2011-03-01 12:02:33

Kirchenaustritte in Bayern: Im Dialog das Vertrauen wieder gewinnen


RealAudioMP3 Immer mehr Christen wenden sich von der Kirche ab. Allein in Bayern, dem Heimatland von Papst Benedikt XVI., sind im letzten Jahr rund 60.000 Katholiken ausgetreten. Die Missbrauchsfälle sowie die Skandale rund um die Piusbruderschaft seien aber nicht die einzigen Gründe für diese Austrittswelle, sagt der Jesuitenpater Stephan Lipke im Kölner Domradio. Lipke leitet die katholische Glaubensorientierung im Bistum München und Freising und hat deswegen beruflich mit Austritten und Wiedereintritten zu tun:

„Ein Grund scheint mir zu sein, dass dem bei Vielen ein langer Prozess der Entfremdung vorausgegangen ist. Wenn ich von der Kirche nur wüsste, was in solchen Zusammenhängen in der Zeitung steht, würde ich auch austreten. Warum sollte ich drin bleiben? Es geht also um Entfremdung - und dann kommt so eine Sache hinzu. Aber man muss auch sehen: Es sind im letzten Jahr auch Menschen ausgetreten, die sich ein, zwei Jahre vorher noch als engagierte Katholiken verstanden haben. Das ist natürlich schon alarmierend.“

Die Schuld an dieser Entfremdung könne aber nicht allein in der Kirche in Rom gesucht werden.
Auch die deutschen Bischöfe haben jetzt laut Lipke jede Menge zu tun: Die Bischofskonferenz müsse den Prozess des Dialogs in Gang bekommen. Dadurch müsse unter anderem die Möglichkeit geschaffen werden, Kritik zu üben, ohne gleich als Nestbeschmutzer angesehen zu werden. Wichtig sei für Lipke, dass auch die Bischöfe versuchten, mit den Leuten direkt ins Gespräch zu kommen.

„Viele fühlen sich nicht verstanden und haben das Gefühl, man geht auf ihre Sorgen nicht ein. Bei Engagierten ist das nicht zuletzt die Sorge um die eigene Pfarrei. Andere sagen: Ich vertraue den Bischöfen, ich vertraue dem Papst, ich vertraue dem Pfarrer nicht mehr. Seit dem Missbrauchsskandal ist das noch dramatischer geworden.“

Das Wiederherstellen des Vertrauens zur Kirche könne aber nicht von heute auf morgen gelöst werden, es sei ein schwieriger und auch langwieriger Prozess:

„Es gibt nicht eine Lösung, die man jetzt aus dem Hut zaubern könnte und sagen könnte, das muss man nur machen und damit wird sich das ganze Problem erledigt haben. So bequem wird das nicht sein. Sondern: Zuhören und Schritt für Schritt überlegen, was muss geändert werden, was muss anders erklärt und vermittelt werden? So wird das zu einem langsamen Weg, Vertrauen wiederzugewinnen. Vertrauen geht schnell verloren - aber lässt sich nur nach und nach wiedergewinnen. Und das ist auch wichtig: dass die Kirche auch an sich arbeitet. Und nicht nur jetzt ein halbes Jahr, um diese Krise zu überwinden, sondern auf Jahre und Jahrzehnte, eigentlich. Aber gerade auch in den nächsten Jahren.“

Im Frühjahr des vergangenen Jahres hat die Kirche in Bayern besonders viele Mitglieder verloren. Spitzenreiter ist nach dem Skandal rund um Bischof Walter Mixa das Bistum Augsburg. Dort ist im vergangenen Jahr die Zahl der Austritte im Vergleich zum Vorjahr um fast 73 Prozent gestiegen.

(dr 01.03.2011 ak)







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