2011-03-05 14:42:06

Vatikanvertreter Giordano: „Umbruch in Nordafrika stellt EU-Menschenrechtspolitik auf den Prüfstand“


RealAudioMP3 Die Vorgänge in Nordafrika stellen Europas Menschenrechtspolitik auf den Prüfstand. Das meint Aldo Giordano, Vertreter des Apostolischen Stuhles im Europarat, im Gespräch mit Radio Vatikan. Giordano ist in diesen Tagen auf Zypern, wo er an Beratungen der südosteuropäischen katholischen Bischofskonferenzen zur Jugendpastoral teilnimmt. Auch wenn die Folgen des „arabischen Frühlings“ derzeit noch nicht absehbar seien, hielten die Volksbewegungen in Nordafrika Europa und seinen Institutionen jetzt schon den Spiegel vor, so Giordano:

„Wir müssen uns fragen, was wir in den ganzen Jahren für den Schutz der Menschenrechte getan haben, gerade im Hinblick auf unsere Nachbarn. Und wie Europa in Zukunft über die Menschenrechte sprechen kann. In Hinblick darauf, dass die Menschenrechte universelle Rechte sind. Oder ob sie für alle Völker gelten oder es schwierig ist, sie zu verteidigen und durchzusetzen. Also wird an uns die Frage gestellt – und darin sehe ich einen positiven Aspekt, wenn wir darauf antworten können – inwiefern Europa für gewisse Dinge verantwortlich ist.“
Das politische Erdbeben in Nordafrika geht weit über Landesgrenzen hinaus: Innerhalb weniger Wochen sind in Tunesien und Ägypten Machthaber gefallen, die Jahrzehnte an der Macht waren. Dass sich die Europäische Union bislang nur zaghaft und sehr vorsichtig zu diesen Aufständen geäußert hat, erklärt sich Giordano so:
„Europa und die ganze Welt waren überrascht, dass die jungen Menschen dazu fähig sind, sich aus diesen alten Zwängen zu befreien. Das Bindeglied dieser Revolutionen sind die neuen Medien. Wir haben nun die Sorge, dass diese Revolutionen jetzt oder in Zukunft von Mächten und Fundamentalisten missbraucht werden könnten.“
Auch vor diesem Hintergrund wachse in Europa derzeit das Bewusstsein, dass die Beziehungen zu den angrenzenden Nachbarn konstitutiv auch für die europäische Identität seien, so Giordano. Und was die Gefahr des religiösen Fanatismus betreffe, der sich in Nordafrika ausbreiten könne, plädiert der Vatikanvertreter für eine durch Vernunft bestimmte Religionsfreiheit:
„Ich glaube, dass Europa sich wieder mehr um den Mittelmeerraum kümmern muss. Wenn wir über das Mittelmeer sprechen, dann sprechen wir über die tiefen Wurzeln Europas. Und heute sind wir in einer Situation, in der Europa seine Identität finden muss. Besonders müssen wir daran denken, dass dieser Raum für die erste Verbreitung des Christentums steht. Unser Papst legt ja großen Wert auf die Beziehung zwischen Vernunft und Glauben. Wir brauchen den Glauben, aber wir brauchen einen Glauben, der mit der Vernunft spricht, um alle Formen von Fundamentalismus und Radikalismus zu vermeiden. Wir brauchen eine gute Theologie. Ich glaube, dass in Europa eine theologische Ignoranz besteht.“
(rv 05.03.2011 ak)










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