2011-01-21 16:15:44

Smart und katholisch: Vereidigung Kennedys vor 50 Jahren


RealAudioMP3 Es war ein historischer Durchbruch auch für die Katholiken in den USA – vor 50 Jahren, am 20. Januar 1961, wurde John F. Kennedy als erster katholischer Präsident vereidigt. Katholiken in gesellschaftlichen Spitzenpositionen waren in den Vereinigten Staaten bis dato Mangelware.

„Kennedy hat also gesagt: wissen Sie, ich kandidiere hier nicht als Katholik, sondern als Bürger der Vereinigten Staaten, hat das also nicht als eine Flagge nach oben gehalten, nur man wusste es. Aber er war so charismatisch, so attraktiv als Politiker, dass er – man kann sagen – trotzdem gewählt wurde.“

Es war ein „trotzdem“ mit weitreichenden Folgen. Auch wenn noch Jahrzehnte vergehen sollten, bis Katholiken als selbstverständliche Teilnehmer der amerikanischen Gesellschaft akzeptiert wurden. Daran erinnert der Politologe Werner Weidenfeld im Interview mit dem Münchner Kirchenradio. Die Wahl Kennedys zum Präsidenten habe symbolische Wirkungskraft gehabt.

„Sie brauchen, wenn es eine solche Tradition gibt, erst einmal einen Durchbruch, wenn sich die gesellschaftlich-soziale Lage verändern soll. Und man kann sagen, das verdankt die Welt im Blick auf Amerika John F. Kennedy. Natürlich brauchen Sie bei diesen ganz großen kulturellen Entwicklungen nicht nur eine Figur, aber sie brauchen symbolische Orientierungspunkte, und dazu zählt Kennedy zweifellos.“  
 
Skepsis gegenüber dem „Global Player Vatikan“  Warum aber gab es in den USA solches Misstrauen gegenüber Katholiken? Als ausländische Organisationsstruktur mit weltweiter Wirkungsmacht habe der Vatikan die Vereinigten Staaten beunruhigt, meint Weidenfeld. Rom war ein Zentrum, auf das sich die US-Katholiken lange Zeit stärker bezogen als auf lokale (religiöse) Autoritäten.
 
„Zur amerikanischen Tradition gehört es, misstrauisch, befürchtend, skeptisch gegenüber dem Vatikan zu sein. Es ist weniger der katholische Glaube als vielmehr diese weltpolitische Organisationsform, eine aus amerikanischer Sicht verdächtige Weltorganisation, die überall die Fäden spinnt, die Drähte zieht usw. Das führte dann sogar so weit, dass Mitte des neunzehnten Jahrhunderts Amerika ein Gesetz verabschiedet hat, das diplomatische Beziehungen mit dem Vatikan verbot. Das ist erst später aufgehoben worden unter US-Präsident Ronald Reagan, im Amt 1981 bis 1989, der aber dafür auch politisch kämpfen musste. Also dieser Vorwurf hat weniger mit den Details des katholischen Glaubens zu tun als vielmehr mit dem Misstrauen gegenüber der Organisationsform, insbesondere verkörpert im Vatikan.“ Die Wahl eines Katholiken zum Präsidenten habe auch die Skepsis der Amerikaner gegenüber Rom ein Stück weit abgebaut, so Weidenfeld. Und in den 60er Jahren erlebte die katholische Kirche in den USA dann auch einen Entwicklungsschub: Es entstanden neue Bistümer, die Kirche begann stärker die Medien zu nutzen und sie breitete ihre karitative Tätigkeit international aus.

Demütiges Selbstbewusstsein


Zur Entspannung zwischen Protestanten und Katholiken habe wohl auch Kennedys diskretes, doch bestimmtes Vorgehen beigetragen, vermutet Weidenfeld: Seine Konfession habe er im Wahlkampf nicht als Kampfbegriff benutzt, allerdings versteckte er sie auch nicht. Er legte wohl eben jenes „demütige Selbstbewusstsein“ an den Tag, das der vatikanische „Ökumeneminister“ Kardinal Kurt Koch in diesen Tagen noch für Christen in Europa einforderte. Dazu Weidenfeld:

 „Kennedy hat nicht gesagt, jetzt muss endlich ein Katholik ins Amt, sondern man wusste, der ist katholisch, aber sein Charisma war von einer ganz zusätzlichen Art. Seine Aussagen lassen sich zwar gut mit katholischen Perspektiven in Verbindung bringen, aber es ist wirklich so auf den Begriff gebracht worden. Wenn Sie sehen, wie er von den New Frontiers gesprochen hat – darüber kann ich auch eine katholische Predigt halten. Oder Überwindung der Rassentrennung usw. - also sehr humane Ziele, die sein Charisma ausgemacht haben, aber die es auch ermöglicht haben, dass man über diese Hürde kommen konnte.“

Auch wenn Kennedy bis heute der einzige katholische US-Präsident geblieben ist, würden Katholiken heute in den USA ohne „Wenn und Aber“ akzeptiert und ihre Kompetenzen geschätzt, so Weidenfeld. Der Experte nennt als Beispiel Katholiken in Schlüsselfunktionen der amerikanischen Gesellschaft:
 
„Sie haben den Joe Biden, der ist Katholik, sie haben bis vor wenigen Wochen die Sprecherin im Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, die Mehrheit der Richter am Supreme Court sind Katholiken usw. Also das ist heute kein Karrierehindernis mehr, aber auch keine Karriereförderung. Inzwischen ist ja auch die Zahl der Katholiken in den USA gestiegen – rund 25 Prozent der Amerikaner sind katholisch. Aber Sie haben nach wie vor in Amerika diese strenge Regelung der Trennung von Staat und Kirche. Auf der einen Seite finden Sie in Zeremonien religiöse Elemente, symbolischer Art, die Sie bei uns nicht so stark finden würden. Andererseits dürfen Staat und Kirche nicht vermischt werden, das ist in Amerika ganz ausgeprägt. Trotzdem würde man sagen, die amerikanische Nation ist im Grundtrend eine gläubige Nation...“


„Wir vertreten einen positiven Säkularismus“

Dass die US-amerikanische Führung heute an der strikten Trennung von Staat und Kirche jedenfalls nicht krampfhaft festhalten will - das betonte zuletzt der US-Botschafter am Heiligen Stuhl, Miguel H. Diaz. Im Gespräch mit Radio Vatikan würdigte er den Beitrag der Religionen, darunter den der Katholiken, in seinem Land. Amerika fühle sich dem Papst nahe, vertrete keinen „radikalen Säkularismus“, so Diaz:
 
„Wir haben die Trennung von Staat und Kirche festgesetzt, haben jedoch nicht diesen radikalen Säkularismus, der den positiven Beitrag der Religionen, von Religionsvertretern und von religiösen Ideen für unsere Gesellschaft missachtet. Wir fühlen uns dem sehr nah, was der Heilige Vater als positive Form einer säkularen Gesellschaft versteht, wo die Religion einen Platz hat und ernst genommen wird.“

(rv 11.01.2011 pr)







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