Vatikan: „Kircheneinheit war größer als angenommen“
Der ökumenische Dialog
zwischen der katholischen und den orientalisch-orthodoxen Kirchen macht Fortschritte:
Die Angehörigen der offiziellen Dialogkommission, die in der Vorwoche in Rom zu ihrem
jährlichen Treffen zusammenkamen, konnten mit einem überraschenden Ergebnis ihres
intensiven Austausches aufwarten. Die Kommunikation sowie die gelebte Einheit der
unterschiedlichen Kirchen in vorkonstantinischer Zeit waren – gerade in Krisenzeiten
– größer als bisher angenommen.
Es gibt eine „positive ökumenische Strahlkraft“,
sagte gegenüber Kathpress der Salzburger Kirchenhistoriker und Berater des Päpstlichen
Einheitsrates, Dietmar Winkler.
„Von diesem offiziellen Dialog der Kirchen
geht eine Strahlkraft aus, die gerade auch den stockenden katholisch-orthodoxen Dialog
positiv beeinflussen könnte. Bei der Dialog-Tagung der internationalen Kommission
wurde die gelebte Kircheneinheit zwischen den Kirchen der ersten fünf Jahrhunderte
bis zur Trennung nach dem Konzil von Chalcedon (451) diskutiert. Der Dialog hat nicht
nur wegen der dort herrschenden vertrauensvollen Atmosphäre Vorbildcharakter, auch
inhaltlich kann er den katholisch-orthodoxen Dialog, der zuletzt bei einer Dialog-Tagung
in Wien zur Primatsfrage ins Stocken geriet, neu ausrichten.“
So zeigen
die Ergebnisse der Tagung, dass es ein erstaunliches Maß an Kommunikation gerade in
Krisenzeiten zwischen den frühen Kirchen der vorkonstantinischen Zeit gegeben habe.
„Die Quellen zeigen eine erstaunlich intensive Kommunikation unter den
christlichen Kirchen - von Ägypten bis Armenien, von Syrien bis Spanien - und das
alles ohne ein nominelles Kirchenzentrum.“
Gerade diese Einsicht könne
laut Winkler dem katholisch-orthodoxen Dialog positive Impulse geben - stockt er doch
seines Erachtens an einer Verengung auf ein römisches Reichskirchenmodell, d.h. an
einer Engführung auf die Primatsfrage und die Hierarchisierung der Patriarchate von
Rom über Konstantinopel bis nach Alexandrien, Antiochien, Jerusalem und Moskau.
Das
nächste Treffen der Dialogkommission wird laut Kommunique in Addis Abeba (Äthiopien)
vom 16. bis 23. Januar 2012 stattfinden. Dabei sollen laut Winkler die Studien zur
gelebten Kirchengemeinschaft der ersten fünf Jahrhunderte in Friedenszeiten vertieft
werden. Ziel der Beratungen sei es dann, die letzten Tagungsergebnisse erneut zusammenzufassen
und - in einem nächsten Schritt - ein weiteres offizielles Konsenspapier zu erarbeiten.
Hintergrund Der
orientalisch-orthodoxen Delegation gehören Vertreter der koptisch-orthodoxen Kirche,
der syrisch-orthodoxen Kirche, der armenisch-apostolischen Kirche (vertreten durch
die beiden Katholikate von Etschmiadzin und Antelias), der äthiopisch-orthodoxen Kirche,
der orthodoxen Kirche von Eritrea sowie der malankarisch syrisch-orthodoxen Kirche
von Indien an. Der katholischen Delegation gehören auch Vertreter der orientalischen
unierten Kirchen an, so der koptisch-katholischen, der syrisch-katholischen, der armenisch-katholischen,
der maronitischen, der syro-malabarischen, der syro-malankarischen und der äthiopisch-katholischen
Kirche. Gegründet wurde die Dialogkommission im Januar 2003 auf gemeinsame Initiative
des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen und der Oberhäupter der
orientalisch-orthodoxen Kirchen. Seit 2004 finden jeweils Ende Jänner jährliche gemeinsame
Treffen der Kommission statt, um den ökumenischen Dialog, der als Ziel die sichtbare
Einheit der Kirchen vor Augen hat, weiter voranzutreiben.