Bischof Müller: „Das ist nicht unsere Entscheidung“
Darf man künstlich gezeugte Embryonen vor ihrem Einsetzen in den Mutterleib selektieren
und nur die gesunden zum Leben zulassen? Die Debatte um die Präimplantationsdiagnostik
(PID) wird uns in den kommenden Monaten begleiten. Soeben tagten die bayerischen Bischöfe
in Vollversammlung und sprachen dabei auch über die PID. Unter ihnen: der Regensburger
Bischof Gerhard Ludwig Müller, den wir am Donnerstagabend in der Lateranbasilika in
Rom getroffen haben.
„Ich war gestern mit der bayerischen Bischofskonferenz
in Irsee, dem früheren Kloster, wo in der Zeit des Nationalsozialismus viele Menschen
umgebracht worden sind, wo es Menschenversuche gegeben hat. Die Leute, die für die
PID sind, haben nicht diese Mentalität, das ist ganz klar. Man muss sich aber trotzdem
über die Grundlagen der Ethik unterhalten. Es kann nicht sein, dass Menschen entscheiden,
ob ein menschliches Leben lebenswert oder lebensunwert ist. Das ist nicht unsere Entscheidung.
Wir haben keine Verfügungsmacht über das Leben anderer Menschen.“
Während
die katholische Kirche geschlossen ein Verbot der PID fordert, gibt es in der evangelischen
Kirche keinen solch eindeutigen Konsens. Innerhalb der deutschen Bischofskonferenz
ist Müller für ökumenische Belange zuständig. Er glaubt aber nicht, dass die Debatte
über die Embryonenselektion den ökumenischen Dialog belasten könnte.
„Immerhin
haben jetzt im Ethikrat zwei hochrangige evangelische Vertreter für die Ablehnung
der PID gestimmt. Wenn auch bei der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) manche
Stimmen, auch die vom Vorsitzenden, etwas unklar sind. Es gibt aber trotzdem viele
Landesbischöfe, die ganz klar diese Position vertreten, dass ein Embryo von Anfang
an Mensch ist und ihm daher auch die Würde zukommt, die Unverletzlichkeit seines Daseins,
und der Mensch nicht von Anfang an selektiert werden kann.“
Mehr Platz
für Ökumene will sich Papst Benedikt bei seinem Deutschlandbesuch im kommenden September
nehmen. Neben Berlin und Freiburg will der Papst das Bistum Erfurt und damit zum ersten
Mal Ostdeutschland besuchen. Für Bischof Müller ein wichtiges Zeichen, vor allem in
Hinblick auf das „Luther-Jahr“, das in sechs Jahren ansteht.
„Erfurt wird
ein ökumenischer Anziehungspunkt sein. Ich selbst bin nicht in die Vorbereitungen
involviert. Als Ökumene-Referent der deutschen Bischofskonferenz werde ich sicher
an verschiedenen Dingen teilnehmen. Aber es geht natürlich auch darum, im Hinblick
auf 2017, Ausbruch der Reformation, die Weichen zu stellen. Damit dieses Ereignis
nicht neue Wunden aufreißt, sondern, dass es in einem guten ökumenischen Geist angegangen
wird, im Sinne der Buße, aber auch der Versöhnung und der Vertiefung der Gemeinschaften.
Ich glaube, der Heilige Vater möchte in diesem Gespräch auch solche Grundfragen klären.“
Bei
ihrer Versammlung in Irsee sprachen die Bischöfe Bayerns auch über Atomenergie und
fanden zu der klaren gemeinsamen Forderung nach einem Ausstieg aus dieser risikoreichen
Technologie.
„Weil die Atomkraft nicht beherrschbar ist, und deshalb ist es
ethisch nicht verantwortbar, weil das Risiko, wie man eben sieht, größer ist als der
erwartete Nutzen. Sicher, man kann bei allem ein Restrisiko nicht ausschalten. Aber
bei der Kernenergie ist es eben nicht mehr kalkulierbar. Deshalb müssen wir in einem
gewissen Zeitraum, soweit das möglich ist – es ist nicht unsere Sache, das zu beurteilen
– aber doch langfristig aus der Kernenergie aussteigen.“
Bischof Müller war
nach Rom gekommen, um im Lateran den zweiten Band des Jesus-Buches von Papst Benedikt
XVI. vorzustellen. Gerade jetzt sei es wichtig, so Müller, auf Jesus zu hören, auch
wenn der Kampf um die Aufmerksamkeit an den biblischen Kampf David gegen Goliath erinnere:
„Das
ist dieser Relativismus, die ungeheure heutige Macht der Medien, die Menschen zu manipulieren.
Aber es sind nicht die Medien als solche, als Mittel der Kommunikation, sondern diejenigen,
die die Herrschaft über die Massenkommunikation ausüben. Und da hat man doch manchmal
den Eindruck, dass sie übermächtig sind und dass die Stimme Christi, des guten Hirten,
im Lärm der Zeit ganz leise ist und oft überhört wird. Wenn man manche dieser großen
Meinungsführer hört, die dann das nahe Ende der Kirche prophezeien, fühlt man sich
an viele andere erinnert, die das nahe Ende der Kirche prophezeit haben. Aber in Wirklichkeit
wird Jesus siegen: Christus vincit.“