Italien: Aus dem Archiv der „deutschen“ Anima in Rom
Werden Sie sich demnächst
in Rom aufhalten?Dann schauen Sie doch mal in der „Santa Maria dell`Anima“ vorbei.
Unweit der berühmten Piazza Novanna im Herzen Roms hält die Kirche ihre Pforten vor
allem für Pilger und Besucher aus dem deutschen Sprachraum geöffnet. Und das nun schon
seit mehr als 600 Jahren! Die „Anima“ ist der Sitz der deutschsprachigen katholischen
Gemeinde in Rom. Nun erzählt ein Buch den spannenden und erfolgreichen Werdegang der
deutschsprachigen Katholiken in der ewigen Stadt. Es ist am vergangenen Mittwoch der
Öffentlichkeit präsentiert worden ist. Welche Geheimnisse die Historiker dem Archiv
der „Anima“ entlocken konnten und was gerade Papst Benedikt mit dem Hauptquartier
der deutschen Katholiken in Rom verbindet, berichtet Ihnen Christoph Siegl.
Applaus
für ein Buch. Der Besucherandrang ist hoch am Mittwochabend in der Kirche „Santa Maria
dell`Anima“. Es herrscht eine feierliche Atmosphäre. Die prächtige Sakristei des Gotteshauses
erstrahlt nach mehrjähriger Restaurierung in neuem Glanz. Wer sich beim Erreichen
des Veranstaltungsortes noch in der Hauptstadt Italiens wähnte, erlebt beim Betreten
der Kirche mitunter eine Überraschung: Es wird deutsch gesprochen. Das mit gutem
Grund: Die Kirche „Santa Maria dell´Anima“ ist Sitz der deutschsprachigen katholischen
Gemeinde in Rom – mit einer spannenden Vergangenheit, die Wissenschaftler des Deutschen
Historischen Instituts in Rom nun minutiös aufgearbeitet haben.
Der Berliner
Historiker, Professor Ludwig Schmugge, ist Gastredner des Abends.
„Wie jede
Generation muss auch die heutige ihre Geschichte schreiben und in diesem Band finden
Sie hervorragende Beiträge des Immobilienbesitzes der Anima, zum Bau der Kirche und
ihrer Kapellen und auch zu den Aufgaben, die die Anima hatte: Pilger und Deutsche,
die nach Rom kamen, zu betreuen.“
Seit mehr als 600 Jahren besteht das
päpstliche Institut „Anima“ in seiner heutigen Form. Gegründet wurde die „Anima“ einst
als Hospitz und Dienstleistungsstelle für deutsche Rom-Pilger. Ihre Aufgabe bestand
darin, Arme und Pilger „deutscher Nation“ zu sammeln, zu stärken und gegebenenfalls
gesund zu pflegen. Dass die „Anima“ in diesem Jahr ihr 605jähriges Bestehen feiern
kann, verdankt sie einem glücklichen Ereignis im Jahre 1406, wie ihr Rektor Franz
Xaver Brandmayr zu berichten weiß:
„Im Jahr 1406 wurde uns nämlich das Privileg
der Papstunmittelbarkeit verliehen. Papst Innozenz VII hat alle Zwischeninstanzen
ausgeräumt, die Anima wird direkt ihm unterstellt, was bis zum heutigen Tag gilt.
Das hat uns eine große Selbständigkeit und Freiheit verliehen.“
Unter diesem
direkten Schutz des Heiligen Stuhls vollzog sich in den folgenden Jahrunderten die
erfolgreiche Entwicklung der „Anima“. Vom deutschsprachigen Hospitz mauserte sie sich
zum wichtigsten Reisezentrum für deutschsprachige Rom-Pilger aus ganz Europa. Es wurden
immer neue Immobilien hinzugekauft. 1499 begann man damit, den alten gotischen Kirchenbau
durch den aktuellen im üppigen Renaissance- und Barockstil zu ersetzen. Ein Priesterkolleg
wurde eingerichtet, ebenso eine Pfarr- und Pilgerseelsorge. Professor Schmugge
weist auf einige Besonderheiten in der Anima-Geschichte hin, die im aktuellen Werk
genauer beleuchtet worden sind:
„Interessant zum Beispiel, dass in diese
Kirche ein brandenburgischer Kurfürstensohn und Erzbischof von Mainz enorme Summen
investiert hat, ohne jemals hier gewesen zu sein. Interessant auch, dass
die Österreicher im 17. Jahrhundert diese Kirche als eine Art ausgelagerte Haus- und
Hofkirche verstanden haben, wo sie ihre Feste feierten. Und interessant ist auch,
dass die Kirche in der Zeit des Nationalsozialismus zwei Rektoren gehabt hat, die
gegensätzlicher hätten nicht sein können: Professor Schmittlin, der von den Nazis
abgesetztwurde und 1944 im KZ gestorben ist und Alois Hudal, ein begeisterter Nazi,
der zur gleichen Zeit, als sein Vorgänger hingerichtet worden ist, versucht hat, sich
mit den Nazis zu verständigen.“
In der 605 Jahre langen Liste der Anima-Rektoren
steht Franz Xaver Brandmayr an Stelle 208:
„Mich als Rektor, der ja auch
mit der Verwaltung zu tun hat, hat besonders die Geschichte des Immobilienbesitzes
fasziniert und wie es gelungen ist aus dem Immobilienbesitz diejenigen Ressourcen
herauszuziehen, die die Erhaltung der Institution gewährleistet hat. Man hat hier
nie sehr viel gesammelt, aber das, was man brauchte, hat man ganz, ganz gut abgesichert.
