Martin Buber/Franz Rosenzweig: Die Schrift – aus dem Hebräischen
verdeutscht. Vier Bände im Schuber. Deutsche Bibelgesellschaft, 51 Euro. Klaus
Berger/ Christiane Nord: Das Neue Testament und frühchristliche Schriften. Insel Verlag,
ca. 33 Euro.
Rezensent:
Stefan v. Kempis, Radio Vatikan Sendung: Zwei ungewöhnliche Bibelübersetzungen
will ich Ihnen vorstellen – eine zum Alten, eine zum Neuen Testament. Zunächst einmal
zum Ersten Bund: Da haben die großen jüdischen Autoren Martin Buber und Franz Rosenzweig
schon im letzten Jahrhundert eine Verdeutschung der Hebräischen Bibel geschaffen,
die von großer inspiratorischer Wucht ist. „Im Anfang schuf Gott den Himmel und die
Erde“, so lassen die Autoren die Genesis beginnen: „Die Erde aber war Irrsal und Wirrsal“
– eine Wortschöpfung, die das hebräische „Tohu“ und „Bohu“ spiegelt. Und weiter: „Finsternis
über Urwirbels Antlitz. Braus Gottes schwingend über dem Antlitz der Wasser. Gott
sprach: Licht werde! Licht ward.“ Was Buber und Rosenzweig hier gelungen ist, läßt
sich nur mit der sprachsetzenden Bibelübersetzung Luthers vergleichen. Der zwischen
archaisch und poetisch pendelnde Stil läßt etwas von der Rauhheit des Originals erahnen.
Ein völlig ungeglättetes, schroffes AT – faszinierend zu lesen. Rosenzweig fürchtete
einmal: „Die Deutschen werden diese allzu unchristliche Bibel nicht vertragen“ – beweisen
wir doch mal das Gegenteil! Und dann, zweitens: ein ungewöhnlicher Zugang zum Neuen
Testament. Der Theologe Klaus Berger hat zusammen mit seiner Frau, einer Übersetzerin,
nicht nur den Kanon des NT neu ins Deutsche übertragen (und zwar in ein verständliches,
heutiges Deutsch), sondern auch alle ältesten Schriften des Urchristentums gleich
mit dazu. Das sind Apokryphen wie das „Thomas-Evangelium“, Papyri-Fragmente, Briefe
des Ignatius von Antiochien, die „Zwölf-Apostel-Lehre“, der „Hirt des Hermas“, die
„Oden Salomos“, verstreute „Jesusworte“ aus verschiedensten antiken Quellen... Selbst
die unter Theologen berüchtigte „Quelle Q“, von der sich noch nie ein Schnipsel gefunden
hat, wird hier versuchsweise rekonstruiert. Diese sehr disparaten Texte, die in sich
den ganzen Reichtum und die Vielstimmigkeit des frühen Christentums zeigen, hat Berger
auch behutsam in eine chronologische Reihenfolge gebracht. Wir haben hier nicht weniger
als eine Bibliothek des Urchristentums – bewegend. Und auch wenn manche Einzelentscheidung
der zwei Übersetzer diskutabel erscheinen mag, etwa die relative Frühdatierung des
Johannes-Evangeliums, so gibt es doch kein zweites Buch wie dieses, das auch dem Laien
den direkten, unverstellten Blick ins Urchristentum erlaubt. Bewegend, wirklich.