2011-03-11 14:58:10

Bischof Fürst: „Missbrauchsentschädigungen nicht aus Kirchensteuern“


RealAudioMP3 Finanzielle Entschädigungen für kirchliche Missbrauchsopfer sollen nicht aus der Kirchensteuer oder aus staatlichen Zuwendungen für die Kirche gezahlt werden. Das hat der Bischof von Rottenburg Stuttgart, Gebhard Fürst, am Donnerstag auf einer Pressekonferenz zum Thema präzisiert. Vorgestellt wurde dort der Bericht der Kommission zur Aufklärung sexuellen Missbrauchs in der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Das Domradio Köln hat Bischof Fürst bei dieser Gelegenheit interviewt.

„Zunächst einmal: Dort, wo jemand schuldig geworden ist von den Priestern, wird er selber auch beitragen müssen, diese Summen aufzubringen. Wenn es Opfer eines Täters gibt, der nicht mehr am Leben ist, werden wir einspringen. Da wird es finanzielle Zuwendungen geben als Zeichen der Anerkennung, dass Schuld begangen worden ist. Und die werden wir aus finanziellen Möglichkeiten nehmen, die nicht aus der Kirchensteuer kommen – auch nicht aus den Staatsleistungen, die wir haben, sondern aus anderen Quellen. Wir haben ja als Kirche auch Einrichtungen, die Gewinn abwerfen. Mit denen werden wir diese Zahlungen dann leisten.“

In den wenigsten Fällen forderten die Opfer finanzielle Leistungen; den meisten gehe es darum, gehört und ernst genommen zu werden. Das betonte auf der Pressekonferenz der Vorsitzende der Diözesankommission Sexueller Missbrauch und frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Robert Antretter. Dennoch werde sich die Diözese dem von der Deutschen Bischofskonferenz Anfang März beschlossenen Weg anschließen, Opfern eine pauschale Anerkennung von 5.000 Euro zu zahlen. Der kirchliche Missbrauchsskandal sei eines der Hauptelemente der momentanen Glaubwürdigkeits- und Vertrauenskrise, wie sie die Kirche seit Generationen nicht erlebt habe, so Bischof Fürst:

„Der Missbrauchsskandal hat sehr viel Vertrauen in die Kirche erschüttert. Sie ist in vielfacher Weise unglaubwürdig geworden, weil der Eindruck entsteht, die Kirche verkündet ethische Orientierungen und hält sich selbst nicht daran. Und in dieser großen Aufgeregtheit sind wieder viele Fragen an die Kirche und ihre Struktur, an ihre Dienste, Ämter, an die Pastoral aufgeweckt worden, die vorher auch schon da waren, seit vielen Jahren uns bewegen. Von daher gibt es einen Zusammenhang in der Entwicklung von Gesprächsbedarf, von Erneuerung. Aber es ist nicht so, dass jetzt der Missbrauchsskandal an und für sich die Struktur unserer Kirche fordert zu verändern, sondern das eben dieser Skandal die Menschen mit ihren Sorgen und Nöten neu zur Sprache bringen wird oder gebracht hat.“

Mindestens 94 Kinder und Jugendliche sind in der Diözese Rottenburg-Stuttgart seit 1945 von kirchlichen Mitarbeitern missbraucht worden, geht aus dem Missbrauchsbericht hervor. Die überwiegende Mehrzahl der Fälle datiere aus den Jahren zwischen 1960 und 1990, hieß es. Seit Einrichtung der Kommission vor über acht Jahren hätten sich 50 Männer und 20 Frauen gemeldet und als Opfer zu erkennen gegeben.
Auf der am kommenden Montag startenden Frühjahrsvollversammlung der deutschen Bischöfe in Paderborn soll Missbrauch eigentlich kein Thema sein; bei der Sitzung geht es vor allem um die Deutschlandreise des Papstes, Pflege im Alter und die Ökumene. Allerdings gebe es bei der Aufarbeitung der kirchlichen Missbrauchsfälle immer noch viele offene Fragen, räumt Bischof Fürst ein:

„Wir haben ja in der Bischofskonferenz immer noch die Frage offen, ob wir nicht ein unabhängiges Institut beauftragen, alles zu untersuchen. Wir müssen da vorher auch noch einmal – finde ich – kirchliche, aber auch weltliche Rechtsgutachten einholen, denn nach Verjährung ist es eigentlich nicht mehr möglich, auch Akten einzusehen und bei lebenden Personen ist auch eine Frist vorgeschrieben – ich glaube, es sind 30 oder 40 Jahre – wo man die Akten nicht einfach so einsehen kann.“

DBK-Regelung zu Entschädigungszahlungen
Die Deutsche Bischofskonferenz hatte zusammen mit der Ordensoberenkonferenz am vergangenen 2. März eine Regelung zu materiellen Leistungen der Kirche für Missbrauchsopfer vorgelegt. Das vorgesehene Leistungspaket umfasst - neben der Erstattung von Therapiekosten und der einmaligen Entschädigungszahlung - auch einen Präventivfond in Höhe von 500.000 Euro, der Projekte zur Vorbeugung sexuellen Missbrauchs finanziert.

(domradio/pm 11.03.2011 pr)








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