im Petersdom gedachte der Papst des Leidens und Sterbens Jesu Christi. Die Kirche
feiert an diesem Tag keine Messe. Die Predigt hielt traditionsgemäß nicht der Papst
selber, sondern der päpstliche Hausprediger, Kapuzinerpater Raniero Cantalamessa.
Er blickte auf das Leiden der Welt, gespiegelt im Leiden Jesu. Und er warnte davor,
im Kreuz Christi nur Negatives zu sehen:
„Eine einseitige „Theologie des
Kreuzes“ kann uns das Wesentliche vergessen machen. Das Kreuz bedeutet für die Welt
nicht nur das Urteil Gottes, Widerlegung ihrer Weisheit und Offenbarung ihrer Schuld.
Es ist nicht das Nein Gottes gegenüber der Welt, sondern das Ja der Liebe: „Die Ungerechtigkeit,
das Schlechte als eine Realität“, schreibt der Heilige Vater in seinem letzten Buch
über Jesus, „kann nicht einfach ignoriert und so stehen gelassen werden. Es muss verdaut
und besiegt werden. Das ist wahre Barmherzigkeit. Und dass Gott, da die Menschen dazu
nicht in der Lage sind, genauso auch jetzt handelt – das ist Gottes bedingungslose
Güte“.
Wie aber kann man heute angesichts des Leides in Japan, unter den
Flüchtlingen auf dem Mittelmeer und anderswo von dieser Liebe sprechen? Nichtsprechen
sei keine Lösung, so Cantalamessa, denn das würde den Glauben verraten. Und so tastete
er sich in seiner Predigt an diese Güte Gottes heran, die sich im Sterben Jesu zeige.
„Wenn
der Lauf des Lebens hier enden würde, könnte man wirklich verzweifeln an dem Gedanken
an die Millionen und vielleicht Milliarden benachteiligten Menschen,“ so der Kapuzinerpater
in seiner Predigt.
„Und das alles im Angesicht unglaublich großen Reichtums
Luxus bei Anderen. „Aber so ist es nicht. Der Tod gleicht Differenzen nicht nur aus,
sondern kehrt sie auch um. … Wir können dieses Schema nun nicht einfach übertragen
auf die gesellschaftliche Realität, aber es ermahnt uns, dass der Glauben an die Auferstehung
niemanden in seiner ruhigen Existenz verharren lässt. Wir werden daran erinnert, dass
die Maxime „leben und leben lassen“ sich niemals in die Maxime „leben und sterben
lassen“ verwandeln darf.“
Die Lehre vom Kreuz – eine verkürzte Theologie
des Kreuzes – dürfe nicht dazu führen, die Verhältnisse in der Welt zu zementieren.
Mit Blick auf die aktuellen Katastrophen in der Welt betonte Cantalamessa, dass wir
Lehren ziehen müssten, aber die richtigen.
„Erdbeben, Orkane und anderes
Unglück, das die Schuldigen gemeinsam mit den Unschuldigen schlägt, ist niemals eine
Strafe Gottes. Das Gegenteil zu behaupten würde bedeuten, Gott und die Menschen zu
beleidigen. Sie sind aber eine Ermahnung: in diesem Fall, die Ermahnung, dass wir
uns nicht der Illusion hingeben sollten, dass Wissenschaft und Technik ausreichten,
uns zu retten. Wenn wir uns nicht Grenzen zu setzen wissen, können diese, gerade diese,
wie wir gesehen haben, zur größten Gefahr von allen werden.“
Das Leiden,
so führte Cantalamessa mit Worten von Papst Johannes Paul II. aus, lasse teilhaben
am Leiden Christi, dies allerdings nicht eins zu eins und direkt, sondern auf eine
Weise, die nur Gott verstünde. Hier seien vor allem die Märtyrer, vor allem die heutigen
wie die französischen Zisterziensermönche in Tibhirine aus dem Film „Von Göttern und
Menschen“ und auch der ermordete pakistanische Politiker Shabaz Bhatti zu nennen.
„Die Globalisierung hat wenigstens diesen Vorteil: Der Schmerz eines Volkes
wird zum Schmerz aller, zieht die Solidarität aller nach sich. Das gibt Anlass dazu
zu entdecken, dass wir eine menschliche Familie sind, verbunden im Guten wie im Bösen.
Es hilft, die Grenzen der Rassen, Farben und Religionen zu überwinden.“
Und
den deutschen Philosophen Martin Heidegger zitierend schloss er: „’Nur noch
ein Gott kann uns retten’. Wir haben die Garantie, dass er das tun wird, denn ‚Gott
hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der
an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat’ “.