2011-01-26 10:33:58

D: Wir hatten auch Beschimpfer...


RealAudioMP3 Vor einem Jahr begann in Deutschland die Debatte um die Missbräuche, angefangen in Berlin. „Der größte Feind der Kirche kommt aus ihrem Innern“, befand Papst Benedikt im Laufe der Debatte. In Deutschland beschloss die Bischofskonferenz angesichts der Skandale die Einrichtung einer kirchlichen Hotline für Missbrauchsopfer; wir sprachen mit Andreas Zimmer vom Bistum Trier, der sie seit März 2010 leitet.

„Wir sind gerade am Anfang als allgemeine Beschwerde-Hotline der katholischen Kirche genutzt worden, würde ich sagen. Das heißt: Wann immer es aktuell in den Medien um einen Vorfall ging, wo ein Bischof irgendjemanden geärgert hat, oder wenn es bestürzende Nachrichten gab, dann haben Leute bei uns angerufen und diese Kritik geäußert – manchmal sehr vehement. Also, wir hatten auch Beschimpfer. Manchmal waren sie aber auch sehr nüchtern, und manchmal vehement, aber dabei doch sachlich gut begründet. Was wir dann zu tun hatten, war, diese Dinge aufzuzeichnen und an das Bonner Büro von Bischof Ackermann weiterzuleiten.“

Bischof Stephan Ackermann von Trier ist der Missbrauchs-Beauftragte der Deutschen Bischofskonferenz. An ihn ist nach Zimmers Angaben die Kritik, die bei der Hotline einging, ungefiltert weitergegangen:

„Es ist ja nicht unsere Aufgabe zu filtern – gerade bei Kritik! Im Gespräch geht es zunächst darum, beim Anrufer herauszubekommen: Wo kommt diese Wut her? Hat sie vielleicht einen persönlichen Bezug? Ist der Betreffende selber irgendwann Opfer geworden, oder hat er einen Verwandten bzw. Freund, der betroffen ist? Wenn es einen eigenen Bezug gibt, versuchen wir Wege aufzuzeigen, welche persönlichen Schritte er gehen kann, wie er damit in Familie oder Partnerschaft umgehen kann. Aber man muss auch sagen: Im Vergleich waren diese sehr wütenden Anrufe eigentlich in der Minderheit; der überwiegende Teil der Anrufer war hoch emotional, oft sehr verletzt, zum Teil in akuten Krisen. Aber denen ging es nicht darum, jemanden zu beschimpfen, sondern für sich Hilfe und Wege zu finden.“

Viele der Missbrauchsopfer, die bei Andreas Zimmer und seinen Mitarbeitern anrufen, sind nicht mehr jung – und hatten den erlittenen Missbrauch vielfach verdrängt oder ins Unterbewusste abgeschoben.

„Wir haben ja einen relativ hohen Altersdurchschnitt bei denen, die angerufen haben; das ist übrigens auch bei der telefonischen Anlaufstelle der Beauftragten der Bundesregierung so. Das Durchschnittsalter lag bei 45 Jahren; der jüngste Anrufer war elf, die älteste Anruferin war neunzig Jahre alt! Viele Menschen im höheren Alter schildern, dass es einfach lange gedauert hat, bis sie sich wieder daran erinnern, was ihnen widerfahren ist, und dass dann durch die aktuelle Beschäftigung damit in den Medien und die dadurch sehr prägnant vorgeführte Wirklichkeit von sexueller Gewalt in der Gesellschaft und in verschiedenen Schattierungen diese alten Ereignisse bei ihnen wieder hochkamen, wieder lebendig wurden.“



Das ganze Interview hören Sie in unserer Abendsendung am Donnerstag.

(rv 26.01.2011 sk)







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