2011-02-20 14:23:50

D: Zollitsch kritisiert Reformpapier


Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, hat sich zum ersten Mal ausführlich zum Reform-Memorandum von Theologen geäußert. In einem Beitrag für die „Welt am Sonntag“ antwortet er detailliert auf die Forderungen der 256 Theologieprofessoren, die weitaus meisten von ihnen aus dem deutschsprachigen Raum.

Vieles an den derzeitigen Debatten sei „nicht einfach neu, manche Problemkreise werden seit Jahrzehnten erörtert“, schreibt Zollitsch. „Wohl aber hat die Reformdiskussion in den zurückliegenden Monaten eine neue Intensität erreicht. Diese Diskussionen zu fürchten, besteht kein Grund.“ Er sehe allerdings „dringenden Anlass für die Frage, ob in der notwendigen Auseinandersetzung über die künftige Gestalt der Kirche die zentralen Probleme in ihrer Tiefe begriffen werden und die Grundperspektive für eine Erneuerung der Kirche ausreichend bedacht wird“. Ähnlich hatte sich vor kurzem schon der deutsche Kurienkardinal Walter Kasper geäußert. Letztlich müsse es darum gehen, „wie die Frage nach Gott in unserer Gesellschaft wach gehalten und die christliche Antwort überzeugend formuliert und vor allem gelebt werden kann“, so Zollitsch, der Erzbischof von Freiburg ist. „Reformvorschläge ebenso wie das Beharren auf einer bestimmten Praxis sind danach zu beurteilen, ob sie dieser Perspektive gerecht werden.“
Als einen Grund für die abnehmende Attraktivität der Kirche sieht Zollitsch die sinkende Bereitschaft, „religiöse Überzeugungen und Festlegungen einfach für die eigene Lebenspraxis zu übernehmen“. Außerdem sei die Fähigkeit der Kirchen, den Glauben zu vermitteln, rückläufig. Die „Tendenzen der Entfremdung“ seien nicht nur nach außen, „sondern auch unter den Gläubigen selbst wirksam“. Aber eine Erneuerung der Kirche könne „nicht in einer Anpassung an moderne Lebensverhältnisse und Selbstverständnisse bestehen“. Dies wäre, so Erzbischof Zollitsch, „am Ende die Reduzierung auf das, was ohnehin gemeint und geglaubt wird“. Eine „bloße Verweigerung gegenüber der Moderne und ihren Herausforderungen“ komme aber auch nicht in Frage. Wörtlich schreibt der deutsche Chef-Bischof: „Alle Reformen der Kirche müssen darauf gerichtet sein, die Kirche als lebendigen Stein des Anstoßes, in dem das Skandalon Gottes seinen Ausdruck findet, unverstellt in den Blick zu rücken.“ Dabei müssten aber die „hausgemachten Skandale in der Kirche aus dem Weg“ geräumt werden, damit „die Sicht auf die eigentliche Herausforderung“ frei werde.

„ Darum setzten die Bischöfe jetzt auf einen innerkirchlichen Dialog, zu dem alle eingeladen seien. „Der Dialog kann aber nur gelingen, wenn er zu einem fundamental geistlichen Geschehen wird, in dem die Kirche sich neu ihrer Mitte vergewissert. Es geht um Gott und seine Offenbarung in dieser Welt.“ Der von den Bischöfen angestoßene Dialog stehe aber noch ganz am Anfang; da sei es „vielleicht nicht vermeidbar, gewiss aber nicht hilfreich, dass derzeit in rascher Folge Forderungen und Postulate auf den Markt geworfen werden – formuliert nach der Art von Mängellisten, die möglichst rasch abgearbeitet werden müssten“. Damit zielt Zollitsch direkt auf das Reformpapier der Theologen: „Bei allem Wohlwollen für die Autorinnen und Autoren: Mag jemand im Ernst glauben, dass die Verwirklichung der hier aufgelisteten Reformforderungen zur erwünschten Blüte von Glauben und Kirche führt?“ Es sei doch „mehr erforderlich als ein kirchlicher Reparaturbetrieb, der an einigen Stellschrauben dreht, um so eine bessere Kirche hervorzubringen“.
Mit Blick auf den Zölibat warnt der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz vor „kurzschlüssigem Denken und vermeintlich einfachen Lösungen“: „Geht die Not der Berufungen nicht viel tiefer – nämlich bis hinunter auf die Ebene der Suche des modernen Menschen nach Gott und einer Glaubensorientierung, die ihn zugleich frei macht und ganz und gar fordert? Fällt nicht auf dieser tieferen Ebene die Entscheidung, das ganze Leben als Priester in den besonderen Dienst Jesu Christi zu stellen und dies auch durch die Übernahme des Zölibats zum Ausdruck zu bringen?“ Wer in Sachen Zölibat für eine Änderung im Kirchenrecht eintrete, solle „über den erhofften praktischen Nutzen hinaus auch theologisch argumentieren“, fordert Zollitsch. Und weiter: „Er muss dann auch darüber Auskunft geben, ob und wie auch nach einer Reform das für die kirchliche Identität wesentliche Charisma der Ehelosigkeit – als ein Zeichen der radikalen Nachfolge und Christus-Zugehörigkeit – erhalten und gestärkt werden kann.“
Allerdings hielten auch die Bischöfe Änderungen des kirchlichen Lebens und der Strukturen für „möglich und sehr wohl nötig“. „Wer könnte bezweifeln, dass sich die Bedingungen verändert haben und weiter verändern, unter denen sich lebendiges Christsein zu bewähren hat?“ Vor allem der „vielerorts stattfindende Umbau der pastoralen Strukturen“ lasse „die Gemeinden unübersichtlicher werden und verstärkt das Gefühl des Unbehaustseins“. „Veränderungen sind also vonnöten, und sie sind in der katholischen Kirche in Deutschland ja auch nichts Neues. Es hat in der jüngeren Vergangenheit manche Änderungen gegeben, darunter auch tiefgreifende.“ Wer den deutschen Bischöfen da „generelle Reformresistenz und Angststarre“ vorhalte, zeichne „eine Karikatur der tatsächlichen Verhältnisse“. Genauso sei es falsch, den Papst als „großen Verhinderer oder Blockierer“ darzustellen. „Das päpstliche Amt hält über eine Milliarde Katholiken zusammen, ohne doch eine sterile Uniformität zu verordnen. Die Balance muss immer wieder neu gefunden werden.“
Auch in den „stürmischen Zeiten“, die die katholische Kirche derzeit erlebe, sei „Ängstlichkeit ein schlechter Ratgeber“, glaubt Erzbischof Zollitsch: „Nicht jede Änderungsidee unterläuft schon deshalb die kirchliche Einheit und die Loyalität zum Papst, weil sie Neues beinhaltet. Nicht jeder Reformvorschlag betrifft die gesamte Kirche in gleicher Weise. Wohl aber müssen sich Ideen im Ganzen des kirchlichen Lebens bewähren und Akzeptanz finden.“ Es sei eine „Zeit der Ernsthaftigkeit und Demut auf allen Seiten“: „Bitte keine falsche Apokalyptik!“ Herzblut dürfe ruhig fließen, aber „Besserwisser“ seien jetzt „weniger gefragt“. „Ganz am Ende allerdings gilt, dass nicht Menschen allein – nicht Bischöfe, nicht Theologen und nicht Laien – durch ihre großen und kleinen Aktivitäten Sturm und Winden trotzen. Es ist Jesus Christus selbst, der das Schifflein Kirche auf Kurs hält.“
(welt-online 20.02.2011 sk)








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