2011-02-24 16:41:30

Vatikan: Gespräche mit Atheisten


RealAudioMP3 Der deutsche Papst pflegt ausschließlich den Dialog mit Traditionalisten, heißt es mancherorts, seit Benedikt XVI. die Gespräche mit den Schismatikern der Piusbruderschaft wieder aufgenommen hat. Weit weniger von sich reden macht die Dialog-Initiative des Papstes an Atheisten. „Vorhof der Völker“ heißt die Einrichtung, die Kardinal Gianfranco Ravasi, Präsident des päpstlichen Kulturrates, auf direkte Anregung des Papstes ins Leben gerufen hat. In genau einem Monat, am 24. März 2011, startet der „Vorhof der Völker“ in Paris.

„Ich denke, eine Art „Vorhof der Völker“ müsste die Kirche auch heute auftun, wo Menschen irgendwie sich an Gott anhängen können, ohne ihn zu kennen und ehe sie den Zugang zum Geheimnis gefunden haben, dem das innere Leben der Kirche dient. Zum Dialog der Religionen muss heute vor allem auch das Gespräch mit denen hinzutreten, denen die Religionen fremd sind, denen Gott unbekannt ist und die doch nicht einfach ohne Gott bleiben, ihn wenigstens als Unbekannten dennoch anrühren möchten.“

Das sagte Papst Benedikt am 21. Dezember 2009 in seiner Weihnachtsansprache vor den Kardinälen und der Kurie. Der „Vorhof der Völker“, das war jener große Platz vor dem Jerusalemer Tempel, den alle betreten durften, Juden wie Nichtjuden. Ein Steingitter erhob sich in der Mitte des Hofes und trennte den äußeren vom inneren Bereich ab. Zum inneren Tempelbezirk hatten ausschließlich Juden Zutritt. Steintafeln, die bei archäologischen Grabungen gefunden wurden, wiesen die Heiden auf diesen Sachverhalt hin und drohten ihnen den Tod an, sowie sie sich in den heiligen Bezirk des Jerusalemer Tempelhofes vorwagten.

Christus machte Schluss mit der Todesstrafe für Heiden, die Gott suchten. Er riss, wie Paulus schrieb, „durch sein Sterben die trennende Wand der Feindschaft nieder“.
Gläubige und Nichtgläubige heute „stehen auf verschiedenen Arealen, aber sie sollen sich nicht auf sakralen oder laizistischen Inseln einschließen, sich wechselseitig ignorieren oder, schlimmer noch, einander Fratzen schneiden und Beschuldigungen austauschen, wie es Fundamentalisten beider Lager gerne hätten“, erklärt Kardinal Gianfranco Ravasi in einem Artikel für die Vatikanzeitung „L´Osservatore Romano“.

„Sicher, man soll die Differenzen nicht einfach einebnen und über die verschiedenen Auffassungen nicht einfach hinwegsehen. Die Füße stehen in verschiedenen „Vorhöfen“, aber die Gedanken und Wörter, die Werke und die Entscheidungen können gegeneinander antreten und sich sogar kreuzen.“ In einem Wortspiel regt Ravasi statt eines „Duells“ zwischen Christen und Nichtglaubenden ein „Duett“ an, in dem etwa Bass und Sopran harmonisch zusammenklingen, ohne deshalb ihre Identität aufzugeben, also „in einem vagen ideologischen Synkretismus zu verblassen“.

Dem Austausch zwischen den „Vorhöfen“ müsse auf beiden Seiten eine Entscheidung zur Reinigung der Grundkonzepte vorangehen, schreibt Ravasi weiter. Die Nichtglaubenden sollten edle Ideale wiederfinden und sich nicht in politisch-ideologischen Systemen einkapseln, noch in eine „Vergötzung der Dinge“ oder einen „verächtlichen, sarkastischen und kindisch ketzerhaften Atheismus“ verfallen. Der Glaube hingegen müsse „seine Größe wiederfinden, die sich in Jahrhunderten hohen Denkens“ äußerte, er müsse den „schnellen Weg der Frömmigkeit oder des Fundamentalismus“ meiden und klarlegen, dass die Theologie ihr eigenes, strenges, methodisches Regelwerk habe, parallel zu jenem der Naturwissenschaft.

