Smart und katholisch: Vereidigung Kennedys vor 50 Jahren
Es war ein historischer
Durchbruch auch für die Katholiken in den USA – vor 50 Jahren, am 20. Januar 1961,
wurde John F. Kennedy als erster katholischer Präsident vereidigt. Katholiken in gesellschaftlichen
Spitzenpositionen waren in den Vereinigten Staaten bis dato Mangelware.
„Kennedy
hat also gesagt: wissen Sie, ich kandidiere hier nicht als Katholik, sondern als Bürger
der Vereinigten Staaten, hat das also nicht als eine Flagge nach oben gehalten, nur
man wusste es. Aber er war so charismatisch, so attraktiv als Politiker, dass er –
man kann sagen – trotzdem gewählt wurde.“
Es war ein „trotzdem“ mit weitreichenden
Folgen. Auch wenn noch Jahrzehnte vergehen sollten, bis Katholiken als selbstverständliche
Teilnehmer der amerikanischen Gesellschaft akzeptiert wurden. Daran erinnert der Politologe
Werner Weidenfeld im Interview mit dem Münchner Kirchenradio. Die Wahl Kennedys zum
Präsidenten habe symbolische Wirkungskraft gehabt.
„Sie brauchen, wenn es
eine solche Tradition gibt, erst einmal einen Durchbruch, wenn sich die gesellschaftlich-soziale
Lage verändern soll. Und man kann sagen, das verdankt die Welt im Blick auf Amerika
John F. Kennedy. Natürlich brauchen Sie bei diesen ganz großen kulturellen Entwicklungen
nicht nur eine Figur, aber sie brauchen symbolische Orientierungspunkte, und dazu
zählt Kennedy zweifellos.“ Skepsis gegenüber dem „Global Player
Vatikan“ Warum aber gab es in den USA solches Misstrauen gegenüber Katholiken?
Als ausländische Organisationsstruktur mit weltweiter Wirkungsmacht habe der Vatikan
die Vereinigten Staaten beunruhigt, meint Weidenfeld. Rom war ein Zentrum, auf das
sich die US-Katholiken lange Zeit stärker bezogen als auf lokale (religiöse) Autoritäten.
„Zur amerikanischen Tradition gehört es, misstrauisch, befürchtend, skeptisch
gegenüber dem Vatikan zu sein. Es ist weniger der katholische Glaube als vielmehr
diese weltpolitische Organisationsform, eine aus amerikanischer Sicht verdächtige
Weltorganisation, die überall die Fäden spinnt, die Drähte zieht usw. Das führte dann
sogar so weit, dass Mitte des neunzehnten Jahrhunderts Amerika ein Gesetz verabschiedet
hat, das diplomatische Beziehungen mit dem Vatikan verbot. Das ist erst später aufgehoben
worden unter US-Präsident Ronald Reagan, im Amt 1981 bis 1989, der aber dafür auch
politisch kämpfen musste. Also dieser Vorwurf hat weniger mit den Details des katholischen
Glaubens zu tun als vielmehr mit dem Misstrauen gegenüber der Organisationsform, insbesondere
verkörpert im Vatikan.“ Die Wahl eines Katholiken zum Präsidenten habe auch die
Skepsis der Amerikaner gegenüber Rom ein Stück weit abgebaut, so Weidenfeld. Und in
den 60er Jahren erlebte die katholische Kirche in den USA dann auch einen Entwicklungsschub:
Es entstanden neue Bistümer, die Kirche begann stärker die Medien zu nutzen und sie
breitete ihre karitative Tätigkeit international aus.
Demütiges Selbstbewusstsein
Zur
Entspannung zwischen Protestanten und Katholiken habe wohl auch Kennedys diskretes,
doch bestimmtes Vorgehen beigetragen, vermutet Weidenfeld: Seine Konfession habe er
im Wahlkampf nicht als Kampfbegriff benutzt, allerdings versteckte er sie auch nicht.
Er legte wohl eben jenes „demütige Selbstbewusstsein“ an den Tag, das der vatikanische
„Ökumeneminister“ Kardinal Kurt Koch in diesen Tagen noch für Christen in Europa einforderte.
Dazu Weidenfeld:
„Kennedy hat nicht gesagt, jetzt muss endlich ein Katholik
ins Amt, sondern man wusste, der ist katholisch, aber sein Charisma war von einer
ganz zusätzlichen Art. Seine Aussagen lassen sich zwar gut mit katholischen Perspektiven
in Verbindung bringen, aber es ist wirklich so auf den Begriff gebracht worden. Wenn
Sie sehen, wie er von den New Frontiers gesprochen hat – darüber kann ich auch eine
katholische Predigt halten. Oder Überwindung der Rassentrennung usw. - also sehr humane
Ziele, die sein Charisma ausgemacht haben, aber die es auch ermöglicht haben, dass
man über diese Hürde kommen konnte.“
Auch wenn Kennedy bis heute der einzige
katholische US-Präsident geblieben ist, würden Katholiken heute in den USA ohne „Wenn
und Aber“ akzeptiert und ihre Kompetenzen geschätzt, so Weidenfeld. Der Experte nennt
als Beispiel Katholiken in Schlüsselfunktionen der amerikanischen Gesellschaft:
„Sie
haben den Joe Biden, der ist Katholik, sie haben bis vor wenigen Wochen die Sprecherin
im Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, die Mehrheit der Richter am Supreme Court sind
Katholiken usw. Also das ist heute kein Karrierehindernis mehr, aber auch keine Karriereförderung.
Inzwischen ist ja auch die Zahl der Katholiken in den USA gestiegen – rund 25 Prozent
der Amerikaner sind katholisch. Aber Sie haben nach wie vor in Amerika diese strenge
Regelung der Trennung von Staat und Kirche. Auf der einen Seite finden Sie in Zeremonien
religiöse Elemente, symbolischer Art, die Sie bei uns nicht so stark finden würden.
Andererseits dürfen Staat und Kirche nicht vermischt werden, das ist in Amerika ganz
ausgeprägt. Trotzdem würde man sagen, die amerikanische Nation ist im Grundtrend eine
gläubige Nation...“
„Wir vertreten einen positiven Säkularismus“
Dass
die US-amerikanische Führung heute an der strikten Trennung von Staat und Kirche jedenfalls
nicht krampfhaft festhalten will - das betonte zuletzt der US-Botschafter am Heiligen
Stuhl, Miguel H. Diaz. Im Gespräch mit Radio Vatikan würdigte er den Beitrag der Religionen,
darunter den der Katholiken, in seinem Land. Amerika fühle sich dem Papst nahe, vertrete
keinen „radikalen Säkularismus“, so Diaz:
„Wir haben die Trennung von Staat
und Kirche festgesetzt, haben jedoch nicht diesen radikalen Säkularismus, der den
positiven Beitrag der Religionen, von Religionsvertretern und von religiösen Ideen
für unsere Gesellschaft missachtet. Wir fühlen uns dem sehr nah, was der Heilige Vater
als positive Form einer säkularen Gesellschaft versteht, wo die Religion einen Platz
hat und ernst genommen wird.“