Umbruch in Nahost: „Zu lang auf autoritäre Regierungen gesetzt“
Die katholische Friedensbewegung
Pax Christi begrüßt die Umbrüche in der arabischen Welt und sieht das friedliche Aufbegehren
gegen Langzeit-Machthaber mit großem Respekt. „Wir denken, dass es großen Mut erfordert,
in einer solchen Situation auf die Straße zu gehen“, sagte die Vizepräsidentin der
Pax Christi-Bewegung, Wiltrud Roesch-Metzler, im Gespräch mit uns. Ob es zu einer
echten Wende in den arabischen Nationen kommt, vergleichbar mit 1989 in Europa, sei
noch nicht abzusehen, aber:
„Es gibt viele Anzeichen dafür, denn die Menschen,
die jetzt aufstehen, um für ihre Rechte einzustehen, werden sich nicht mehr zurückdrängen
lassen von Politikern, die eine Politik der Repression fahren. Es gibt jetzt auch
überall neue Parteien, die entstehen. Oder alte, die verboten waren und sich jetzt
langsam in der Öffentlichkeit zeigen. Und es gibt die politischen Gefangenen, die
freigelassen werden. Ein echter Aufbruch.“
Der Westen changiert zwischen
Unterstützung und Sorge um das geopolitische Machtgefüge im Nahen Osten. Wird etwa
Israel größere Probleme als bisher bekommen, wenn die starken Männer der arabischen
Welt abtreten?
„Der Westen war nicht gefragt bei dieser Revolution. Das
ist das Interessante, dass das eigene Kräfte sind aus den einzelnen Ländern, die für
mehr Gerechtigkeit in ihren Ländern eintreten. Der Westen hat eben viel zu lange auf
die autoritären Regimes gesetzt und wirkt von daher nicht sehr glaubwürdig auf die
jetzige Protestbewegung, die überwiegend von der Jugend und von Frauen getragen wird.
Was Israel anlangt, sehe ich, dass die Außenpolitik zunächst noch keine große Rolle
spielt. Es geht um Brotpreise und eine bessere Arbeitsmöglichkeit für die junge Generation.
Es ist eine friedliche Bewegung, das sind keine Scharfmacher. Es wird aber sicher
für Israel zu einer anderen Situation kommen, weil sich die Regierung überlegen muss:
Was heißt diese Entwicklung außerhalb ihrer Grenzen für den israelischen Staat?“
Die
Proteste haben jetzt auch Libyen erfasst. Sollte Gaddafi fallen, fürchten viele eine
massive Flüchtlingswelle aus Afrika. Was ist zu tun?
„Das ist zunächst peinlich,
dass die europäischen Länder so stark auf Gaddafi setzen in der Abwehr der Flüchtlinge.
Er soll praktisch für die EU die Flüchtlinge abhalten. Was da zu tun ist: Es betrifft
nicht nur Libyen, sondern auch die anderen Länder im Maghreb, aus denen Menschen zu
uns kommen möchten. Es muss eine geregelte Einwanderungspolitik geben in die EU. Man
muss das Signal setzen an eine neue Regierung in Tunesien oder Ägypten oder Libyen,
falls es dazu kommen würde. Wir sind auch bereit, mit euch zusammenzuarbeiten und
uns zu überlegen: Was kann mit den Flüchtlingen geschehen.“ (rv 17.02.2011
gs)