Im Zeichen des Aufbruchs
soll es stehen, nicht der Revolution – das Papier zur Reform der katholischen Kirche,
das am vergangenen Donnerstag in der „Süddeutschen Zeitung“ veröffentlicht wurde und
die Unterschriften von 144 deutschsprachigen Theologen trägt. Zentraler Gedanke von
„Kirche 2011: ein notwendiger Aufbruch“ ist Partizipation: Impulse kirchlicher Erneuerung
sollen stärker aus der Gesellschaft kommen, zum Beispiel von Laien und Wissenschaftlern.
Der Salesianerpater Karl Bopp ist Mitunterzeichner des offenen Briefes. Er sagte gegenüber
dem Münchner Kirchenradio:
„Es geht im Grunde um eine Neuverortung der Kirche
in der modernen Gesellschaft. Und wir meinen, die Kirche dabei unterstützen zu müssen,
dass die Kirche sich im Sinne des Zweiten Vatikanums öffnet für die Moderne, nicht
Anpassung, sondern Öffnung, um in der Moderne das Evangelium zu verkünden. Hinwendung
zur modernen Gesellschaft, mit all ihren Gebrochenheiten, Ambivalenzen – das scheint
mir ein ganz wichtiges Motiv zu sein für diese jetzige Erklärung.“
Im Verhältnis
zu Beteiligungsmöglichkeiten in der modernen Gesellschaft mache die Kirche eine schlechte
Figur, behauptet Bopp, der sich weniger Hierarchie und mehr Transparenz für die Kirche
wünscht. Im Memorandum werden neben anderen Punkten auch die Anerkennung von Frauenpriestertum
und die Lockerung des Pflichtzölibats gefordert – diese werden in vielen Medien derzeit
gern als wichtigste (und einzige) Kennzeichen einer echten Erneuerung der Kirche gewertet.
Dabei schwebt Bopp und den anderen Unterzeichnern des Schreibens eine „Revolution“
wohl nicht vor, eher eine Reform:
„Ich würde schon sagen, wo beides natürlich
sicherlich von der Theologie her verantwortete Strukturen sein müssen, also nicht
einfach Kopie der weltlichen Demokratie, sondern im Grunde auch Strukturen, welche
die alte Kirche durchaus schon hatte. Etwa synodale Strukturen, wo das ganze Gottesvolk
mit einbezogen ist an der Klärung von anstehenden Fragen, auch an der Klärung von
Glaubensfragen.“
Dass die im Memorandum angesprochenen Fragen „anstehen“
– daran lässt der Münchner Kirchenrechtler Stephan Haering keinen Zweifel. Ihm missfällt
allerdings, wie die Theologen ihre Forderungen vorgebracht haben. Form und
Ton der öffentlichen Erklärung ließen an eine „Pressure Group“ denken, so Haering,
und seien in dem Sinne nicht gerade dem Dialog förderlich. Außerdem lägen die Reformpunkte
nicht in der Entscheidungskompetenz der nationalen Bischofskonferenzen, sondern beträfen
die weltkirchliche Ordnung, präzisiert der Kirchenrechtler.
„Natürlich ist
eine organisierte, öffentliche Erklärung schon darauf angelegt, Wirkung zu erzielen
und Druck zu machen, also dem Anliegen Gewicht zu verschaffen, indem man eine größere
Zahl von Personen, die eine besondere Kompetenz beanspruchen können, da zusammenfasst
und sie sich dazu äußern lässt. Es ist wohl auch zu erwarten, dass anders gesonnene
Gruppierungen in der Kirche jetzt vielleicht Gegenaktionen starten werden. Ob der
Dialog und eine Weiterentwicklung dadurch sehr gefördert werden – das bezweifele ich
eher.“
Ähnlich sieht das der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke.
„Mit öffentlichem Druck und in den Medien geführten Debatten kommen wir nicht weiter“,
sagte Jaschke am Sonntag in Hamburg. Die Kirche dürfe sich nicht einem „Diktat von
Mehrheitsmeinungen“ unterwerfen; sie solle der „Versuchung zu einer billigen Anpassung“
widerstehen.