„Auf einmal
griffen Polizei und Sicherheitskräfte die Menschen an, versuchten sie zu zerstreuen.
Davon wiederum fühlten sich die Leute provoziert, sie schlugen zurück. Daraufhin setzte
die Polizei Tränengas ein – auf sehr heftige Weise.“
Jagdszenen aus Teheran:
Ein Journalist aus der Hauptstadt des Iran erzählt von den Unruhen, die an diesem
Montag ausbrachen. Das Beispiel Ägypten versetzt derzeit den ganzen Nahen Osten in
Wallung, auch im Iran gärt es wieder. Ramzi Garmou ist chaldäisch-katholischer Geistlicher
und „Patriarchalverwalter“ in Teheran. Er sagte uns an diesem Dienstag in einem Interview:
„Wir
haben Angst vor der Zukunft in politischer Hinsicht. Viele unserer Christen emigrieren
deshalb in stabilere Länder. Unser größter Wunsch ist einfach, weiter in diesem Land
leben zu können. Schließlich sind wir hier seit fast zweitausend Jahren heimisch und
haben eine große Vergangenheit. Wir sehen den Apostel Thomas als Gründer unserer Kirche
im Iran an, und wir hatten in der Vergangenheit eine außerordentliche missionarische
Expansion. Von hier aus gingen zum Beispiel die ersten Missionare nach China!“
In
vorislamischer Zeit habe das Christentum in Iran auch viele Märtyrer hervorgebracht,
so der Patriarchalvikar. Heute stehe die Kirche in Persien allerdings bescheiden da:
„Unsere
Kirche hat nur wenige Mitglieder; die Zahl der Christen im Iran überhaupt liegt derzeit
nicht über 100.000. Die meisten sind Orthodoxe. Wir Katholiken haben drei Riten: Chaldäer,
Lateiner, Armenier. Und wir machen etwa fünf- bis sechstausend Gläubige aus. Die Verfassung
der Islamischen Republik gibt uns das Recht, die Messe im Inneren unserer religiösen
Gebäude zu feiern und dort Katechismus-Unterricht zu erteilen.“
Eine Christenverfolgung
im Iran gebe es zwar nicht, dennoch wanderten viele Christen aus, wie überhaupt aus
dem ganzen Nahen Osten. Grund sei die allgemein unstabile Lage der Region. Doch Garmou
will nicht explizit auf die neuesten Proteste in Teheran eingehen.
„Die
Christen nehmen am Leben des Landes teil. Sie haben dieselben Probleme wie der Rest
der Bevölkerung. Die Unsicherheit, die im Irak herrscht, wirkt sich auch auf uns aus,
und auch wir erleben die Folgen der Unruhen, die es in den Ländern des Nahen Ostens
gibt.“
Auf die Frage, wie die Beziehungen seiner Kirche zu den Behörden
sind, antwortet Ramzi Garmou mit nur einem Wort: „Normal.“
Der iranische Polizeichef
erklärte in der vergangenen Nacht, bei den Protesten seien ein Demonstrant erschossen
und neun Polizisten verletzt worden. Er warf den so genannten „Volks-Mudschahedin“
vor, das Feuer eröffnet zu haben. Diese wiesen den Vorwurf an diesem Dienstag zurück.
Im Parlament kam es an diesem Dienstag zu tumultartigen Szenen, als konservative Volksvertreter
Oppositionspolitiker beschimpften.