Italien/Vatikan/EU: Erleichterung über Kruzifix-Urteil
„Mit Genugtuung“ hat
der Vatikan das Kruzifix-Urteil des Straßburger Menschenrechtsgerichtshofes aufgenommen.
Das geht aus einer Stellungnahme von Vatikansprecher Pater Federico Lombardi hervor.
Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof hatte am Freitag in letzter Instanz entschieden,
dass in italienischen Schulklassen auch weiterhin Kreuze an der Wand hängen dürfen.
Die
Große Kammer des Straßburger Gerichts kassiert mit dem Urteil vom Freitag ein italienisches
Urteil aus dem Herbst 2009: Damals hatten die Richter Kruzifixe in Klassenzimmern
als einen Verstoß gegen Erziehungsrechte und die Religionsfreiheit gewertet. Der Staat
Italien fühlte sich übergangen und erhob 2010 Einspruch. Für Pater Lombardi ist mit
dem Urteil vom Freitag die Einheit von Religionsfreiheit und Menschenrechten in gewisser
Weise wieder hergestellt:
„Man erkennt also auf der maßgeblichen rechtlichen
und internationalen Ebene an, dass die Kultur der Menschenrechte nicht in Widerspruch
zu den religiösen Fundamenten der europäischen Zivilisation gesetzt werden darf, zu
der das Christentum einen grundlegenden Beitrag geleistet hat. Man erkennt weiter
an, dass es auf Grundlage der Subsidiarität eine Pflicht ist, jedem Land einen eigenen
Ermessensspielraum zu garantieren, was den Wert religiöser Symbole innerhalb der eigenen
kulturellen Geschichte und nationalen Identität sowie den Ort ihrer Ausstellung betrifft.“
Das
Anbringen des Kruzifixes im öffentlichen Raum ist also keine Indoktrination, sondern
Ausdruck kultureller und religiöser Identität in Ländern mit christlichen Traditionen
– das habe der Gerichtshof erkannt, lobt Lombardi. Mit dieser „historischen“ und „sehr
anspruchsvollen Entscheidung“ sei für viele Europäer das Vertrauen in dieses so wichtige
Rechtsprechungsorgan wiederhergestellt, meint er. Tatsächlich hatte nicht nur der
Staat Italien Einspruch gegen das erste Urteil eingelegt; auch andere Staaten setzten
sich für die Beibehaltung der Schulkreuze ein, darunter zum Beispiel Armenien, Griechenland,
Malta und Russland. Eine andere Entscheidung würde eine paradoxale Verdrehung der
Religionsfreiheit bedeuten, führt Lombardi weiter aus:
„Im Namen der Religionsfreiheit
würde man diese paradoxerweise einschränken oder negieren und letztlich aus dem öffentlichen
Raum jede Form des Ausdrucks verbannen. Und das würde dann die Freiheit selbst verletzten,
ja die spezifischen und rechtmäßigen Identitäten (der einzelnen Länder) verschleiern.“