An diesem Freitag
treten die neuen Finanzgesetze des Vatikans in Kraft. Papst Benedikt hatte sie Ende
vergangenen Jahres erlassen, um Geldwäsche und Terrorfinanzierung über Vatikan-Einrichtungen
zu unterbinden. Der in Aachen lehrende Politologe und Volkswirt Ralph Rotte hat sich
auf wissenschaftlicher Ebene mit den Geldgeschäften des Vatikanstaates und des Heiligen
Stuhles beschäftigt. Er hält die neuen Finanzgesetze für brauchbar, weil sie erstmals
Personen haftbar machen.
„Jeder, der in mehr oder weniger leitender Funktion
in irgendeiner mit Finanzen verbundenen Behörde innerhalb des Vatikans oder Heiligen
Stuhls sich eines solchen Vergehens schuldig macht, muss mit Konsequenzen rechnen.
Es geht nicht darum, nur irgendwelche Institutionen zu strafen, zu rügen, sondern
um persönliche Konsequenzen, die jeder gewärtigen muss, wenn er sich die Finger schmutzig
macht.“
Die neuen vatikanischen Finanzregelungen entsprechen dem internationalen
Standard, sagt Rotte. Sie sehen etwa vor, dass jeder neue Geschäftspartner vorab auf
seine Seriosität geprüft und auch seine eventuellen Niederlassungen im Ausland unter
die Lupe genommen werden. Handelt es sich um „politisch exponierte Personen, die im
Ausland residieren“, oder deren Angehörige, muss der Vatikan vor der Aufnahme einer
Geschäftsbeziehung die Herkunft des Vermögens klären, das veranlagt werden soll. Anonyme
Konten, Depots und Sparbücher darf das vatikanische Geldinstitut nun nicht mehr führen.
Bargeld, das in den Vatikanstaat gebracht wird oder ihn verlässt, ist ab einer Höhe
von 10.000 Euro zu registrieren.
Über diese und viele andere Regeln zum Umgang
mit Geld wacht nun zentral die ebenfalls neu gegründete vatikanische Autorität für
Finanzinformation AIF. Bei ihr laufen Informationen über sämtliche Geschäfte zusammen,
sie tauscht sich mit entsprechenden Behörden anderer Staaten aus und berichtet dem
vatikanischen Staatssekretariat. Dass es eine solche Aufsichtsbehörde bisher im Papststaat
nicht gab, mag überraschen. Ralph Rotte:
„Unter normalen Umständen gibt
es in allen Nationalstaaten immer so eine Institution, eine staatliche Behörde, die
Bankgeschäfte und teils auch Versicherungsgeschäfte kontrolliert und bei Bedarf etwa
die Staatsanwaltschaft einschalten kann. Eine funktionierende Finanzaufsicht gibt
es in den europäischen Staaten seit mindestens Ende des Zweiten Weltkriegs; da zieht
der Vatikan nach.“
Ein erfahrener Geldwäschebekämpfer, der Italiener Francesco
De Pasquale, leitet die vatikanische „Finanzwacht“. Das ist ein weiterer Schritt in
Richtung Professionalisierung der vatikanischen Geld- und Finanzeinrichtungen. Ob
die neue Aufsichtsbehörde allerdings wirklich effizient arbeiten kann, ist offen aus
Sicht von Fachleuten wie Ralph Rotte, die die Finanzgebaren im kleinsten Staat der
Welt von außen analysieren.