Gemeinsame Themen zwischen Glaubenden und Nichtglaubenden gebe es genug, schreibt Ravasi: Ethik, Anthropologie, Spiritualität, die „letzten Fragen“ über Leben und Tod, Gut und Böse, Liebe und Schmerz, Wahrheit und Lüge, Friede und Natur, Transzendenz und Immanenz. „Ohne Konversionen zu erwarten“ und ohne ein Abgleiten in die Banalität und ins Stereotyp könnten „Nichtglaubende und Christen, deren „Vorhöfe“ in der modernen Stadt Seite an Seite liegen – Übereinstimmungen und Harmonien auch in ihrer Ungleichheit finden; sie können ihre selbstbezogene und polemische Sprache ablegen und den Blick einer Menschheit, die sich zu oft nur über das Unmittelbare beugt, das Oberflächliche, das Unbedeutende, auf Höheres richten, auf das Sein in seiner Fülle.“

Der "Vorhof der Völker" ist eine Einrichtung, die am päpstlichen Kulturrat in Rom angesiedelt ist. In genau einem Monat, am 24. März, nimmt sie ihre Arbeit mit einem zweitägigen Festakt in Paris auf, am Sitz der UNO-Kulturorganisation Unesco. Kardinal Ravasi erklärt die Einzelheiten:

„Es ist ein komplexes Ereignis mit vier Hauptmomenten. Erstens: An der Sorbonne-Universität findet ein Gespräch zwischen Intellektuellen statt. Zweitens, an der Unesco wird die sozio-politisch-kulturelle Dimension des Dialogs von Glaubenden und Nichtglaubenden verhandelt. An der Französischen Akademie debattieren, drittens, die Angehörigen dieser hochexklusiven Einrichtung. Und da wir den „Vorhof der Völker“ wirklich auch räumlich auffassen wollten, laden wir - viertens – auf dem großen Platz vor der Basilika Notre Dame die Jugendlichen zum Mitfeiern ein. Wer will, kann dann vielleicht auch diesen Vorhof durchschreiten und in den Tempel selbst eintreten. Dort bereitet die Gemeinschaft von Taizé ein Gebet vor, um auch den Nichtglaubenden zu zeigen, wie Gläubige ihren Gott anrufen.“

Die Feier für die Jugendlichen steht unter dem Motto "im Hof des Unbekannten" und bietet Musik, Kunst, Theater und Lichtshows, wird also einen ausgesprochenen Partycharakter haben. Auch der Papst mischt sich unter die Menge, zumindest indirekt: Benedikt XVI. wird sich per Videobotschaft an die Jugendlichen wenden, kündigte Kardinal Ravasi an. Beobachter bescheinigen dem norditalienischen Kirchenmann viel Energie beim Beschreiten neuer, im Vatikan noch nie gegangener Wege. Im Gespräch mit uns freut sich Ravasi darüber, dass sich der „Vorhof der Völker“ in noch gar nicht absehbare Richtungen entwickelt.

„Das Interesse, das dieses Vorhaben erweckt, war überraschend auch für mich selbst, der ich am Anfang sogar gezögert habe und das Ganze zwar in Paris als städtischem Sinnbild der Laizität ansiedeln wollte, aber in einem katholischen Ambiente wie dem College des Bernardins. Dann aber habe ich gesehen, wie sich das Vorhaben verzweigt und ausweitet, und dieser Prozess setzt sich weiter fort. Unsere Aufgabe ist es jetzt, dem nachzugehen, aber vor allem zuzulassen, dass auch andere das tun.“

Der „Vorhof der Völker“ wird auf diese Art vermutlich das erste Vatikan-Büro, das tatsächlich den Vatikan verlässt und dort seiner Aufgabe nachgeht, wo die anvisierten Gesprächspartner – die Nichtglaubenden – zu Hause sind.

„Wir denken an Tirana, wir denken an Stockholm, wo eine ähnliche Initiative nächsten November stattfinden könnte. Das wird besonders, denn die Schutzherrschaft hat ja nun der Päpstliche Kulturrat, aber es werden lutherische Theologen und Gläubige präsent sein. In den USA haben Chicago und Washington Interesse signalisiert. Und man könnte auch in Länder gehen, wo der Katholizismus nicht sehr präsent ist, aber statt dessen eine andere Form von Religiosität: wir denken an Asien.“

Papst Benedikt hat vor wenigen Monaten auch einen Rat für die Neuevangelisierung ins Leben gerufen. Dieser möchte das Gespräch mit Fernstehenden in längst missionierten, inzwischen säkularisierten Gebieten wieder anknüpfen. Für den Dialog mit den Nichtglaubenden ist hingegen seit 1993 der päpstliche Kulturrat zuständig. Davor gab es ein eigenes damit befasstes Büro, den Päpstlichen Rat für die Nichtglaubenden. Johannes Paul II. legte die beiden Räte zusammen. Sein Vorgänger Paul VI. hatte nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil 1965 das Sekretariat – den späteren Rat - für die Nichtglaubenden eingerichtet. Einer der Leiter dieser Kurienbehörde war der Wiener Kardinal Franz König.

(rv 24.02.2011 gs)








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