2011-01-29 11:37:03

Weißrussland: Heilung nach „spirituellem Tschernobyl“


RealAudioMP3 Die katholische Kirche in Weißrussland hofft darauf, bald einen Grundlagenvertrag mit dem Staat abzuschließen zu können. Das unterstreicht der Erzbischof von Minsk-Mohilew, Tadeusz Kondrusiewicz, im Interview mit kathpress. Zwar sei ein solcher Vertrag eine Stufe tiefer als ein Konkordat angesiedelt. Für Weißrusslands katholische Kirche wäre er aber dennoch schon eine große Erleichterung, so Kondrusiewicz, der vor allem an die bisher eingeschränkten Möglichkeiten der Seelsorge denkt.

„Wir haben bis jetzt zum Beispiel keine Möglichkeit, unsere Priester zu den Streitkräften zu schicken. Weiter haben wir Angst, Seelsorge im Krankenhaus zu betreiben. Es ist mit einigen Ausnahmen nahezu unmöglich, in Krankenhäusern Kapellen einzurichten. Nur manchmal können wir kommen, und manchmal laden sie uns auch ein, um dort die Messe zu halten.“

Ein anderes Problem sei der fehlende Religionsunterricht in den Schulen, so der Erzbischof. Religiöse Erziehung und Bildung finde derzeit in den Pfarreien statt; die orthodoxe und katholische Kirche bemühten sich beide darum, sie auch in der Schule einzuführen. Allerdings fehle es noch an entsprechenden Lehrern. Deshalb biete die Kirche in Minsk seit einem Jahr einen entsprechenden Lehrgang über drei Jahre an, der derzeit von 57 jungen Männer und Frauen besucht würde. Mit Blick auf die Vergangenheit spricht Kondrusiewicz von einem „spirituellen Tschernobyl“ in der Ex-Sowjetrepublik:

„Wir haben hier auch Tschernobyl erlebt – das „spirituelle Tschernobyl“ in Weißrussland und in der Sowjetunion, 74 Jahre lang, also über drei Generationen. Diese Katastrophe zerstörte die Religion, die Gesellschaft, eigentlich alles. Deshalb helfen heute die Kirchen, viele davon aus Europa, die Wunden der Opfer dieses „spirituellen Tschernobyls“ zu heilen. Wir brauchen das, um eine neue demokratische Gesellschaft aufzubauen, eine Gesellschaft der Gerechtigkeit und des Friedens und des gegenseitigen Verständnisses, eine Gesellschaft der Kooperation zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Kräften.“

Die karitative Arbeit der Kirchen und Caritas in Weißrussland sei heute von den staatlichen Stellen gern gesehen, erzählt der Erzbischof. Dazu brauche es aber auch mehr Mittel, so der Erzbischof. Ein großes Hindernis sei etwa, dass in Weißrussland Spenden nicht von der Steuer absetzbar seien. Die Kirche bemühe sich in diesem Punkt um gesetzliche Änderungen und sei mit der Regierung im Gespräch.
Auch im Gespräch sei man über die Frage der Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis für ausländische Priester, die in der Regel auf ein Jahr befristet sei. Man sei um heimischen Priesternachwuchs sehr bemüht, sei aber noch stark auf ausländische Priester angewiesen:

„Es gibt bei uns um die 460 Priester, zwei Drittel von ihnen sind Weißrussen, die anderen sind Ausländer, hauptsächlich Polen, einige Deutsche. Vor 20 Jahren gab es nur 50 weißrussische Priester, nun haben wir 290 weißrussische Priester, ihre Zahl steigt also. Und das ist wichtig für uns, denn – wie jeder weiß – können wir die Probleme unseres Landes nur lösen, wenn wir eigene Priester haben. Für die ausländischen Priester brauchen wir normalerweise Visa. Vor ein Paar Jahren gab es Probleme mit dem Visa, einige Priester wurden aus Weißrussland abgeschoben. Aber heute versuchen wir, mit der offiziellen Seite einen Dialog zu führen. So wird im Moment niemand des Landes verwiesen, und auch im letzten Jahr wurde kein Visa abgelehnt.“

Um einen Grundlagenvertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und Weißrussland bemüht sich Weißrusslands katholische Kirche schon seit 2007. Staatspräsident Alexander Lukaschenko hatte dazu im Juni 2008 mit Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone in Minsk Verhandlungen vereinbart. – Die römisch-katholische Kirche hat in Weißrussland seit dem Ende der Sowjetunion 1991 einen starken Aufschwung erlebt. Nach der ebenfalls wiedererstarkten weißrussisch-orthodoxen Kirche, die zum Patriarchat von Moskau gehört, ist sie die zweitgrößte Konfession in der Ex-Sowjetrepublik. Erzbischof Kondrusiewicz wirkte nach der Wende von 1991 bis zur Rückkehr in seine Heimat Weißrussland als Erzbischof in Moskau. Dort organisierte er den Wiederaufbau der katholischen Kirche - wie bereits von 1989 bis 1991 als Apostolischer Administrator in Minsk.

(kap 29.01.2011 pr)








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