„Dass der Papst über
Jesus spricht, ist nicht verwunderlich, (..) es ist der Kern seiner Aufgabe. Überraschend
ist vielmehr, wie er es tut.“ Mit diesen Worten begann Kardinal Christoph Schönborn
die Vorstellung des ersten Bandes des Jesusbuches 2007 und traf damit die Spannung,
die dieses Werk von Anfang an begleitet hat.
Es ist natürlich ein Jesus-Buch
des Papstes, aber es ist kein dogmatisches Werk, sein Gravitationspunkt, wie es Kardinal
Schönborn nannte, ist die Freundschaft mit Jesus. Das macht aus dem Werk aber noch
kein selbstdarstellerisches Buch, Josef Ratzinger geht es nicht um seinen persönlichen
Glauben, sondern um das Sprechen von dem, an den wir glauben und der das Zentrum der
Kirche ist. Hier liegt eine zweite Spannung: natürlich ist es ein Theologieprofessor,
der hier spricht, aber es ist kein Buch nur für die theologische Debatte. Man kann
es nicht lesen, um sich zu informieren, man kann es nur lesen, um selber seinen Bezug
zu diesem Jesus von Nazareth, dem Christus, zu formen. Der Glaube spielt in diesem
Buch die tragende Rolle. Es gibt keinen rein menschlichen noch-nicht-Christus Jesus,
der sanft und moralisch und damit brav und gegenwartsverträglich bleibe, entgegen
einem göttlichen und eine kirchliche Gemeinschaft bildenden Christus. Dieser Jesus,
von dem der Papst erzählt, ist ohne den Bezug zum Vater, ohne Glauben, nicht verstehbar.
Und
das ist vielleicht die größte Spannung, die dieses Buch hat: es will Theologie und
Glauben zusammen lesen. Was im ersten Band schon an Kritik an einigen theologischen
Disziplinen deutlich wurde, wird in beiden Bänden positiv im Zusammengehen von Glaube
und Studium formuliert. Der Papst spricht aus der Perspektive des Glaubenden, der
das Leben seines Herrn und Erlösers erzählt. Er erzählt auf hohem Niveau und mit Anspruch,
trotzdem bleibt er immer der Glaubende, er bleibt bei aller wissenschaftlicher Diskussion,
die in das Buch einfließt, immer der Beter und Sucher.
Sein Ausgangspunkt im
ersten Band war es, den Evangelien vertrauend zu diesem Leben des Jesus von Nazareth
vorzustoßen. Nicht naiv, nicht buchstabengläubig, aber verstehend und hinterfragend.
Theologie hilft dem Glauben, so die Botschaft des Buches. Und Anstrengung hilft auch:
der Papst entlässt den Leser nicht mit aufbauenden, frommen Gedanken, er fordert das
Denken und auch das Nachschlagen heraus, er zitiert wissenschaftliche Debatten, und
das macht aus dem Buch kein Lese-Buch wie andere.
Das Projekt des Papstes berührt
Kernfragen des Glaubens, damit ist das, was der Papst mit seinem Werk tut, hoch modern.
Es geht um den Kern von Glauben und Christentum, und das muss immer wieder die Frage
nach diesem Jesus stellen. Eine diffuse Spiritualität trägt nicht und verfehlt den
Glauben, dessen ist sich der Papst sicher. Mit diesem Jesus hat Gott und hat der Heilige
Geist einen Anker in der menschlichen Geschichte mit all ihren Wirrungen und Irrungen,
und das Sprechen über Gott hat zu tun mit den Schwierigkeiten der Überlieferung.
Das
Bekenntnis zu diesem Christus ist das Zentrum des Glaubens, und von dort aus stellt
sich automatisch die Frage, wer das denn war, dieser Jesus von Nazareth, der Christus.
Und davon erzählt die Heilige Schrift, und das betrachtet das Buch des Papstes.
Benedikt
XVI. geht von dieser Schrift aus auf die Suche nach dem historischen Jesus, der der
Christus des Glaubens ist. Hier zeigt sich ein Grundgedanke des Theologie Ratzingers:
spätestens seit seiner Mitarbeit am Konzilsdokument „Verbum Dei“ ist diese Heilige
Schrift der Bezugspunkt der Schriften Josef Ratzingers.
Dieses Werk
ist eine Einladung zum Selberdenken – und es ist Einladung zum Selberbeten.