2011-04-18 11:41:09

Ägypten: Religion ist wichtiger geworden


RealAudioMP3 Falls Ägypten eine wahre Demokratie wird, könnte sich auch das Zusammenleben der Muslime und Kopten verbessern. Davon ist der aus Ägypten stammende Historiker Samir Boulos überzeugt. Er ist Kopte. Der Wissenschaftler promoviert derzeit an der Universität Zürich zum Thema „Europäisch-protestantische Missionsinstitutionen in Ägypten: Orte kultureller Verflechtung“. Es sei nicht zu hoffen, dass Ägypten zu einem zweiten Indonesien werde. Dort sei das Land zwar demokratischer geworden, doch die wirtschaftliche Entwicklung führte zu starken gesellschaftlichen Ungleichheiten, was ein fruchtbarer Boden für radikal-islamistische Gruppierungen ist. Ähnliches sei in Ägypten zu vermeiden, so Boulos.

„Es geht nicht nur um Demokratisierung und wirtschaftlichen Aufschwung. Breite Massen müssen von den wirtschaftlichen Entwicklungen profitieren können. Es muss allgemein in die Bildung investiert werden. Das Bildungssystem in Ägypten liegt im Argen. Das muss unbedingt verbessert werden.“

Die Religion sei für die Entwicklung des nordafrikanischen Landes wichtig, so Boulos.

„Religion bildete bisher einen Fluchtweg. Eine Flucht in ein durch den rigide gelebten Glaube verdientes Paradies oder eine Flucht in religiös-politische Utopien. Die Religiosität ist in den letzten 40 Jahren immer wichtiger geworden in der ägyptischen Gesellschaft. Bisher war es so, dass der Glaube ans Jenseits Hoffnung schenkte. Das führte auch zu Fanatismus. Religion soll aber in der Gesellschaft wichtig sein - und nicht in der Politik. Das ist meine Hoffnung.“

Dennoch glaubt Boulos nicht, dass die Muslim-Brüder in Ägypten die Überhand gewinnen werden.

„Die Muslim-Brüder sind kein einheitlicher Block. Es hat sich während der Revolution gezeigt, dass die jungen und aufgeschlosseneren Muslimbrüder sich schon bald an den Protesten beteiligen wollten, während die älteren Mitglieder und der konservativere Teil der Bruderschaft den Protesten skeptisch gegenüber standen.“

Für die Kopten bleibt derzeit vieles noch unklar, doch die offensichtliche Einheit von Kopten und Muslimen während der Protesten lassen einen auf eine gute Zukunft hoffen, so der in der Schweiz aufgewachsene Samir Boulos.

„Ich hoffe, dass die Demokratie die Überhand gewinnt und niemand mehr vor der Polizei Angst haben muss und frei die eigene Meinung äußern kann. Auch hoffe ich, dass es ein Land wird, in dem Religionsfreiheit herrschen wird, wo Muslime und Kopten gemeinsam mit gleichen Rechten und Pflichten leben können und sich gegenseitig im Alltag schätzen.“

Dass das ein brisanter Wunsch ist, zeigen Vorgänge von diesem Wochenende. Ägyptens Ministerpräsident hat erstmals einen koptischen Christen zum Gouverneur einer Provinz berufen - der Provinz Quena. Dagegen gab es in den letzten Tagen zahlreiche, wütende Proteste von Moslems.

(rv 18.04.2011 mg)








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