2011-03-09 14:46:55

Bio-Sprit: Tanks voll, Mägen leer?


RealAudioMP3 E 10, das steht für Bio-Treibstoff, aber auch für politischen Streit. Vorerst bleibt er im Handel, darüber waren sich Bundesregierung, Wirtschaft und Verbände auf dem Berliner Benzingipfel am Dienstag einig. Unmut über die Entscheidung zeigt im Gespräch mit uns der Geschäftsführer von Misereor, Prälat Josef Sayer. Misereor hatte die deutsche Bundesregierung bereits in der vergangenen Woche aufgefordert, E 10 zurückzunehmen. Denn der vermeintlich „saubere“ Sprit hat mitnichten eine weiße Weste. Prälat Sayer:

„Wir können doch nicht aufgrund dessen, dass wir unsere Tanks anders füllen wollen, dafür in Kauf nehmen, dass die Mägen leer sind! Wir müssen die Sorgen der einen hier wahrnehmen genauso wie die berechtigten Sorgen der Väter und Mütter in den Entwicklungsländern und der Kleinbauern in Afrika, Asien oder Lateinamerika. Wir müssen zu einer Versorgung mit Energie in der Bundesrepublik kommen, die tatsächlich nachhaltig ist. Und dabei berücksichtigen, dass es auch ein Welternährungsproblem gibt. Wir müssen beides gleichzeitig und gemeinsam angehen!“

Für die Produktion von Biotreibstoff werden Sojabohnen oder Zuckerrohr benötigt, die in den Entwicklungsländern angebaut werden. Der Anbau dieser Rohstoffe verdränge schon heute den Anbau von Rohstoffen für Lebensmittel, die für die Menschen in diesen Ländern überlebenswichtig sind, führt Sayer aus. Die Folge: Noch mehr Hunger und Armut in den Entwicklungsländern. Außerdem ist der angeblich umweltfreundlichere Treibstoff unterm Strich gar nicht „klimaneutral“, betont Sayer:

„Zunächst mag es ja schön klingen, dass – wenn zehn Prozent dieses Sprits einer Beimischung folgen – sich dann der CO-Ausstoß reduziert. Das ist die Annahme. Aber die Klimabilanz zeigt, dass das gar nicht so stimmt! Man sieht zum Beispiel, dass in Brasilien der Regenwald abgeholzt wird zugunsten von Sojabohnenanbau. Dadurch wird 300 mal mehr Kohlendioxid freigesetzt!“

Das Argument für den zehnprozentigen Anteil von Bioethanol im Treibstoff sei in klimatischer Hinsicht also hinfällig, so der Misereor-Geschäftsführer. Er fordert dagegen, der weltweiten Hungerbekämpfung Priorität zu geben – wie es ja in den so genannten „Milleniumszielen“ festgelegt worden war, die es bis zum Jahr 2017 zu verwirklichen gilt.
„Die Ziele wurden 2000 formuliert, wir sind jetzt in 2011 – seither hat sich eigentlich in dieser Richtung wenig getan. Nun kommt man dazu, dass man sagt: Wir brauchen mehr Energiepflanzen, weil wir die Abhängigkeit – so war ja gestern die Argumentation – von der Erdölversorgung durch beispielsweise einen Gaddafi reduzieren wollen. Aber so ein Argument kann man ja eigentlich nicht hinnehmen. Es müssen ganz andere Mechanismen der Einsparung und Umsteuerung von Energie in Betracht gezogen werden.“
Zum Beispiel über die Konstruktion effizienterer und umweltfreundlicherer Autos, schlägt Sayer vor. Enttäuscht zeigt er sich über die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel. Diese habe sich bei Fragen der globalen Gerechtigkeit und der Klimagerechtigkeit auf dem G8-Gipfel in Heiligendamm vor vier Jahren noch engagiert gezeigt. Mit der Entscheidung für E 10 rücke sie von diesem Kurs nun ab, kritisiert der Geschäftsführer von Misereor.

(rv 09.03.2011 pr)







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