Der Bürgermeister
der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa hat einen dramatischen Hilfsappell an
die EU gerichtet. „Wir stehen vor dem Kollaps und können nicht mehr die öffentliche
Ordnung, Sicherheit und Hygiene garantieren“, sagte Bernardino De Rubeis am Dienstag
im italienischen Fernsehen. Europa warf er vor, „abwesend und untergetaucht“ zu sein.
Das
UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR rief derweil die italienische Regierung zu unverzüglichen
Maßnahmen gegen die Überfüllung der Insel auf. In einer Mitteilung am Dienstag äußerte
sich die Organisation besorgt über wachsende Spannungen unter Ortsansässigen und Ankommenden.
Die Inselbewohner reagierten mit „verständlicher Nervosität“ auf die Situation. Unser
Korrespondent vor Ort, Massimiliano Menichetti, hat Töne von Flüchtlingen und Bewohnern
gesammelt.
„Wie alt bist du?“
„Ich bin 16.“
„Und
du?“
„Auch 16. Mein Name ist Kinani“
„Wohin geht ihr?
Ist euer Ziel Italien oder möchtet ihr woanders gehen?“
„Irgendwo anders.“-
„Wo?“
„Frankreich.
Lampedusa ist wie Tunesien. Palermo und allgemein Sizilien sind besser…”
Aber
auch die Inselbewohner sind unzufrieden, wie ein Hotelbesitzer uns sagt.
„Man
bedenke, dass wir etwa 5.000 Inselbewohner sind und so viele Ausländer gibt es. Wir
Bewohner von Lampedusa haben aber immer unsere Solidarität mit den Flüchtlingen bekundet.
Die meisten, die hierher kommen sind ja Jugendliche zwischen 16 und 22 Jahre. Es sind
alle so jung, deshalb muss die Regierung in Rom unbedingt etwas für sie unternehmen.“
Derweil
haben sich die Regionen Italiens bereiterklärt, bis zu 50.000 Migranten aufzunehmen.
Dabei handele es sich um „eine sehr realistische Zahl“, sagte Innenminister Roberto
Maroni nach einem Treffen mit den Regionalpräsidenten am Dienstag in Rom. Tourismusministerin
Michela Vittoria Brambilla stellte Lampedusa Hilfen in Aussicht, damit die kommende
Urlaubssaison für die Insel „eine der besten“ werde.
Hintergrund Inzwischen
befinden sich auf Lampedusa mehr Flüchtlinge als Einwohner. Nach der Ankunft weiterer
Boote am Morgen befanden sich am Dienstag laut Zeitung „La Repubblica“ (Onlineausgabe)
rund 5.500 Immigranten aus Nordafrika auf der Insel mit 5.000 Einwohnern. Nach UNHCR-Angaben
sind seit Mitte Januar mehr als 15.000 Menschen aus Tunesien auf die italienische
Insel gelangt. Zwei Drittel von ihnen wurden unterdessen an andere Orte in Italien
gebracht. Die große Mehrheit der Zuwanderer habe aus wirtschaftlicher Not den Weg
nach Europa gesucht; nur wenige hätten Absichten gezeigt, um internationalen Schutz
nachzusuchen.