Ob die blutigen Machtkämpfe im Land nach der Festnahme des abgewählten Präsidenten
Laurent Gbagbo ein Ende haben, lässt sich noch nicht abschätzen. Seit mehr als vier
Monaten tobt in dem westafrikanische Land ein grausamer Bürgerkrieg. Nach der Präsidentschaftswahl
im November vergangenen Jahres wollte der bisherige Präsident Gbagbo die Macht im
Land nicht abgeben. Stattdessen ließ er seine Anhänger gegen jene seines Herausforderers
und international anerkannten Wahlsiegers Alassane Ouattara Krieg führen. Unter dem
Machtkampf leidet vor allem die zum Großteil ohnehin schon bitterarme Zivilbevölkerung,
die vor den Greueltaten massenhaft flieht. Vergangenen Montag haben französische Spezialeinheiten
Gbagbo in Abidjan festgenommen. Die Folgen der Festnahme lassen sich aber noch nicht
abschätzen, so der Afrikaexperte des Auslandsbüros der deutschen Caritas, Hannes Stegemann:
„Ob
man damit den Bürgerkrieg zu Ende bringt, steht auf einem anderen Blatt. Das Land
ist seit geraumer Zeit ethnisch gespalten. Das Wahlverhalten im vergangenen Jahr orientierte
sich ja an ethnischen Trennungslinien. Die Nordvölker haben Ouattara gewählt, die
Südvölker Gbagbo. Wenn es Ouattara jetzt nicht gelingt, eine überzeugende Regierung
der nationalen Einheit aufzustellen, dann sind wir aus dem Konflikt noch nicht heraus.“
Der
militärische Einsatz der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich soll in enger Abstimmung
mit den Vereinten Nationen gestanden sein. In den vergangenen Tagen war die Küstenstadt
Abidjan Schauplatz von regelrechten Straßenschlachten der beiden verfeindeten Lager.
„Es
ist gegenwärtig noch schwer einzuschätzen, wie groß die Bedeutung der Festnahme von
Laurent Gbagbo für die Zukunft sein wird. Ich denke mal, mit Sicherheit ist es ein
positiver Schritt nach vorne, dass man diese täglichen militärischen Attacken der
einen Seite auf die andere Seite in der Stadt Abidjan damit wohl beendet hat. Ich
denke, die Franzosen haben sich zu diesem Schritt entschlossen, weil die Gbagbo-Seite
zwischenzeitlich eben auch das Hotel du Golf mit Mörsern beschossen hat, dort wo Alassane
Ouattara, der gewählte Präsident, sein Hauptquartier hat. Dann gab es Angriffe auf
die japanische Botschaft, der japanische Botschafter wurde durch die Franzosen evakuiert,
und ähnliches. Man wollte zumindest diesen ganz täglich aktuellen militärischen Konflikt
beenden.“
Die monatelangen Kämpfe haben die Wirtschaftsmetropole Abidjan
lahm gelegt. Die französisch geprägte Stadt hat mit 3,6 Millionen etwas mehr Einwohner
als Berlin und ist ein wichtiger Hafen für den Transport von Kakao und Kaffee.
„In
Abidjan selber brauchen die Leute in erster Linie Sicherheit. Die Stadt ist ethnisch
und politisch völlig gespalten, es kam zu massiven Übergriffen von Anhängern der einen
Seite auf die Anhänger der anderen. In den letzten Wochen haben sich die Leute kaum
noch auf die Straße getraut. Geschäfte waren geschlossen, die Infrastruktur brach
zusammen, die Stromversorgung fiel aus. Dadurch liefen auch die Wasserpumpen nicht,
einige Stadtviertel haben seit knapp zwei Wochen kein Wasser mehr. In Abidjan brauchen
wir in erster Linie Sicherheit. Und das ist Aufgabe der Vereinten Nationen.“
Der
blutige Bürgerkrieg hat eine Massenflucht in und aus Elfenbeinküste ausgelöst. Hilfsorganisationen
wie die Caritas sprechen von einer humanitären Katastrophe, dessen Ausmaß zu lange
unbeachtet geblieben ist. Auch sei es derzeit schwierig, den Vertriebenen im Land
zu helfen, so Stegemann:
„Wir müssen von fast einer Million im Land Vertriebenen
ausgehen. Allein in Liberia haben wir gegenwärtig um die 120.000 Flüchtlinge. Was
macht die Caritas: Im Land selber ist Hilfe aufgrund der großen Unsicherheit, der
verheerenden Sicherheitslage, immer noch sehr schwierig. Wir unterstützen unseren
langjährigen Partner in Liberia, Caritas Cape Palmas im Südosten Liberias in den Städten
Harper und in Zwedru, direkt an der Grenze zur Elfenbeinküste. Wir unterstützen die
Partner bei der Betreuung von ivorischen Flüchtlingen, die nach wie vor täglich in
recht großen Zahlen über die Grenze kommen.“
Laut einer Schätzung der Vereinten
Nationen bräuchte Liberia - eines der ärmsten Länder der Welt - mehr als 100 Millionen
Euro, um die Hilfsbedürftigen mit dem Allernötigsten zu versorgen. Ansonsten bestehe
die Gefahr, dass die politische und soziale Lage in Liberia durch den Flüchtlingsstrom
kippen könnte. Nicht nur deshalb ist die Hilfe für die Flüchtlinge ein Kampf gegen
die Zeit, so Stegemann:
„Die Flüchtlinge aus dem Westen der Elfenbeinküste,
die nach Liberia fliehen, brauchen natürlich in erster Linie mal ein Dach, ein Zelt
über dem Kopf. Wir stehen ja kurz vor Beginn der Regenzeit. Unsere Partner vor Ort
sind fieberhaft unterwegs, um einfache Hütten zu bauen, um Zelte zu organisieren.
Das nächste ist dann natürlich Nahrung und Wasser, um Mindeststandards an Hygiene
in diesen Auffanglagern einzuhalten. Man muss sie schon Lager nennen, bei den hohen
Zahlen, die da über die Grenze kommen. Das ist in der Gegend der Hauptbedarf, der
gedeckt werden muss.“
Am vergangenen Mittwoch haben die Vereinten Nationen
das ivorische Volk aufgefordert, auf Racheakte zu verzichten und sich zu versöhnen.
Der Weltsicherheitsrat hat Wahlsieger Ouattara empfohlen, umgehend eine Regierung
zu bilden. Am selben Tag hat Ouattara alle Flüchtlinge aufgerufen, in das Land zurück
zu kehren. (rv 14.04.2011 ak)