Somit sicherte man eine Existenz durch die Jahrhunderte, weil die Größe des Immobilienbesitzes
im 15. Jahrhundert schon ungefähr die heutige Größe hatte.“
Doch die Geschichte
der „Anima“ und ihrer deutschsprachigen Pfarrgemeinde in Rom hat auch Rückschläge
zu verzeichnen: Die Französischen Revolution zum Beispiel. Die führte nämlich zur
Plünderung der „Anima“-Besitztümer in Rom und schließlich 1806, wie bekannt ist, unter
Napoleon ganz und gar zur Auflösung des Heiligen Römischen Reiches.
Es bedeutete
das Aus für alle altehrwürdigen geistlichen Einrichtungen deutscher Nation in dieser
Zeit. Für alle? Nein. Wie durch ein Wunder, hat gerade die „Anima“ den politischen
Wirren jener Jahre standhalten können. Das macht sie heute zu einem paradoxen Überbleibsel
„deutscher“ Vergangenheit:
„Wir sind, wenn man es genau nimmt, sogar der
letzte existierende kirchliche Teil des Heiligen Römischen Reiches. Weil als einziger
reichsunmittelbarer Teil 1803 nicht säkularisiert worden und deshalb bei der Auflösung
des Reiches übrig geblieben sind. Es gibt zwei kleine Reste des Heiligen Römischen
Reiches: das ist Liechtenstein, das einzige Fürstentum, das 1803 nicht mediatisiert
wurde, und die Anima, das einzige kirchliche reichsunmittelbare Institut, das nicht
säkularisiert wurde.“
Noch heute zeugt das Symbol des doppelköpfigen Adlers,
das sich hier und da im Inneren des prunkvollen Kirchenbaus der „Anima“ finden lässt,
von der Gegenwärtigkeit ihrer deutschen Vergangenheit. Es ist eine Ironie der Geschichte,
dass die Symbole in den Dekors auf den Schutz eines Staates verweisen, den es lämgst
nicht mehr gibt.
Die Santa Maria dell´Anima ist die Kirche der deutsch-sprechenden
Katholiken in Rom und möchte jedem Rompilger als Gastgeber ein Stück Heimat in der
Fremde sein. Doch nicht nur den Deutschen aus der Bundesrepublik. Im Sinne ihrer
historischen Wurzeln steht die „Anima“ den Pilgern und Besuchern aus dem gesamteuropäischen
deutschsprachigen Raum offen.
Professor Schmugge erklärt warum:
„Dass
die Anima über lange Jahrzehnte im 19. und 20. Jahrhundert als Deutsche Nationalkirche
verstanden wurde, kann man heute fast kaum noch verstehen, denn es waren nicht nur
die Deutschen, die hier ihre Heimat fanden, es waren die Österreicher, die Ungarn,
es war das gesamte deutschsprechende Mitteleuropa.“
Und auch Rektor Brandmayr
räumt mit weit verbreiteten Missverständnissen auf:
„Wir sind das Institut
des Heiligen Römischen Reiches, das nie national war, sondern immer übernational.
Wo natürlich das Deutsche schwerpunktmäßig besonderes Gewicht hatte. Ich
sag immer, der Einzugsbereich der Anima geht von Sizilien bis zum Nordpol.“
Bleibt
natürlich die Frage, welche Beziehung denn nun Papst Benedikt XVI hat zur Gemeinde
seiner deutschsprachigen Glaubensgenossen?
Eine sehr enge, erklärt Rektor Brandmayr:
„Kardinal
Ratzinger, den verbindet mit diesem Haus schon bevor er Kardinal war eine lange Geschichte.
So war er während des Konzils als Berater von Kardinal Frings hier in Rom. Kardinal
Frings ist ein ehemaliger Kollegiat des Hauses und hat während des Konzils in der
Anima gewohnt. Und sein Berater hat auch hier gewohnt. Alle Konzilssessionen
war Professor Joseph Ratzinger hier und hat mir daher selber gesagt, er fühlt sich
wie ein halber Animale, wie wir die Ehemaligen nennen, weil er eben von daher, auch
später als Erzbischof von München, sowie als Präfekt der Glaubenskongregation, immer
wieder hierher gekommen ist.“
Monsignore Brandmayr erinnert sich auch noch
gut an den letzen Besuch des damaligen Kardinal Ratzinger:
„Und hier ist
er auch, zum letzten Mal bislang, ich hoffe, dass er noch mal kommt, genau drei Monate
vor seiner Wahl im Haus gewesen. Er hat hier eine Messe gefeiert, da wurde die Renovierung
der Sakristei mit einem ersten Bild begonnen. Diese ist jetzt abgeschlossen. Ich
weiß, dass ihm diese Restaurierung sehr am Herzen lag. Vielleicht gelingt es sogar,
dass er sich das Ergebnis noch einmal selbst anschauen kann.“
Die Santa
Maria dell`Anima will allen Deutschsprachigen in Rom eine geistliche Heimat bieten.
Ob Tourist, Pilger oder Austauschstudent, Sie sollten sich einen Besuch in der Via
della Pace 20, gleich hinter der Piazza Novana nicht entgehen lassen. Alle Informationen
zu Geschichte, Veranstaltungen und Kontaktadressen der „Anima“ finden Sie im Internet
unter: