Kardinal Walter Kasper antwortet deutschen Theologen: In einem Beitrag für die „Frankfurter
Allgemeine Zeitung“ reagiert der frühere Leiter des Päpstlichen Ökumene-Rates auf
ein Memorandum von letzter Woche. Darin sprachen sich über 200 Theologen aus dem deutschsprachigen
Raum für Reformen in der Kirche aus. Kardinal Kaspers Essaysteht unter dem Titel:
„Kommen wir zur Sache“.
„Kein vernünftiger Mensch, kein wacher Christ wird
bestreiten, dass die katholische Kirche in Deutschland einen Aufbruch bitter nötig
hat“, so Kasper. „Niemand kann auch ernsthaft bestreiten, dass den Lehrerinnen und
Lehrern der Theologie in dieser Situation eine besondere Verantwortung zukommt. Als
einer, der selbst fast dreißig Jahre lang im akademischen Dienst tätig war, muss ich
aber offen sagen, dass mich das Memorandum maßlos enttäuscht hat... weil ich mir von
Theologen mehr erwartet hätte, nämlich einen substantiellen theologischen Beitrag.“
Er frage sich, wie man als Theologe von der gegenwärtigen Lage reden könne,
„ohne die Gotteskrise zu nennen“, so der Kardinal. Stattdessen bleibe das Memorandum
„in einer von ihm selbst zu Recht kritisierten Selbstbeschäftigung“ stecken. „Glauben
die Unterzeichner im Ernst, dass die Kirchenverfassung heute eine existentielle Frage
der Menschen ist“, fragt Kasper. Aus seiner Sicht sei die Kirchenkrise doch eher „eine
Folge der Gotteskrise“. Die Forderungen des Memorandums seien „längst bekannt und
von vielen anderen Gruppierungen schon fast bis zum Überdruss gesagt“. Doch Kirchen,
die Frauen ordinierten und auch andere Forderungen des Reformpapiers umgesetzt hätten,
steckten doch „gerade deswegen in einer viel tieferen Krise stecken als die katholische
Kirche in Deutschland“.
Der Zölibat sei „nicht erst heute ein heißes Eisen“:
„Die Frage ist international exegetisch wie historisch mit Ergebnissen diskutiert
worden, die es seriöserweise nicht mehr erlauben, die alten Argumente einfach zu wiederholen“.
Nicht weniger als drei Weltbischofssynoden hätten „jeweils mit überwältigender Mehrheit
für die Beibehaltung der priesterlichen Ehelosigkeit votiert“. Wenn man eine andere
innerkirchliche Rechtskultur verlange, so Kasper, „dann gehört dazu auch, dass man
Entscheidungen auch dann anerkennt, wenn man selbst eine andere Lösung bevorzugt hätte“.
Und nur „ein hoffnungs- und zukunftsloser und damit falscher Konservativismus“ könne
meinen, „bisherige Pfarreistrukturen mit „viri probati“ künstlich am Leben halten
zu können“. Der frühere Leiter des vatikanischen Einheitsrates empfiehlt den deutschen
Theologen „mehr Phantasie und einen Blick über den Tellerrand hinaus“. Es gebe in
Deutschland nicht nur eine „Zölibatskrise“, sondern wegen der „Gotteskrise“ vor allem
eine „Gläubigen- und Gemeindekrise“. Dass die Zahl der Kirchgänger in Deutschland
immer mehr zurückgehe, müsse „aufrütteln“: „Radikal kann ich nur die Lösung nennen,
die an dieser „radix“, an dieser Wurzel, ansetzt, statt oberflächlich an der Stellschraube
Zölibat zu drehen.“