Ägypten/Vatikan: Nicht nur eine „Kommunikationspanne“
Die Aussetzung des
Dialogs mit dem Vatikan von Seiten der Kairoer Al-Azhar-Akademie beruht auf einem
„Kommunikationsproblem“ - verfälschende arabische Presseberichte sind schuld. So interpretiert
jedenfalls der koptisch-katholische Patriarch Kardinal Antonios Naguib die Situation.
Die islamische Theologenhochschule habe nicht auf die Originaltexte zurückgegriffen
und die Entscheidung allein auf Grundlage von arabischen Presseberichten gefällt,
so Naguib am Donnerstag im Interview mit dem katholischen Pressedienst Sir. Die Al-Azhar-Universität
hatte den seit 1998 bestehenden offiziellen Dialog mit dem Vatikan in der vergangenen
Woche ausgesetzt. Als Grund wurden Äußerungen des Papstes über den Islam genannt.
Also alles nur ein Missverständnis?
Eine „Panne“ mit Geschichte Nein,
nicht nur ein Missverständnis. Dass das angeknackste Verhältnis zwischen der ägyptischen
Al Azhar-Universität und dem Vatikan nicht nur von einer „Kommunikationspanne“ herrührt,
erklärt im Gespräch mit uns der Islam-Experte Ralph Ghadban. Der Libanese war unter
anderem in einer der letzten Islamkonferenzen als Berater der deutschen Bundesregierung
vertreten. Die ägyptische Regierung hatte die Forderung nach mehr Schutz für Kopten
im eigenen Land nach dem Anschlag von Alexandria als „Einmischung in innere Angelegenheiten“
zurückgewiesen. Auf dieser Linie befinde sich auch die Al Azhar-Akademie, die sich
seit 1961 in unguter Nähe zur ägyptischen Regierung befinde. Ghadban:
„Früher,
bis 1961, wurde der Scheich der Al Azhar-Universität von einem Gremium der Obergelehrten
gewählt, 1961 hat die Regierung das geändert. Der Scheich wird seitdem von der Regierung
ernannt, damit die Regierung immer das Sagen und die Kontrolle über diese religiöse
Institution hat. Deshalb sage ich die ganze Zeit: Der Großimam der Al-Azhar
Moschee, Ahmad Al Tayyeb, reagiert in Folge der Regierungshaltung, nicht auf
eigene Initiative.“
Ghadban interpretiert weiter die harschen Äußerungen
des ägyptischen Staatspräsidenten Hosni Mubarak der letzten Tage. Dieser hatte mehrmals
öffentlich bestritten, dass Angehörige der christlichen Minderheit in Ägypten diskriminiert
würden; er bezeichnete entsprechende Äußerungen als „unfair und unwahr“. Ghadban ist
anderer Meinung. Und er denkt da nicht nur an den Anschlag von Alexandria:
„Nach
den Ereignissen in Ägypten ist klar, dass nur durch politische Reformen die Existenz
der Christen dort garantiert werden kann. Und die Haltung des Papstes geht in diese
Richtung, das ist keine Propaganda-Aktion. Die Christen sollten Religionsfreiheit
haben, sie sollten nach ihrem kirchlichen Recht und nicht nach der Scharia beurteilt
werden, und sie sollten ihre Kirchen bauen dürfen genau wie die anderen ihre Moscheen.
Und das Wichtigste ist: Sie sollten in der Verwaltung nicht diskriminiert werden.
Die Christen stellen fast 12 Prozent in der Bevölkerung, sind aber in der Verwaltung
nur mit 0,01 Prozent vertreten, sie sind also total ausgeschlossen. Solange nicht
reale Reformen stattfinden, hat Dialog überhaupt keinen Sinn. Daher die Sorge von
Mubarak: Er versteht, dass dieses Mal die Sache ernst ist.Und es ist
ein Schlag für ihn, wenn gerade vom Vatikan so eine massive und direkte Kritik an
seiner Politik kommt.“
Mubarak bemühe sich derzeit um die Konsolidierung
seiner Nachfolge: Er wolle seinen Sohn im Präsidentenamt unterbringen und sei dafür
bei den letzten Wahlen auch vor Wahlfälschung nicht zurückgeschreckt, so Ghadban.
Momentan könne das ägyptische Staatsoberhaupt deshalb weder Kritik von außen noch
beunruhigende Entwicklungen wie die Aufstände von Tunesien und im Jemen, die beispielgebend
auch für Aufständische in Ägypten seien, gebrauchen.
