2011-02-02 12:14:53

Schroedel: „Ägypter lassen sich nicht mehr abschütteln“


RealAudioMP3 Ägyptens Präsident Hosni Mubarak kann die Mengen nicht mehr besänftigen. In einer öffentlichen Ansprache versprach der 82-Jährige sein Amt bis September niederzulegen und für einen geordneten Übergang zu sorgen. Doch die Millionen Demonstranten bleiben bei ihrer Forderung nach einem sofortigen Rückzug Mubaraks. Auch der deutsche Seelsorger in Ägypten meint: Die Leute ließen sich nicht mehr abschütteln, so Pfarrer Joachim Schroedel gegenüber Radio Horeb.

„Eine gewisse Sympathie für die Demonstranten habe ich. Ich muss sagen, die Erfahrung von Gemeinschaft in diesen Tagen ist schon etwas Besonderes. Überall sind Menschen, die sagen, dass sie sich nicht mehr unterdrücken lassen möchten. Mubarak weiß, dass er nicht lange regieren kann und hat deshalb einen neuen Regierungschef beordert, der ihn wohl bald für einige Wochen ersetzen wird.“

Pfarrer Schroedel hat gerade erst einen Besuch am Flughafen von Kairo abgestattet.

„Aber ich habe da anderes gesehen, als in manchen Medien berichtet wurde: keine herzergreifenden Szenen, kein Chaos. Natürlich war dort sehr viel los, aber das war doch alles sehr geordnet. Ich telefoniere viel dieser Tage. Wir versuchen gerade jene zu ermutigen, für die sich die Frage einer Abreise gar nicht stellt - etwa die 80 bis 90 deutschen Frauen, die mit Ägyptern verheiratet sind und die auf jeden Fall bleiben.“

Viele säßen allein mit ihren Gedanken zu Hause und schauten den TV-Nachrichtensender El Dschasira oder andere Kanäle. Aufgabe der Seelsorger sei es da einfach auch mal, Mut zu machen, schlicht zu fragen „Wie geht“s dir?„, bei der Entscheidungsfindung zu helfen oder bei der Organisation der Abreise zu helfen.

Die warnenden Rufe etwa des Koptenpapstes Schenuda III. vor einer drohenden Machtübernahme der Muslimbrüder versucht der katholische Pfarrer zu differenzieren:

„Die Führung der koptischen Christen hat schon immer mit den Machthabern in Ägypten gehalten, um so Schaden von ihrer Minderheit fernzuhalten. Ich schätze einen künftigen Stimmenanteil der Muslimbrüder nach einem Sturz Mubaraks hoch ein, auf etwa 30 Prozent. Aber ich bin auch überzeugt: Die Ägypter sind keine Fundamentalisten.“

Seit 1995 lebt der deutsche Pfarrer Joachim Schroedel im Herzen Kairos - „mitten unter den einfachen Leuten“, wie er betont. Täglich spreche er mit dem Milchmann, dem Zeitungsverkäufer. Und er ist sich sicher: „Diesmal bleiben die Leute dran; die lassen sich nicht mehr abschütteln.“

(radio horeb/kna 02.02.2011 mg)







All the contents on this site are copyrighted ©.