2011-01-30 13:53:20

Interview der Woche - mit Hamburgs Erzbischof Thissen


RealAudioMP3 Der Hamburger Erzbischof Werner Thissen ist nicht unglücklich über die derzeitige deutsche Debatte über Zölibat und „viri probati“. Im Gespräch mit Radio Vatikan sagte Thissen bei einem Besuch in Rom: „Der Zölibat ist so ein durch Jahrhunderte gewachsenes Merkmal katholischer Identität, und diese katholische Identität zu begründen und darüber zu sprechen, das ist gut!“ Thissen ist als Bischof einer der Verantwortlichen für den Dialogprozess, den die Deutsche Bischofskonferenz angestoßen hat. In unserem Interview der Woche verrät er auch, dass Papst Benedikt derzeit an einer Enzyklika über das Thema Glauben schreibt. Pater Bernd Hagenkord fragte Thissen zunächst nach dem internen Dialogprozess in der deutschen Kirche.

„Naja – wir waren letztes Jahr durch die Missbrauchsfälle sehr mit uns selbst beschäftigt, und von daher war es gut, dass unser Vorsitzender deutlich gemacht hat: Wir beschäftigen uns nicht nur mit uns selbst, sondern wir reden mit allen, die mit uns reden wollen. Und wir wollen mit allen reden! Dass dann nun die „viri probati“ jetzt gerade dazwischenkommen, ist nicht das, was wir uns gewünscht haben. Aber warum soll man nicht auch über den Zölibat reden? Ich finde es wichtig, dass darüber geredet wird: Der Zölibat ist so ein durch Jahrhunderte gewachsenes Merkmal katholischer Identität, und diese katholische Identität zu begründen und darüber zu sprechen, das ist gut!“

Reden wir über Inhalte des Dialogs: Was wären solche Inhalte, über die man Ihrer Meinung nach in der katholischen Kirche sprechen sollte?

„Ich finde wichtig, dass jeder, der katholisch ist und den Glauben leben will, sich vergewissert, wie er das tut, warum er das tut, mit wem er das tut. Das sind Themen, die uns beschäftigen...“

Ihr persönliches Lieblingsthema? Worüber würden Sie gerne öffentlich, mit Ihren Gemeinden sprechen?

„Ich halte sehr viel von der dreifachen guten Beziehung, die ein Christ haben muss. Das heißt: Er muss sich selbst leiden können, gute Beziehungen zu sich selbst; er muss zu den Menschen in seiner Umgebung und schließlich auch zu Gott eine gute Beziehung haben. Wenn diese drei Bereiche, die ich als eine Art kommunizierende Röhren sehe, stimmig sind, dann ist Glaubensleben lebendig und auch ansteckend. Dann können auch andere davon begeistert werden.“

Wenn wir über Dialog sprechen, müssen wir auch über das Misstrauen sprechen: Wenn man sich misstraut, spricht man ja nicht mehr miteinander. Da ist ja sehr viel offensichtlich geworden oder sogar gewachsen an Misstrauen durch die Missbrauchsfälle bzw. ihr Öffentlichwerden. Wie gewinnt man nun Vertrauen zurück, um ins Gespräch zu kommen?

„Da gibt`s für mich nur eines: Offenheit. Ehrlichkeit. Zugeben, was falsch gelaufen ist. Da haben wir ja doch in den letzten Monaten einen guten Weg zurückgelegt, das werden wir so auch weitermachen. Ich halte gar nichts davon, zu sagen: Darüber reden wir jetzt nicht mehr, das ist kontraproduktiv... Wir müssen zugeben: Wir haben schwere Fehler gemacht, es gibt schwere Schuld. Das muss gesagt werden, und es wird gesagt!“

Nun versteckt sich hinter dem Misstrauen ja häufig auch ein Grundgefühl der Unzufriedenheit mit Kirche – mit den Strukturen und Aussagen von Kirche. Wie kann man damit im Gespräch umgehen?

„Nun ja – Aussagen von Kirche sind ja nicht so, dass sie den Mainstream bedienen, sondern sind immer – auch wenn wir Salz der Erde oder wie wir bei uns sagen „Salz im Norden“ sind – auch etwas, was dem Zeitgeist entgegensteht. Darum mache ich mir auch keine Sorge. Wir müssen nur das, was dem Zeitgeist entgegensteht (etwa auch in den Geboten Gottes oder in den Regeln der Kirche), gut erklären und müssen sagen, warum das so ist.“

Eine Reaktion im Erzbistum Hamburg auf die Situation der Kirche sind ja die „Pastoralen Räume“, die Sie dort einführen. Größere Räume machen allerdings auch die Kommunikation schwieriger – wie gehen Sie damit um? Im Norden Deutschlands sind es ja riesige Räume; wie kann man da Gespräch inszenieren und zustande bringen?

„Wir haben jetzt die ersten beiden Pastoralen Räume zur Vorbereitung auf den Weg gebracht; wir werden dafür etwa einen Zeitraum von drei Jahren ansetzen. Was uns sehr geholfen hat ist, dass wir offen dargelegt haben, warum wir das tun. Weil wir eben zuwenig Priester haben... und dass es deshalb notwendig ist, dass mehrere Pfarreien zu einem Pastoralen Raum zusammengelegt werden. Wenn ich das begründe und zugleich darlege, dass das nicht unbedingt eine Zentralisierung und Anonymisierung bedeutet, sondern dass es bedeutet, dass getaufte und gefirmte Christen mehr Verantwortung übernehmen in solchen Pastoralen Räumen, dann sind wir schnell mitten im Gespräch. Das dient dann auch dazu, dass Einzelne Ängste – auch Ärger – artikulieren können, aber im Grunde geht`s dann doch auf ein Miteinander hin, das dazu führt, dass jeder und jede Verantwortung in einem Pastoralen Raum mit wahrnehmen kann.“

Zurück zur gesamtdeutschen Situation, zur Bischofskonferenz: Es war letztes Jahr ein Hirtenbrief angekündigt worden für den Advent; aus irgendwelchen Gründen hat es den noch nicht gegeben. Wie sieht es damit aus?

„Darüber haben wir jetzt gerade im Ständigen Rat gesprochen, und da gibt es bei uns unterschiedliche Meinungen. Und so, wie wir den Gemeinden gegenüber offen mit Fragen umgehen, so müssen und wollen wir das auch in der Bischofskonferenz tun. Das heißt: Die Frühjahrsvollversammlung wird sich mit dieser Frage nochmals befassen müssen – zu Beginn der Fastenzeit. Das wird also nicht wer weiß wie lange weggeschoben, aber manchmal sind wir in der Bischofskonferenz auch so, dass wir Dinge schneller machen möchten, als sie möglich sind, weil es nicht gut ist, das einfach nur per Abstimmung zu regeln: Das muss vielmehr ausdiskutiert werden.“

In den nächsten Monaten wird der Besuch des Heiligen Vaters in Deutschland immer mehr zum Gesprächsthema werden. Wir haben in London gesehen, dass er durchaus auch öffentliche Debatten zu theologischen Themen anstiften kann – was ist Ihre Erwartung an diesen Besuch?

„Der Papst ist ja immer dann stark, wenn er persönlich da ist und persönlich etwas `rüberbringen kann. Das erwarte ich: dass er uns in Deutschland Mut macht, Kirche zu sein, Mut zum Glauben, Mut zum Katholischsein. Das wird er schaffen!“

Wenn Sie ihm einen Brief schreiben würden – welches Thema würden Sie ihm empfehlen? Was brennt in Deutschland unter den Nägeln?

„Das Thema, was uns umtreibt, ist: Wie sieht Glauben heute aus? Da ist der Papst stark; da weiß er Weichen zu stellen. Er wird uns im Glauben ermutigen; es fehlt ja bislang noch eine Enzyklika zum Thema Glauben, während es zu den Themen Liebe und Hoffnung schon Enzykliken gibt. Ich höre, der Papst ist dabei, zum Thema Glauben etwas zu schreiben. Wenn er uns das persönlich ins Stammbuch schreibt und dazu etwas sagt, dann können wir mit Freude und Dankbarkeit Christ sein – auch in unserer Zeit.“

(rv 30.01.2011 sk)

Wenn Sie auf eines der Audio-Symbole klicken, können Sie das ganze Interview mit Erzbischof Thissen hören.








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