Während in Libyen der Umbruch noch in vollem Gange ist, ist Tunesien schon einen kleinen
Schritt weiter. In dem Land, in dem der Umbruch in Nordafrika vor einigen Wochen als
erstes begann, wird nun an einer neuen Verfassung gearbeitet. Dafür hatte Tunesien
die Hilfe des Europarates erbeten. Vollkommen beruhigt hat sich die Lage aber nicht:
Mehr als 100.000 Demonstranten gingen an diesem Freitag gegen die Übergangsregierung
von Ministerpräsident Mohammes Ghannouchi auf die Straße. Es habe sich um den größten
Protest seit dem Sturz von Präsident Zine El Abidine Ben Ali Mitte Januar gehandelt,
berichtete die Hilfsorganisation „Roter Halbmond“. Nach dem Mord an einem polnischen
Priester in Tripolis vor einigen Tagen haben die Christen dort immer noch Angst.
Pater Jawad Alamat arbeitet für die Kirche der Heiligen Jeanne d’Arc. Er sagte im
Interview mit Radio Vatikan:
„Sicher haben wir als christliche Gemeinschaft
Angst vor neuen Anschlägen. Wir spüren aber, dass das tunesische Volk eigentlich keine
Tradition der Gewalt gegen die Christen pflegt. Es ist ein offenes, gebildetes, würdiges
Volk, das immer tolerant war. Wir glauben also nicht, dass sie uns bedrängen werden.
Wenn sie uns etwas antun würden, gingen sie gegen das ganze Land vor. Wir befürchten
aber, wie überhaupt alle hier, dass wenn im Land nicht Sicherheit hergestellt wird,
Extremisten sich frei fühlen, Gewalt gegen Christen anzuwenden.“
Zur immer
noch fehlenden Führung des Landes meint Pater Alamat:
„Sagen wir, wie die
Dinge stehen: Es gibt seit 23 Jahren eine Leere politischer Aktivität, das Land ist
also unser Meinung nach noch nicht voll bereit für eine wahre Demokratie. Wir setzen
aber große Hoffnungen in dieses Land, in ein gebildetes und offenes Tunesien.“