Der deutsche Papst
pflegt ausschließlich den Dialog mit Traditionalisten, heißt es mancherorts, seit
Benedikt XVI. die Gespräche mit den Schismatikern der Piusbruderschaft wieder aufgenommen
hat. Weit weniger von sich reden macht die Dialog-Initiative des Papstes an Atheisten.
„Vorhof der Völker“ heißt die Einrichtung, die Kardinal Gianfranco Ravasi, Präsident
des päpstlichen Kulturrates, auf direkte Anregung des Papstes ins Leben gerufen hat.
In genau einem Monat, am 24. März 2011, startet der „Vorhof der Völker“ in Paris.
„Ich denke, eine Art „Vorhof der Völker“ müsste die Kirche auch heute auftun,
wo Menschen irgendwie sich an Gott anhängen können, ohne ihn zu kennen und ehe sie
den Zugang zum Geheimnis gefunden haben, dem das innere Leben der Kirche dient. Zum
Dialog der Religionen muss heute vor allem auch das Gespräch mit denen hinzutreten,
denen die Religionen fremd sind, denen Gott unbekannt ist und die doch nicht einfach
ohne Gott bleiben, ihn wenigstens als Unbekannten dennoch anrühren möchten.“
Das
sagte Papst Benedikt am 21. Dezember 2009 in seiner Weihnachtsansprache vor den Kardinälen
und der Kurie. Der „Vorhof der Völker“, das war jener große Platz vor dem Jerusalemer
Tempel, den alle betreten durften, Juden wie Nichtjuden. Ein Steingitter erhob sich
in der Mitte des Hofes und trennte den äußeren vom inneren Bereich ab. Zum inneren
Tempelbezirk hatten ausschließlich Juden Zutritt. Steintafeln, die bei archäologischen
Grabungen gefunden wurden, wiesen die Heiden auf diesen Sachverhalt hin und drohten
ihnen den Tod an, sowie sie sich in den heiligen Bezirk des Jerusalemer Tempelhofes
vorwagten.
Christus machte Schluss mit der Todesstrafe für Heiden, die Gott
suchten. Er riss, wie Paulus schrieb, „durch sein Sterben die trennende Wand der Feindschaft
nieder“. Gläubige und Nichtgläubige heute „stehen auf verschiedenen Arealen, aber
sie sollen sich nicht auf sakralen oder laizistischen Inseln einschließen, sich wechselseitig
ignorieren oder, schlimmer noch, einander Fratzen schneiden und Beschuldigungen austauschen,
wie es Fundamentalisten beider Lager gerne hätten“, erklärt Kardinal Gianfranco Ravasi
in einem Artikel für die Vatikanzeitung „L´Osservatore Romano“.
„Sicher, man
soll die Differenzen nicht einfach einebnen und über die verschiedenen Auffassungen
nicht einfach hinwegsehen. Die Füße stehen in verschiedenen „Vorhöfen“, aber die Gedanken
und Wörter, die Werke und die Entscheidungen können gegeneinander antreten und sich
sogar kreuzen.“ In einem Wortspiel regt Ravasi statt eines „Duells“ zwischen Christen
und Nichtglaubenden ein „Duett“ an, in dem etwa Bass und Sopran harmonisch zusammenklingen,
ohne deshalb ihre Identität aufzugeben, also „in einem vagen ideologischen Synkretismus
zu verblassen“.
Dem Austausch zwischen den „Vorhöfen“ müsse auf beiden Seiten
eine Entscheidung zur Reinigung der Grundkonzepte vorangehen, schreibt Ravasi weiter.
Die Nichtglaubenden sollten edle Ideale wiederfinden und sich nicht in politisch-ideologischen
Systemen einkapseln, noch in eine „Vergötzung der Dinge“ oder einen „verächtlichen,
sarkastischen und kindisch ketzerhaften Atheismus“ verfallen. Der Glaube hingegen
müsse „seine Größe wiederfinden, die sich in Jahrhunderten hohen Denkens“ äußerte,
er müsse den „schnellen Weg der Frömmigkeit oder des Fundamentalismus“ meiden und
klarlegen, dass die Theologie ihr eigenes, strenges, methodisches Regelwerk habe,
parallel zu jenem der Naturwissenschaft.
