Vor einem Jahr begann
in Deutschland die Debatte um die Missbräuche, angefangen in Berlin. „Der größte Feind
der Kirche kommt aus ihrem Innern“, befand Papst Benedikt im Laufe der Debatte. In
Deutschland beschloss die Bischofskonferenz angesichts der Skandale die Einrichtung
einer kirchlichen Hotline für Missbrauchsopfer; wir sprachen mit Andreas Zimmer vom
Bistum Trier, der sie seit März 2010 leitet.
„Wir sind gerade am Anfang
als allgemeine Beschwerde-Hotline der katholischen Kirche genutzt worden, würde ich
sagen. Das heißt: Wann immer es aktuell in den Medien um einen Vorfall ging, wo ein
Bischof irgendjemanden geärgert hat, oder wenn es bestürzende Nachrichten gab, dann
haben Leute bei uns angerufen und diese Kritik geäußert – manchmal sehr vehement.
Also, wir hatten auch ‘Beschimpfer’. Manchmal waren sie aber auch sehr
nüchtern, und manchmal vehement, aber dabei doch sachlich gut begründet. Was wir dann
zu tun hatten, war, diese Dinge aufzuzeichnen und an das Bonner Büro von Bischof Ackermann
weiterzuleiten.“
Bischof Stephan Ackermann von Trier ist der Missbrauchs-Beauftragte
der Deutschen Bischofskonferenz. An ihn ist nach Zimmers Angaben die Kritik, die bei
der Hotline einging, ungefiltert weitergegangen:
„Es ist ja nicht unsere
Aufgabe zu filtern – gerade bei Kritik! Im Gespräch geht es zunächst darum, beim Anrufer
herauszubekommen: Wo kommt diese Wut her? Hat sie vielleicht einen persönlichen Bezug?
Ist der Betreffende selber irgendwann Opfer geworden, oder hat er einen Verwandten
bzw. Freund, der betroffen ist? Wenn es einen eigenen Bezug gibt, versuchen wir Wege
aufzuzeigen, welche persönlichen Schritte er gehen kann, wie er damit in Familie oder
Partnerschaft umgehen kann. Aber man muss auch sagen: Im Vergleich waren diese sehr
wütenden Anrufe eigentlich in der Minderheit; der überwiegende Teil der Anrufer war
hoch emotional, oft sehr verletzt, zum Teil in akuten Krisen. Aber denen ging es nicht
darum, jemanden zu beschimpfen, sondern für sich Hilfe und Wege zu finden.“
Viele
der Missbrauchsopfer, die bei Andreas Zimmer und seinen Mitarbeitern anrufen, sind
nicht mehr jung – und hatten den erlittenen Missbrauch vielfach verdrängt oder ins
Unterbewusste abgeschoben.
„Wir haben ja einen relativ hohen Altersdurchschnitt
bei denen, die angerufen haben; das ist übrigens auch bei der telefonischen Anlaufstelle
der Beauftragten der Bundesregierung so. Das Durchschnittsalter lag bei 45 Jahren;
der jüngste Anrufer war elf, die älteste Anruferin war neunzig Jahre alt! Viele Menschen
im höheren Alter schildern, dass es einfach lange gedauert hat, bis sie sich wieder
daran erinnern, was ihnen widerfahren ist, und dass dann durch die aktuelle Beschäftigung
damit in den Medien und die dadurch sehr prägnant vorgeführte Wirklichkeit von sexueller
Gewalt in der Gesellschaft und in verschiedenen Schattierungen diese alten Ereignisse
bei ihnen wieder hochkamen, wieder lebendig wurden.“
Das ganze
Interview hören Sie in unserer Abendsendung am Donnerstag.