Sizilianischer Erzbischof: „Nordafrikas Flüchtlinge gehen ganz Europa an“
Das angekündigte Drama
der Flüchtlinge aus Nordafrika geht ganz Europa an, es darf nicht ein Problem einzig
Italiens sein. Das sagt der Erzbischof von Agrigent, Francesco Montenegro, angesichts
von Prognosen, die im Zug der Umwälzungen in Nordafrika bis zu 300.000 Asylsuchende
in Booten an Süditaliens Küsten stranden sehen. Ein Szenario, das Italiens Bürger
in Angst und Schrecken versetzt. Zum Sinnbild der angekündigten Flüchtlingstragödie
wird die kleine Insel Lampedusa, die zu Agrigent auf Sizilien gehört. Francesco Montenegro
ist Erzbischof von Agrigent. Er sagte uns: „Ich betone, dass diese Flüchtlingstragödie
ganz Europa etwas angeht. Es stimmt, es ist ein schwieriger Moment, in dem man vieles
noch nicht klar erkennen kann. Genau diese Ungewissheit schafft Angst, denn die Immigranten
wollen wissen, was sie zu tun haben, und wenn sie es nicht wissen, kann das in ihnen
auch eine Reaktion auslösen.“ Vor wenigen Tagen haben die Bischöfe Siziliens
eine Strategie vorgeschlagen, um einen solchen Ansturm an Menschen gerechter zu verteilen.
Die italienische Regierung soll einen Integrationsfahrplan erarbeiten und ein Dekret
über außerordentliche Flüchtlingsströme prüfen. Außerdem soll die internationale Zusammenarbeit
in den nordafrikanischen Ländern gestärkt werden, fordern die sizilianischen Bischöfe.
Erzbischof Montenegro ist sich darüber im Klaren, dass es hier um konkrete politische
Entscheidungen geht, die die Kompetenzen der Kirche klar überschreiten. „Italien
leistet den Menschen, die bei uns stranden, Akuthilfe. Aber das wird auf Dauer nicht
reichen. Dass eine Flüchtlingswelle kommt, war vorhersehbar. Man dachte hier anfangs,
sie mit der Devise zu stoppen: Hier kommt keiner durch. Aber das geht nicht. Wir können
diese Flüchtlingswelle nicht aufhalten.“ Italiens Außenminister Franco Frattini
hatte am Mittwoch vor einem „Exodus biblischen Ausmaßes“ aus bzw. über Nordafrika
gewarnt. Rom verlangte 100 Millionen Euro zur Bewältigung der Flüchtlingslast, stieß
aber bei mehreren EU-Staaten auf Widerstand. Der deutsche Bundesinnenminister Thomas
de Maiziere erinnerte daran, dass Deutschland im vergangenen Jahr 40.000 Asylbewerber
aufgenommen habe, Italien aber nur 7.000. Nach Schätzungen der Internationalen Organisation
für Migration IOM halten sich in Libyen bis zu 1,5 Millionen illegaler Einwanderer
aus Afrika und teils auch Asien auf, die nach Europa wollten. (rv/kna 24.02.2011
gs)