Gemeinsame Themen zwischen Glaubenden
und Nichtglaubenden gebe es genug, schreibt Ravasi: Ethik, Anthropologie, Spiritualität,
die „letzten Fragen“ über Leben und Tod, Gut und Böse, Liebe und Schmerz, Wahrheit
und Lüge, Friede und Natur, Transzendenz und Immanenz. „Ohne Konversionen zu erwarten“
und ohne ein Abgleiten in die Banalität und ins Stereotyp könnten „Nichtglaubende
und Christen, deren „Vorhöfe“ in der modernen Stadt Seite an Seite liegen – Übereinstimmungen
und Harmonien auch in ihrer Ungleichheit finden; sie können ihre selbstbezogene und
polemische Sprache ablegen und den Blick einer Menschheit, die sich zu oft nur über
das Unmittelbare beugt, das Oberflächliche, das Unbedeutende, auf Höheres richten,
auf das Sein in seiner Fülle.“
Der "Vorhof der Völker" ist eine Einrichtung,
die am päpstlichen Kulturrat in Rom angesiedelt ist. In genau einem Monat, am 24.
März, nimmt sie ihre Arbeit mit einem zweitägigen Festakt in Paris auf, am Sitz der
UNO-Kulturorganisation Unesco. Kardinal Ravasi erklärt die Einzelheiten:
„Es
ist ein komplexes Ereignis mit vier Hauptmomenten. Erstens: An der Sorbonne-Universität
findet ein Gespräch zwischen Intellektuellen statt. Zweitens, an der Unesco wird die
sozio-politisch-kulturelle Dimension des Dialogs von Glaubenden und Nichtglaubenden
verhandelt. An der Französischen Akademie debattieren, drittens, die Angehörigen dieser
hochexklusiven Einrichtung. Und da wir den „Vorhof der Völker“ wirklich auch räumlich
auffassen wollten, laden wir - viertens – auf dem großen Platz vor der Basilika Notre
Dame die Jugendlichen zum Mitfeiern ein. Wer will, kann dann vielleicht auch diesen
Vorhof durchschreiten und in den Tempel selbst eintreten. Dort bereitet die Gemeinschaft
von Taizé ein Gebet vor, um auch den Nichtglaubenden zu zeigen, wie Gläubige ihren
Gott anrufen.“
Die Feier für die Jugendlichen steht unter dem Motto "im
Hof des Unbekannten" und bietet Musik, Kunst, Theater und Lichtshows, wird also einen
ausgesprochenen Partycharakter haben. Auch der Papst mischt sich unter die Menge,
zumindest indirekt: Benedikt XVI. wird sich per Videobotschaft an die Jugendlichen
wenden, kündigte Kardinal Ravasi an. Beobachter bescheinigen dem norditalienischen
Kirchenmann viel Energie beim Beschreiten neuer, im Vatikan noch nie gegangener Wege.
Im Gespräch mit uns freut sich Ravasi darüber, dass sich der „Vorhof der Völker“ in
noch gar nicht absehbare Richtungen entwickelt.
„Das Interesse, das dieses
Vorhaben erweckt, war überraschend auch für mich selbst, der ich am Anfang sogar gezögert
habe und das Ganze zwar in Paris als städtischem Sinnbild der Laizität ansiedeln wollte,
aber in einem katholischen Ambiente wie dem College des Bernardins. Dann aber habe
ich gesehen, wie sich das Vorhaben verzweigt und ausweitet, und dieser Prozess setzt
sich weiter fort. Unsere Aufgabe ist es jetzt, dem nachzugehen, aber vor allem zuzulassen,
dass auch andere das tun.“
Der „Vorhof der Völker“ wird auf diese Art vermutlich
das erste Vatikan-Büro, das tatsächlich den Vatikan verlässt und dort seiner Aufgabe
nachgeht, wo die anvisierten Gesprächspartner – die Nichtglaubenden – zu Hause sind.
„Wir denken an Tirana, wir denken an Stockholm, wo eine ähnliche Initiative
nächsten November stattfinden könnte. Das wird besonders, denn die Schutzherrschaft
hat ja nun der Päpstliche Kulturrat, aber es werden lutherische Theologen und Gläubige
präsent sein. In den USA haben Chicago und Washington Interesse signalisiert. Und
man könnte auch in Länder gehen, wo der Katholizismus nicht sehr präsent ist, aber
statt dessen eine andere Form von Religiosität: wir denken an Asien.“
Papst
Benedikt hat vor wenigen Monaten auch einen Rat für die Neuevangelisierung ins Leben
gerufen. Dieser möchte das Gespräch mit Fernstehenden in längst missionierten, inzwischen
säkularisierten Gebieten wieder anknüpfen. Für den Dialog mit den Nichtglaubenden
ist hingegen seit 1993 der päpstliche Kulturrat zuständig. Davor gab es ein eigenes
damit befasstes Büro, den Päpstlichen Rat für die Nichtglaubenden. Johannes Paul II.
legte die beiden Räte zusammen. Sein Vorgänger Paul VI. hatte nach dem Zweiten Vatikanischen
Konzil 1965 das Sekretariat – den späteren Rat - für die Nichtglaubenden eingerichtet.
Einer der Leiter dieser Kurienbehörde war der Wiener Kardinal Franz König.