Das Flüchtlingsdrama
aus Nordafrika spaltet die europäische Union. Der Streit eskalierte, als Italiens
Premier Berlusconi damit drohte, allen Flüchtlingen eine befristete Aufenthaltsgenehmigung
zu erteilen. Der Freistaat Bayern hat bereits angekündigt, in diesem Fall gegen das
Schengen-Abkommen zu verstoßen und an den Grenzen zu Österreich wieder Kontrollen
einzuführen. Im Gespräch mit dem Münchner Kirchenradio hegt der Jurist Heiko Habbe
vom Jesuitenflüchtlingsdienst in Berlin ernsthafte Zweifel an einer solchen Maßnahme:
„Zunächst
einmal muss man fragen, ob das eine rechtmäßige Maßnahme ist. Die Binnengrenzkontrollen
in der EU sind ja abgeschafft und dürfen auch nur im absoluten Ausnahmefall wieder
eingeführt werden. Die Voraussetzung ist da eine schwerwiegende Bedrohung der öffentlichen
Ordnung und der inneren Sicherheit. Ob die vermutete Einreise einiger Menschen aus
Tunesien mit italienischem Aufenthaltstitel, die unter Umständen als Touristenvisum
für Deutschland gültig wären, diese Voraussetzung erfüllt, da erlaube ich mir, ehrlich
gesagt, Zweifel.“
Bislang hat die Europäische Union abgelehnt, Italien
bei der Aufnahme illegaler Einwanderer zu unterstützen. Dabei ist die Lage vieler
Flüchtlinge in Italien besorgniserregend.
„Uns erreichen Berichte, dass
dort Asylsuchende, aber auch Menschen, denen Italien einen Schutzstatus zugestanden
hat, weder in der Lage sind, für ihren Lebensunterhalt zu sorgen, weil sie keine Arbeit
finden, auf der anderen Seite überhaupt keine Unterstützung vom italienischen Staat
bekommen. Die Folge ist dann, dass diese Menschen in Slum-ähnlichen Bretterhütten
auf aufgelassenen Flächen campieren oder in aufgelassenen Bürogebäuden. Dort leben
zweihundert Menschen auf einer Etage und es gibt nur eine Toilette für alle zusammen.
Das sind Lebensverhältnisse, die man niemandem zumuten kann. Von daher sehen wir schon
die Europäische Union in der Pflicht, diese Situation jetzt gemeinsam zu meistern.“
Unterdessen
beraten vor allem Deutschland, Österreich und Frankreich über verschärfte Grenzkontrollen.
Im Europaparlament scheint sich dagegen eine Mehrheit für eine gemeinsame Hilfe im
Falle kurzfristig auftretender Flüchtlingsströme abzuzeichnen. (kirchenradio.de/rv
13.04.2011 ak)