Bischof Fürst: „Missbrauchsentschädigungen nicht aus Kirchensteuern“
Finanzielle Entschädigungen
für kirchliche Missbrauchsopfer sollen nicht aus der Kirchensteuer oder aus staatlichen
Zuwendungen für die Kirche gezahlt werden. Das hat der Bischof von Rottenburg Stuttgart,
Gebhard Fürst, am Donnerstag auf einer Pressekonferenz zum Thema präzisiert. Vorgestellt
wurde dort der Bericht der Kommission zur Aufklärung sexuellen Missbrauchs in der
Diözese Rottenburg-Stuttgart. Das Domradio Köln hat Bischof Fürst bei dieser Gelegenheit
interviewt.
„Zunächst einmal: Dort, wo jemand schuldig geworden ist von
den Priestern, wird er selber auch beitragen müssen, diese Summen aufzubringen. Wenn
es Opfer eines Täters gibt, der nicht mehr am Leben ist, werden wir einspringen. Da
wird es finanzielle Zuwendungen geben als Zeichen der Anerkennung, dass Schuld begangen
worden ist. Und die werden wir aus finanziellen Möglichkeiten nehmen, die nicht aus
der Kirchensteuer kommen – auch nicht aus den Staatsleistungen, die wir haben, sondern
aus anderen Quellen. Wir haben ja als Kirche auch Einrichtungen, die Gewinn abwerfen.
Mit denen werden wir diese Zahlungen dann leisten.“
In den wenigsten Fällen
forderten die Opfer finanzielle Leistungen; den meisten gehe es darum, gehört und
ernst genommen zu werden. Das betonte auf der Pressekonferenz der Vorsitzende der
Diözesankommission Sexueller Missbrauch und frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Robert
Antretter. Dennoch werde sich die Diözese dem von der Deutschen Bischofskonferenz
Anfang März beschlossenen Weg anschließen, Opfern eine pauschale Anerkennung von 5.000
Euro zu zahlen. Der kirchliche Missbrauchsskandal sei eines der Hauptelemente der
momentanen Glaubwürdigkeits- und Vertrauenskrise, wie sie die Kirche seit Generationen
nicht erlebt habe, so Bischof Fürst:
„Der Missbrauchsskandal hat sehr viel
Vertrauen in die Kirche erschüttert. Sie ist in vielfacher Weise unglaubwürdig geworden,
weil der Eindruck entsteht, die Kirche verkündet ethische Orientierungen und hält
sich selbst nicht daran. Und in dieser großen Aufgeregtheit sind wieder viele Fragen
an die Kirche und ihre Struktur, an ihre Dienste, Ämter, an die Pastoral aufgeweckt
worden, die vorher auch schon da waren, seit vielen Jahren uns bewegen. Von daher
gibt es einen Zusammenhang in der Entwicklung von Gesprächsbedarf, von Erneuerung.
Aber es ist nicht so, dass jetzt der Missbrauchsskandal an und für sich die Struktur
unserer Kirche fordert zu verändern, sondern das eben dieser Skandal die Menschen
mit ihren Sorgen und Nöten neu zur Sprache bringen wird oder gebracht hat.“
Mindestens
94 Kinder und Jugendliche sind in der Diözese Rottenburg-Stuttgart seit 1945 von kirchlichen
Mitarbeitern missbraucht worden, geht aus dem Missbrauchsbericht hervor. Die überwiegende
Mehrzahl der Fälle datiere aus den Jahren zwischen 1960 und 1990, hieß es. Seit Einrichtung
der Kommission vor über acht Jahren hätten sich 50 Männer und 20 Frauen gemeldet und
als Opfer zu erkennen gegeben. Auf der am kommenden Montag startenden Frühjahrsvollversammlung
der deutschen Bischöfe in Paderborn soll Missbrauch eigentlich kein Thema sein; bei
der Sitzung geht es vor allem um die Deutschlandreise des Papstes, Pflege im Alter
und die Ökumene. Allerdings gebe es bei der Aufarbeitung der kirchlichen Missbrauchsfälle
immer noch viele offene Fragen, räumt Bischof Fürst ein:
„Wir haben ja in
der Bischofskonferenz immer noch die Frage offen, ob wir nicht ein unabhängiges Institut
beauftragen, alles zu untersuchen. Wir müssen da vorher auch noch einmal – finde ich
– kirchliche, aber auch weltliche Rechtsgutachten einholen, denn nach Verjährung ist
es eigentlich nicht mehr möglich, auch Akten einzusehen und bei lebenden Personen
ist auch eine Frist vorgeschrieben – ich glaube, es sind 30 oder 40 Jahre – wo man
die Akten nicht einfach so einsehen kann.“
DBK-Regelung zu Entschädigungszahlungen Die
Deutsche Bischofskonferenz hatte zusammen mit der Ordensoberenkonferenz am vergangenen
2. März eine Regelung zu materiellen Leistungen der Kirche für Missbrauchsopfer vorgelegt.
Das vorgesehene Leistungspaket umfasst - neben der Erstattung von Therapiekosten und
der einmaligen Entschädigungszahlung - auch einen Präventivfond in Höhe von 500.000
Euro, der Projekte zur Vorbeugung sexuellen Missbrauchs finanziert.