E 10, das steht für
Bio-Treibstoff, aber auch für politischen Streit. Vorerst bleibt er im Handel, darüber
waren sich Bundesregierung, Wirtschaft und Verbände auf dem Berliner Benzingipfel
am Dienstag einig. Unmut über die Entscheidung zeigt im Gespräch mit uns der Geschäftsführer
von Misereor, Prälat Josef Sayer. Misereor hatte die deutsche Bundesregierung bereits
in der vergangenen Woche aufgefordert, E 10 zurückzunehmen. Denn der vermeintlich
„saubere“ Sprit hat mitnichten eine weiße Weste. Prälat Sayer:
„Wir können
doch nicht aufgrund dessen, dass wir unsere Tanks anders füllen wollen, dafür in Kauf
nehmen, dass die Mägen leer sind! Wir müssen die Sorgen der einen hier wahrnehmen
genauso wie die berechtigten Sorgen der Väter und Mütter in den Entwicklungsländern
und der Kleinbauern in Afrika, Asien oder Lateinamerika. Wir müssen zu einer Versorgung
mit Energie in der Bundesrepublik kommen, die tatsächlich nachhaltig ist. Und dabei
berücksichtigen, dass es auch ein Welternährungsproblem gibt. Wir müssen beides gleichzeitig
und gemeinsam angehen!“
Für die Produktion von Biotreibstoff werden Sojabohnen
oder Zuckerrohr benötigt, die in den Entwicklungsländern angebaut werden. Der Anbau
dieser Rohstoffe verdränge schon heute den Anbau von Rohstoffen für Lebensmittel,
die für die Menschen in diesen Ländern überlebenswichtig sind, führt Sayer aus. Die
Folge: Noch mehr Hunger und Armut in den Entwicklungsländern. Außerdem ist der angeblich
umweltfreundlichere Treibstoff unterm Strich gar nicht „klimaneutral“, betont Sayer:
„Zunächst
mag es ja schön klingen, dass – wenn zehn Prozent dieses Sprits einer Beimischung
folgen – sich dann der CO-Ausstoß reduziert. Das ist die Annahme. Aber die Klimabilanz
zeigt, dass das gar nicht so stimmt! Man sieht zum Beispiel, dass in Brasilien der
Regenwald abgeholzt wird zugunsten von Sojabohnenanbau. Dadurch wird 300 mal mehr
Kohlendioxid freigesetzt!“
Das Argument für den zehnprozentigen Anteil
von Bioethanol im Treibstoff sei in klimatischer Hinsicht also hinfällig, so der
Misereor-Geschäftsführer. Er fordert dagegen, der weltweiten Hungerbekämpfung Priorität
zu geben – wie es ja in den so genannten „Milleniumszielen“ festgelegt worden war,
die es bis zum Jahr 2017 zu verwirklichen gilt. „Die Ziele wurden 2000 formuliert,
wir sind jetzt in 2011 – seither hat sich eigentlich in dieser Richtung wenig getan.
Nun kommt man dazu, dass man sagt: Wir brauchen mehr Energiepflanzen, weil wir die
Abhängigkeit – so war ja gestern die Argumentation – von der Erdölversorgung durch
beispielsweise einen Gaddafi reduzieren wollen. Aber so ein Argument kann man ja eigentlich
nicht hinnehmen. Es müssen ganz andere Mechanismen der Einsparung und Umsteuerung
von Energie in Betracht gezogen werden.“ Zum Beispiel über die Konstruktion
effizienterer und umweltfreundlicherer Autos, schlägt Sayer vor.Enttäuscht
zeigt er sich über die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel. Diese habe sich bei
Fragen der globalen Gerechtigkeit und der Klimagerechtigkeit auf dem G8-Gipfel in
Heiligendamm vor vier Jahren noch engagiert gezeigt. Mit der Entscheidung für E 10
rücke sie von diesem Kurs nun ab, kritisiert der Geschäftsführer von Misereor.