2011-04-16 18:05:49

Unser Buchtipp




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Rezensent: Stefan v. Kempis, Radio Vatikan
Sendung:
Zwei ungewöhnliche Bibelübersetzungen will ich Ihnen vorstellen – eine zum Alten, eine zum Neuen Testament. Zunächst einmal zum Ersten Bund: Da haben die großen jüdischen Autoren Martin Buber und Franz Rosenzweig schon im letzten Jahrhundert eine Verdeutschung der Hebräischen Bibel geschaffen, die von großer inspiratorischer Wucht ist. „Im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde“, so lassen die Autoren die Genesis beginnen: „Die Erde aber war Irrsal und Wirrsal“ – eine Wortschöpfung, die das hebräische „Tohu“ und „Bohu“ spiegelt. Und weiter: „Finsternis über Urwirbels Antlitz. Braus Gottes schwingend über dem Antlitz der Wasser. Gott sprach: Licht werde! Licht ward.“ Was Buber und Rosenzweig hier gelungen ist, läßt sich nur mit der sprachsetzenden Bibelübersetzung Luthers vergleichen. Der zwischen archaisch und poetisch pendelnde Stil läßt etwas von der Rauhheit des Originals erahnen. Ein völlig ungeglättetes, schroffes AT – faszinierend zu lesen. Rosenzweig fürchtete einmal: „Die Deutschen werden diese allzu unchristliche Bibel nicht vertragen“ – beweisen wir doch mal das Gegenteil!
Und dann, zweitens: ein ungewöhnlicher Zugang zum Neuen Testament. Der Theologe Klaus Berger hat zusammen mit seiner Frau, einer Übersetzerin, nicht nur den Kanon des NT neu ins Deutsche übertragen (und zwar in ein verständliches, heutiges Deutsch), sondern auch alle ältesten Schriften des Urchristentums gleich mit dazu. Das sind Apokryphen wie das „Thomas-Evangelium“, Papyri-Fragmente, Briefe des Ignatius von Antiochien, die „Zwölf-Apostel-Lehre“, der „Hirt des Hermas“, die „Oden Salomos“, verstreute „Jesusworte“ aus verschiedensten antiken Quellen... Selbst die unter Theologen berüchtigte „Quelle Q“, von der sich noch nie ein Schnipsel gefunden hat, wird hier versuchsweise rekonstruiert. Diese sehr disparaten Texte, die in sich den ganzen Reichtum und die Vielstimmigkeit des frühen Christentums zeigen, hat Berger auch behutsam in eine chronologische Reihenfolge gebracht. Wir haben hier nicht weniger als eine Bibliothek des Urchristentums – bewegend. Und auch wenn manche Einzelentscheidung der zwei Übersetzer diskutabel erscheinen mag, etwa die relative Frühdatierung des Johannes-Evangeliums, so gibt es doch kein zweites Buch wie dieses, das auch dem Laien den direkten, unverstellten Blick ins Urchristentum erlaubt. Bewegend, wirklich.







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