Möglicher Vermittler
aus dem Libanon Inzwischen wurde bekannt, dass für Vermittlungen zwischen der
Al Azhar-Universität und dem Vatikan offenbar der ehemalige libanesische Staatspräsident
Amin Gemayel (1982 bis 1988) im Gespräch sei. Die Nachrichtenagentur adn-kronos berichtete
davon an diesem Dienstag. Der Maronit habe in Ägypten einen „Bonus“, so Ghadban, der
selbst aus dem Libanon kommt. Neben den USA teile auch Ägypten dessen politische Linie:
„Gemayel wird akzeptiert von der Regierung dort. Das Angebot passt in dieses
Bündnissystem, vor allem, wenn man bedenkt, dass Al Azhar und Ahmad
Al Tayyeb sehr eng die Politik des Staates realisieren. Und zweitens hat Gemayel als
Maronit über den maronitischen Patriarchen im Libanon eine bessere Beziehung zum Vatikan
als andere christliche Gruppierungen im Libanon. Die Maroniten haben das beste Verhältnis
zum Vatikan. Aber ob er in der Frage Al-Azhar was erreichen kann, das hängt hauptsächlich
von der Haltung der Regierung in Ägypten ab.“
Auch in dem vom Machtwechsel
gezeichneten Libanon bestehe ein Interesse daran, dass Ägypten seine diplomatischen
Konflikte bald in den Griff bekomme. Der designierte Ministerpräsident Najib Mikati
will nach Scheitern von Präsident Saad Hariri dort eine neue Regierung der nationalen
Einheit bilden und wird dabei von der schiitischen Hizbollah unterstützt. Das habe
„katatrophale Folgen“ für dem Libanon, dem nun ein Staat „nach syrischem und iranischem
Vorbild“ blühe, befürchtet Ghadban:
„In diesem Zusammenhang braucht die
patriotische Front dringende Unterstützung von Ägypten, und es liegt in ihrem Interesse,
dass der Konflikt mit dem Vatikan beigelegt wird.“
„Magere Ergebnisse“
im katholisch-muslimischen Dialog Was die Entwicklungen im katholisch-muslimischen
Dialog angeht, ist Ghadban eher pessimistisch. Zwischen den Kairoer Az-Azhar-Gelehrten
und dem Vatikan gebe es zwar eine Jahrzehnte währende Tradition des Austausches. Allerdings
mit „mageren Ergebnissen“ – das zeige die unverändert fatale Situation der Christen
in Ägypten und überhaupt im Nahen Osten; es droht nach Ghadbans Ansicht ein völliger
Christenschwund. Überhaupt gehe man auf islamischer Seite im theologischen Diskurs
von „falschen“ Voraussetzungen des Dialoges aus:
„Das ist das Falsche an
dem Ding – bei den Christen hat man sich seit dem Vatikanum Zwei geöffnet und eine
Theologie des Dialoges entwickelt. Man hat den Monopolanspruch auf die Wahrheit massiv
gelockert. Bei den Muslimen ist das nicht der Fall. Die reden immer mit den Christen
in der Erwartung, dass die endlich mal zur Besinnung kommen und Muslime werden, weil
in ihren theologischen Vorstellungen alle Menschen per Geburt Muslime sind und es
darum geht, den Islam in sich zu finden. Das ist der Hintergrund, der eigentlich im
Dialog diskutiert werden soll, aber sie gehen davon aus, dass es die Basis des Dialoges
ist!“
Auch in der Reaktion muslimischer Gelehrter auf Benedikts Regensburger
Rede sieht Korankenner Ghadban kein überzeugendes Dialogangebot von muslimischer Seite
und plädiert vor dem Hintergrund für Unnachgiebigkeit auf christlicher Seite.
„Eine
klare und harte Haltung ist die einzige Hoffnung, dass von der anderen Seite überhaupt
eine Bewegung initiiert wird. Nach der Regensburger Rede haben Dutzende Gelehrte eine
Position bezogen. Und die fand ich sehr, sehr interessant: Sie haben da Grundlagen
geändert, ohne sie zu begründen. Wo sie beispielsweise sagen: Den Dschihad gibt es
nicht im Islam. Das wurde nicht begründet, sondern einfach als Statement ohne Begründung
dargestellt. Das ist nicht überzeugend. Religion muss man immer begründen. Wir haben
Dutzende von Versen im Koran für den Dschihad. Da können sie doch nicht sagen, dass
es das nicht gibt!“
Schadensbegrenzung? Doch zurück zu Al-Azhar
und dem Vatikan: Die angebliche Kommunikationspanne habe sich während einer Zusammenkunft
der zwei koptisch-katholischen Weihbischöfe von Alexandria mit dem Großimam der Al-Azhar
Moschee, Ahmad Al Tayyeb, herausgestellt, gab Kardinal Naguib an. Die Bischöfe hätten
dem muslimischen Gelehrten den exakten Wortlaut der beanstandeten Äußerungen des Papstes
übermittelt. Der griechisch-melkitische Patriarch Gregorius III. habe dem ägyptischen
Minister für Angelegenheiten des Islam ebenfalls über den korrekten Text in Kenntnis
gesetzt. Naguib äußerte in dem Interview die Hoffnung, dass die Gespräche zwischen
dem Vatikan und der Al-Azhar-Universität bald wieder aufgenommen werden könnten. Insbesondere
hoffe er darauf, dass Vertreter der Universität im Oktober am Friedenstreffen mit
dem Papst in Assisi teilnähmen.