2011-04-14 17:49:39

Elfenbeinküste: Ende des Bürgerkriegs?


Ob die blutigen Machtkämpfe im Land nach der Festnahme des abgewählten Präsidenten Laurent Gbagbo ein Ende haben, lässt sich noch nicht abschätzen. Seit mehr als vier Monaten tobt in dem westafrikanische Land ein grausamer Bürgerkrieg. Nach der Präsidentschaftswahl im November vergangenen Jahres wollte der bisherige Präsident Gbagbo die Macht im Land nicht abgeben. Stattdessen ließ er seine Anhänger gegen jene seines Herausforderers und international anerkannten Wahlsiegers Alassane Ouattara Krieg führen. Unter dem Machtkampf leidet vor allem die zum Großteil ohnehin schon bitterarme Zivilbevölkerung, die vor den Greueltaten massenhaft flieht. Vergangenen Montag haben französische Spezialeinheiten Gbagbo in Abidjan festgenommen. Die Folgen der Festnahme lassen sich aber noch nicht abschätzen, so der Afrikaexperte des Auslandsbüros der deutschen Caritas, Hannes Stegemann:

„Ob man damit den Bürgerkrieg zu Ende bringt, steht auf einem anderen Blatt. Das Land ist seit geraumer Zeit ethnisch gespalten. Das Wahlverhalten im vergangenen Jahr orientierte sich ja an ethnischen Trennungslinien. Die Nordvölker haben Ouattara gewählt, die Südvölker Gbagbo. Wenn es Ouattara jetzt nicht gelingt, eine überzeugende Regierung der nationalen Einheit aufzustellen, dann sind wir aus dem Konflikt noch nicht heraus.“

Der militärische Einsatz der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich soll in enger Abstimmung mit den Vereinten Nationen gestanden sein. In den vergangenen Tagen war die Küstenstadt Abidjan Schauplatz von regelrechten Straßenschlachten der beiden verfeindeten Lager.

„Es ist gegenwärtig noch schwer einzuschätzen, wie groß die Bedeutung der Festnahme von Laurent Gbagbo für die Zukunft sein wird. Ich denke mal, mit Sicherheit ist es ein positiver Schritt nach vorne, dass man diese täglichen militärischen Attacken der einen Seite auf die andere Seite in der Stadt Abidjan damit wohl beendet hat. Ich denke, die Franzosen haben sich zu diesem Schritt entschlossen, weil die Gbagbo-Seite zwischenzeitlich eben auch das Hotel du Golf mit Mörsern beschossen hat, dort wo Alassane Ouattara, der gewählte Präsident, sein Hauptquartier hat. Dann gab es Angriffe auf die japanische Botschaft, der japanische Botschafter wurde durch die Franzosen evakuiert, und ähnliches. Man wollte zumindest diesen ganz täglich aktuellen militärischen Konflikt beenden.“

Die monatelangen Kämpfe haben die Wirtschaftsmetropole Abidjan lahm gelegt. Die französisch geprägte Stadt hat mit 3,6 Millionen etwas mehr Einwohner als Berlin und ist ein wichtiger Hafen für den Transport von Kakao und Kaffee.

„In Abidjan selber brauchen die Leute in erster Linie Sicherheit. Die Stadt ist ethnisch und politisch völlig gespalten, es kam zu massiven Übergriffen von Anhängern der einen Seite auf die Anhänger der anderen. In den letzten Wochen haben sich die Leute kaum noch auf die Straße getraut. Geschäfte waren geschlossen, die Infrastruktur brach zusammen, die Stromversorgung fiel aus. Dadurch liefen auch die Wasserpumpen nicht, einige Stadtviertel haben seit knapp zwei Wochen kein Wasser mehr. In Abidjan brauchen wir in erster Linie Sicherheit. Und das ist Aufgabe der Vereinten Nationen.“

Der blutige Bürgerkrieg hat eine Massenflucht in und aus Elfenbeinküste ausgelöst. Hilfsorganisationen wie die Caritas sprechen von einer humanitären Katastrophe, dessen Ausmaß zu lange unbeachtet geblieben ist. Auch sei es derzeit schwierig, den Vertriebenen im Land zu helfen, so Stegemann:

„Wir müssen von fast einer Million im Land Vertriebenen ausgehen. Allein in Liberia haben wir gegenwärtig um die 120.000 Flüchtlinge. Was macht die Caritas: Im Land selber ist Hilfe aufgrund der großen Unsicherheit, der verheerenden Sicherheitslage, immer noch sehr schwierig. Wir unterstützen unseren langjährigen Partner in Liberia, Caritas Cape Palmas im Südosten Liberias in den Städten Harper und in Zwedru, direkt an der Grenze zur Elfenbeinküste. Wir unterstützen die Partner bei der Betreuung von ivorischen Flüchtlingen, die nach wie vor täglich in recht großen Zahlen über die Grenze kommen.“

Laut einer Schätzung der Vereinten Nationen bräuchte Liberia - eines der ärmsten Länder der Welt - mehr als 100 Millionen Euro, um die Hilfsbedürftigen mit dem Allernötigsten zu versorgen. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass die politische und soziale Lage in Liberia durch den Flüchtlingsstrom kippen könnte. Nicht nur deshalb ist die Hilfe für die Flüchtlinge ein Kampf gegen die Zeit, so Stegemann:

„Die Flüchtlinge aus dem Westen der Elfenbeinküste, die nach Liberia fliehen, brauchen natürlich in erster Linie mal ein Dach, ein Zelt über dem Kopf. Wir stehen ja kurz vor Beginn der Regenzeit. Unsere Partner vor Ort sind fieberhaft unterwegs, um einfache Hütten zu bauen, um Zelte zu organisieren. Das nächste ist dann natürlich Nahrung und Wasser, um Mindeststandards an Hygiene in diesen Auffanglagern einzuhalten. Man muss sie schon Lager nennen, bei den hohen Zahlen, die da über die Grenze kommen. Das ist in der Gegend der Hauptbedarf, der gedeckt werden muss.“

Am vergangenen Mittwoch haben die Vereinten Nationen das ivorische Volk aufgefordert, auf Racheakte zu verzichten und sich zu versöhnen. Der Weltsicherheitsrat hat Wahlsieger Ouattara empfohlen, umgehend eine Regierung zu bilden. Am selben Tag hat Ouattara alle Flüchtlinge aufgerufen, in das Land zurück zu kehren.
(rv 14.04.2011 ak)








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