Vatikan zu Libyen: „Militäreinsatz hat Legitimität, aber auch eine Grenze“
Kämpfe in Libyen,
Bomben von oben – und ein Papst-Vertreter, der sagt: „Die Militäroperationen haben
eine Legitimität, aber damit auch eine Grenze.“ Erzbischof Antonio Mennini ist der
Nuntius des Papstes in Großbritannien; er saß mit am Tisch, als letzten Dienstag Vertreter
von vierzig Staaten und internationalen Organismen in London über Libyen berieten,
unter ihnen die Arabische Liga.
„Die Militäroperationen haben eine Legitimität
– und damit auch eine Grenze: Sie sind zur Verteidigung und zum Schutz der bürgerlichen
Rechte sowie der Unversehrtheit der libyschen Bevölkerung da. Sobald diese Voraussetzung
erfüllt wird bzw. wegfällt, könnte die Militäroperation auch morgen schon enden. Wichtig
scheint mir die Einrichtung einer Kontaktgruppe, die auch eine politischere Dimension
hat und dazu führen kann, dass zumindest in Kürze eine Road Map für ein neues Libyen
skizziert wird. Wichtig ist auch die Tatsache, dass die humanitäre Hilfe sich nicht
nur auf ad-hoc-Hilfe beschränken soll, sondern wirklich als Hilfe für Libyen beim
Wiederaufbau seiner Infrastruktur gedacht ist: der Brücken, der Häuser, der Krankenhäuser
und Medienzentren.“
Erzbischof Mennini unterstreicht auch, dass diese humanitäre
Hilfe direkt von einem Sondergesandten des UNO-Generalsekretärs koordiniert werden
soll. Und vor allem: dass in die in London begründete Kontaktgruppe auch arabische
Länder einbezogen werden, nämlich Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate. In
Katar soll auch das nächste Treffen des neuen Gremiums stattfinden.
„Katar
hat betont, dass es eine Scharnierrolle zu vielen anderen arabischen Ländern spielen
will. Auch wenn viele dieser Länder nicht in London mit dabei waren, war doch die
Unterstützung der UNO-Resolution zu Libyen kürzlich auf dem Gipfel der Arabischen
Liga massiv. Das scheint mir wichtig. Nicht weniger wichtig ist zweitens, dass diese
Kontaktgruppe die EU, die Afrikanische Union, die Organisation der Golfstaaten und
andere internationale Organismen aktiv zur Teilnahme einlädt. Der Haupt-Ansprechpartner
der Kontaktgruppe ist der Nationale Übergangsrat der libyschen Aufständischen, aber
es darf keine Komponente der libyschen Gesellschaft ausgeschlossen werden: keine ethnische
oder Stammesgruppe und erst recht keine religiöse Gruppe, mag sie auch noch so klein
sein!“
Da wird der Papst-Diplomat an die kleine katholische Kirche in Libyen
gedacht haben, die vor allem aus ausländischen Gastarbeitern besteht. Ihr Hirte ist
Bischofsvikar Giovanni Innocenzo Martinelli in Tripolis. Der gebürtige Italiener hat
vor allem dieses Anliegen:
„Ich wünsche mir, dass nicht nur Europa, sondern
auch die Afrikanische Union an dieser politischen Allianz teilnehmen kann, denn die
AU hat eine wichtige Rolle hier in Libyen. Zu versuchen, ohne sie auszukommen, würde
heißen, die Rolle Libyens in der afrikanischen Geschichte und Gegenwart zu unterschätzen.
Die AU hat schon deutlich gemacht, dass sie mitentscheiden will.“
Allerdings:
Nach London war die Afrikanische Union eingeladen worden, sagte aber wegen angeblicher
„interner Meinungsverschiedenheiten“ ab. Anders als sein Bischofskollege Mennini scheint
Martinelli in Tripolis den alliierten Bombern keine Legitimität zuzugestehen: „Meiner
Meinung dienen die Bomben der Alliierten nicht dem Schutz der Zivilbevölkerung“, sagt
er. Die „angeblich präzisen“ Bombenangriffe auf militärische Ziele träfen „immer auch
die umliegenden zivilen Gebäude“.
„Man merkt bei den Leuten ein allgemeines
Unbehagen und Traurigkeit – weil sie so etwas noch nie erlebt haben. Sie sehen keinen
Ausweg aus der derzeitigen Lage. Allen ist klar, dass es nicht die Bomben sind, die
den Frieden bringen werden.“
Allein in Tripolis habe es in den letzten
Tagen nach seinen Informationen mindestens vierzig zivile Todesopfer durch die alliierten
Bomber gegeben, so Bischof Martinelli. Im Stadtviertel Buslim sei wegen der Bombardements
ein Wohnhaus eingestürzt.