Nach der Freiheits-Euphorie
rund um den Tahrir-Platz in Kairo mehren sich jetzt mit Blick auf Ägypten die besorgten
Stimmen. Der deutsche „Friedens-Bischof“ Stephan Ackermann fragt: „Wird Ägypten seinen
Friedensvertrag mit Israel bestätigen? Werden aus den demokratischen Kräften im Land
freie und verantwortungsvolle Parteien entstehen oder werden radikale Kräfte den Übergang
in das neue Ägypten ausnutzen?“ In einem Beitrag für den SWR2 fordert der Trierer
Bischof, der die „Iustitia et Pax“-Kommission der Deutschen Bischofskonferenz leitet,
dass die neuen Machthaber in Kairo die Weichen Richtung Religionsfreiheit stellen.
„Dazu muss der Artikel 2 der Verfassung gestrichen werden, der die Scharia als wichtigste
Quelle des Rechts in Ägypten festschreibt und die Grundlage für die Benachteiligung
und Verfolgung der christlichen Kopten darstellt.“
Die Muslimbruderschaft
hat an diesem Dienstag in Kairo angekündigt, dass sie ihre offizielle Zulassung als
Partei beantragen will. Bei einer schnellen Wahl käme der ursprünglich islamistische
Verband nach Schätzungen auf 30 Prozent der Stimmen. Bischof Ackermann sieht es immerhin
als Zeichen der Hoffnung, dass während der Proteste in Kairo auch Christen zusammen
mit Muslimen für ein Ende des Regimes demonstriert hätten. „Da wurden Koran und Kreuz
nebeneinander als Zeichen der Freiheit hochgehalten. Gebe Gott, dass diese Erfahrung
der Gemeinsamkeit in einem andauernden gegenseitigen Respekt mündet!“ Ackermann kritisiert
die, so wörtlich, „schnellen Beifallskundgebungen“ von westlichen Politikern: „Es
ist noch nicht lange her, dass Präsident Mubarak an erster Stelle nicht als Vertreter
eines autoritären Regimes gesehen wurde, sondern als verlässlicher Partner.“ 2009
seien deutsche Rüstungsgüter im Wert von mehr als 77 Millionen Euro nach Ägypten verkauft
worden, „wohl wissend, dass es um die Lage der Menschenrechte im Land am Nil schlecht
bestellt ist.“ Auch die evangelische Kirche in Deutschland macht sich Sorgen mit
Blick auf Ägypten, vor allem um die Kopten. Der Berliner Bischof Markus Dröge hat
deswegen an den koptischen Bischof in Deutschland, Anba Damian, geschrieben. Es stelle
sich die Frage, ob die Christen in Ägypten darauf vertrauen könnten, dass in der Verfassung
die Religionsfreiheit verankert und die Menschenrechte aller Bürger geschützt werde.
Unter den elf Mitgliedern des jetzt eingesetzten Komitees für eine Verfassungsreform
sei nur ein Christ. Von den rund 83 Millionen Einwohnern sind 87 Prozent Muslime
und zehn Prozent orthodoxe Kopten. Außerdem gibt es kleinere Gruppen von katholischen
Kopten und Protestanten. (rv/swr2/pm trier/idea 15.02.2011 sk)