„Ausgezeichnete Idee“: Deutscher Pfarrer in Paris zum Vatikan-Dialog mit Nichtglaubenden
„Vorhof der Völker“
– so heißt die Vatikan-Stiftung, die an diesem Donnerstag gegründet wird, und zwar
in Paris. Sie soll das Gespräch zwischen der katholischen Kirche und den Nichtglaubenden
ankurbeln, und dem Leiter des Päpstlichen Kulturrates, Kardinal Gianfranco Ravasi,
schien offenbar die Seine-Metropole für die Gründung der richtige Ort. Stefan Kempis
fragte den deutschen Pfarrer in Paris, Wolfgang Sedlmeier, was er davon hält.
„Das
finde ich eine ausgezeichnete Idee, also wirklich: ins Gespräch zu kommen mit denen,
die Atheisten sind, Agnostiker oder Glaubenslose. Es handelt sich da um eine immer
größer werdende Gruppe – also eine sehr gute Idee.“
Ist denn Paris eine
emblematische Stadt für den Atheismus? Eigentlich war es ja London, wo Busse mit der
Aufschrift „Es gibt (wahrscheinlich) keinen Gott“ durch die Innenstadt rollten.
„Ich
glaube, in Paris passt das schon auch. Es gibt in Paris – so erlebe ich das persönlich
– einen sehr militanten Atheismus, der sich aus einer alten revolutionären Tradition
speist; vor allem ein sozialistisch-kommunistischer Atheismus ist hier immer noch
lebendig und auch aggressiv. In der intellektuellen Debatte gibt es zwar auch einige,
die sich da positionieren, aber diese Debatte ist aus meiner Sicht nicht so schrill,
wie man sie auf der Straße erlebt.“
Wenn man die intellektuelle Debatte
in Frankreich etwas verfolgt, dann geht es um Themen wie Gerechtigkeit und Frieden,
gerechte Kriege usw. – aber dass bei Intellektuellen wie André Glucksmann oder Bernard
Henry-Lévi die Gottesfrage im Mittelpunkt stünde, kann man beim besten Willen nicht
behaupten…
„Vielleicht halten sie es auch für obsolet. Aber sobald in Debatten
der Eindruck aufkommt, die Kirche stelle sich in die Mitte der Gesellschaft, gibt
es sofort Abwehrreaktionen, und zwar auch sehr heftige. Das hat mit der Laizität zu
tun, die hier sehr streng verfochten wird: Man sieht dann immer gleich das Fundament
der ganzen Republik gefährdet. Also, ich erlebe es schon so, dass es, wenn es um diese
konkrete Präsenz von Kirche oder von Religion allgemein geht, sehr heftige Abwehrreaktionen
von ganz bestimmten Kreisen gibt. Was ich interessant finde: Diese republikanische
Tradition wird auch von Katholiken hochgehalten.“
Wie zeigt sich das?
„Vor
allem, wenn es um die positive Laizität geht, die Sarkozy vor ein paar Jahren ins
Spiel gebracht hat. Da kam eine harsche Reaktion aus allen Lagern, zum Teil auch aus
katholischen Lagern, die sagen: Nein, das ist ein Wert unseres republikanischen Erbes,
und hier muss ganz strikt getrennt werden. Das heißt ganz konkret: Es darf keine religiösen
Zeichen in der Öffentlichkeit geben: Selbst die Schüler dürfen in der Schule kein
Kreuz tragen und keinen Davidsstern oder sich in irgendeiner anderen Weise religiös
outen. Für uns als Deutsche ist das etwas seltsam – das Thema Weihnachten darf zum
Beispiel keine Rolle spielen, und was bei uns normal ist, etwa dass es in den Klassenzimmern
einen Adventskranz gibt (nicht ein Kreuz, sondern etwas, was wir als unser Kulturgut
empfinden), all das wäre zuviel. Hier gibt es eine ganz starke Trennung Kirche-Staat,
Religion-Staat, das müssen zwei ganz verschiedene Dinge sein. Und wenn dieses Prinzip
verletzt wird, erlebe ich sehr emotionale Reaktionen, und auch das intellektuelle
Lager schießt dann sehr stark.“
Was sagen Sie solchen Leuten, wenn sie
sich aufregen?
„Wir haben hier im Haus eine kleine französische Gottesdienstgemeinde;
wir machen die Türen auf für die Nachbarschaft, es sind in der Regel eher ältere Leute,
die hierherkommen zum Gottesdienst, weil sie nicht mehr bis zur Pfarrkirche gehen
können. Und wenn wir öffentlich einen Martinsumzug machen oder eine Fronleichnamsprozession,
wie das einfach unsere Tradition ist, gibt es einige, die sehr harsch reagieren und
sagen: Was soll das? Das kann man doch alles auch in der Kirche machen, man braucht
doch die anderen nicht so zu provozieren! Da erlebe ich, dass es da eine ganz andere
Kultur ist, die etwas mit dieser französischen Liberalität zu tun hat… oder wie Frankreich
Liberalität versteht.“