„Die Aufgabe der AIF ist ziemlich gewaltig
mit so einem kleinen Stab. Sämtliche mit Geld befassten Institutionen des Vatikanstaates
und des Heiligen Stuhles zu kontrollieren – ob das so funktionieren kann, weil auch
dieses Finanzwesen des Vatikans und des Heiligen Stuhles relativ komplex ist, nicht
konzentriert auf eine Institution, sondern verteilt auf verschiedene, das kann in
der Praxis noch etwas schwierig werden für das AIF.“
Die drei größten,
mit Geld befassten Institutionen sind die „Vatikanbank“ IOR („Istituto delle Opere
di Religione“), die Güterverwaltung APSA sowie die „Propaganda Fide“, die Missionskongregation
des Heiligen Stuhles, deren Erträge, überwiegend aus Immobilienbesitz, in Entwicklungsländer
fließen. Allerdings haben auch die meisten Dikasterien des Heiligen Stuhles, wie Rotte
sagt, „irgendetwas mit Geld zu tun und die Möglichkeit, Geschäfte zu machen“. Deshalb
fragt sich der Fachmann, ob es mit einer neuen Kontrollbehörde - auch wenn sie strikt
nötig war - wirklich getan ist.
„Tatsächliche wäre der große Wurf, der
zentrale Punkt gewesen, sich einmal alle verschiedenen Institutionen vorzuknöpfen,
tabula rasa zu machen und vielleicht eine neue Institution zu schaffen, die dann auch
direkt für das Geld zuständig ist und nicht nur für die Überwachung.“
Allerdings,
wie Rotte selbst einwendet:
„Auch in „normalen“ Staaten gibt es eine Reihe
von Intransparenz, Bürokratie, Ineffizienzen, deswegen ist vielleicht der Heilige
Stuhl da nicht unbedingt ein besonders schlechtes Beispiel.“
Erklärtes
Ziel des Vatikans ist es, auf die „Weiße Liste“ der OECD jener Staaten zu kommen,
die transparente Finanzgebaren haben. Dorthin haben es auch Länder geschafft, deren
Bankgesetze nicht in jedem Punkt Offenlegungen vorsehen.
„Auf der anderen
Seite würde ich sagen, man soll diese weiße Liste nicht so hoch hängen, die wird auch
teilweise deutlich kritisiert, richtet sich vor allem gegen Geldwäsche und Steuerhinterziehung.
Es stehen auch Staaten auf der Weißen Liste, die etwa von der deutschen Bundesregierung
oder anderen EU-Staaten immer wieder kritisiert werden, dass sie Steuerhinterziehung
begünstigen, durch etwa Schweizer Nummernkonten - die Schweiz ist auf der Liste. Letztlich
ist diese Weiße Liste ein Ausdruck von gutem Willen und dem Versuch, transparent zu
sein, bedeutet aber noch nicht wirklich, dass der bestmögliche Zustand an Transparenz
erreicht ist. Vor diesem Hintergrund hat dann der Heilige Stuhl oder der Vatikanstaat
ganz gute Karten, früher oder später auf dieser Liste zu stehen.“
Vatikanstaat
und Heiliger Stuhl schließen nun also in Sachen Effizienz und Transparenz in Gelddingen
zu europäischem Niveau auf. Löblich findet Rotte, dass der Vatikan mit seinen neuen
Finanzgesetzen eine Selbstverpflichtung eingegangen ist, zu der niemand ihn gezwungen
hat. Im „Motu proprio“, das die Veröffentlichung der Gesetze begleitete, erklärte
Papst Benedikt, er erlasse die neuen Regelungen in Anlehnung an ein Abkommen zwischen
Vatikanstaat und Europäischer Union.
„Interessant ist, dass der Papst in
seiner Eigenschaft als Staatsoberhaupt des Vatikanstaates und als Inhaber des Heiligen
Stuhles, also Chef der Weltkirche, gesagt hat, dise verschiedenen Verpflichtungen,
die wir in diesem Vertrag des Vatikanstaates mit der EU haben, übertragen wir auch
auf den Heiligen Stuhl und alle Geschäfte, die überhaupt irgendeinen finanziellen
Charakter haben. Das ist schon ein Ausdruck, dass er das Problem erkannt hat und dagegen
etwas tun will. Und andererseits auch ein Ausdruck einer gewissen Souveränität, weil
der Vertrag mit der EU ihn selbst oder den Heiligen Stuhl gar nicht bindet. Das ist
quasi eine freiwillige Aktion in Ergänzung dessen, auf was man sich vertraglich eingelassen
hat.“