Die Einheit der Christen
ist kein Endpunkt, sondern eine Voraussetzung für die glaubwürdigere Verkündigung
des Evangeliums in der Welt. Das sagt der vatikanische Ökumene-Verantwortliche, Kardinal
Kurt Koch, zur Gebetswoche für die Einheit der Christen. Je geeinter die Christen
aufträten, umso überzeugender wirke ihre Botschaft auf Außenstehende. Mario Galgano
hat den Schweizer Kurienkardinal gefragt, was die Gebetswoche für die Gläubigen bedeute,
die derzeit unter Verfolgung litten. (rv)
Lesen und hören Sie hier das gesamte
Interview mit Kard. Koch Heute ist ja die christliche die Religionsgemeinschaft,
die am meisten verfolgt wird. Welche Botschaft richten Sie an die verfolgten Christen,
vor allem im Nahen Osten, im Kontext der Woche der christlichen Einheit? „Ich
glaube es ist gerade im Westen höchste Dringlichkeit, dass wir diese Christenverfolgungen
in der heutigen Welt wahrnehmen. Für viele Christen in Europa sind Christenverfolgungen
eine Sache der Kirchengeschichte. Davon weiß man. Aber dass heute die Christen jene
Religionsgruppe sind, die am meisten verfolgt sind, ist leider noch nicht ins allgemeine
Bewusstsein gedrungen und das sollte gerade in dieser Einheitswoche neu sichtbar werden,
indem wir für die verfolgten Christen beten, indem wir die Märtyrer-Situationen öffentlich
anklagen und auch für die in Westeuropa im Aufwind befindliche Christianophobie sensibler
wahrnehmen. Wir haben hellsichtige Augen für den neu entstehenden Antisemitismus,
für die Islamophobie, die sich breit macht, aber wir sind eigentlich blind für die
Christianophobie, die mitten unter uns gegenwärtig ist.“ Auf dem Weg der Einheit
der Christen, wo befinden wir uns da heute?
„Auf dem Weg. Weder am Anfang,
noch am Ziel und wir dürfen nicht so tun als wären wir jetzt am Anfang, aber wir können
auch nicht so tun, als wären wir jetzt am Ende. Wir sind auf einem Weg, der viel Geduld
braucht, aber Geduld ist „die kleine Schwester der Hoffnung“. Und ob wir Hoffnung
haben, zeigt sich auch und gerade darin, ob wir unsere Geduld bewähren.“ Apropos
Schwestern und Brüdern, die uns begleiten: Da gibt es ja die Orthodoxen, die Protestanten…
Wie ist denn das Verhältnis zu diesen, die sich mit uns auf dem Weg befinden?
„Ich
glaube der Hauptunterschied besteht darin, dass wir mit den orthodoxen und den altorientalischen
Kirchen sehr viel gemeinsam haben. Also wenn ich mit den altorientalischen Kirchen
in Kontakt komme, von denen wir 1500 Jahre getrennt sind, fühle ich mich zu Hause.
Weil sie haben dieselbe ekklesiale Struktur. Was uns ein bisschen trennt, oder voneinander
weit hält, ist die verschiedene Kultur. Mit denen aus der Reformation hervorgegangenen
Kirchen haben wir nicht eine so breite Basis des Glaubens, aber wir haben dieselbe
Kultur. Und für viele Christen, Katholiken wie Reformierte, ist manchmal die Kultur
wichtiger als der Glaube.“ Jetzt ist ja für die Anglikaner, die zum Katholizismus
übertreten wollen, dieses Ordinariat eingeführt worden. Gibt es dazu einen ökumenischen
Blickpunkt, den man auch sehen könnte, der auch in dieser Woche im Dialog mit den
Anglikanern zu nennen wäre?
„Also erst einmal haben wir hier in Rom eine
klare Arbeitsteilung für jene Anglikaner, die in unsere Gemeinschaft kommen wollen,
ist die Kongregation für die Glaubenslehre zuständig. Wir im ökumenischen Einheitsrat
setzen den Dialog fort. Zweitens: Konversionen hat es schon immer gegeben. Ich denke
nur an Henry Newman. Konversionen, auch im Zeitalter der Ökumene, bleiben eine Gewissensfrage
des Einzelnen. Was hier neu ist, ist, dass ganze Gruppierungen mit Priestern und Bischöfen
kommen, und da ist es für unsere Situation für die katholische Kirche so: Der heilige
Vater kann, wenn an seine Türe geklopft wird, nicht „Nein“ sagen. Die Offenheit unserer
Kirche ermöglicht es ihm, die Türen zu öffnen. Das ist unsere Situation. Ich kann
verstehen, dass es für die anglikanische Kirche sehr schwierig ist, aber ich denke
es ist auch unsere Sorge, dass wir mithelfen wollen, dass auch die anglikanische Weltgemeinschaft
ihre Einheit wiederfinden kann.“ Zurück zu dem Weg, den Sie beschrieben haben:
Was fehlt, oder was könnte man noch hinzufügen, um voran zu kommen?
„Das
hängt natürlich vom jeweiligen Dialog ab. Wir haben im Einheitsrat ja 15 verschiedene
Dialoge mit 15 verschiedenen Kirchen. Man müsste über jeden eigens reden, was es hier
noch braucht. Grundsätzlich braucht es immer zweierlei, nämlich den Dialog der Liebe
und den Dialog der Wahrheit. Denn ohne den Dialog der Liebe, die freundschaftlichen
Beziehungen, die man aufbauen und vertiefen will, geht der Dialog der Wahrheit nicht
voran oder hängt irgendwo in der Luft… Und da sind noch viele Fragen zu besprechen,
die eine gemeinsame Basis im Glauben erreichen können, sodass wir dann gemeinsam auch
Eucharistie feiern können.“ Herzlichen Dank für das Gespräch!