Papst warnt vor „Schwächung ethischer Prinzipien“ – Bertone rückt von Berlusconi ab
Papst Benedikt XVI.
warnt vor einer Schwächung ethischer Prinzipien in der Öffentlichkeit. An einem Tag,
an dem die italienischen Zeitungen mal wieder voll sind von Skandalen rund um Ministerpräsident
Silvio Berlusconi, erinnerte der Papst an einen „moralischen Grundkonsens“: Wenn eine
Gesellschaft diesen Konsens verliere, funktioniere sie nicht mehr ganz, so Benedikt
in einer Audienz für römische Polizisten. Nur Stunden zuvor hatte sich Benedikts Kardinalstaatssekretär
Tarcisio Bertone vorsichtig von Berlusconi distanziert, gegen den Mailänder Staatsanwälte
u.a. wegen Begünstigung der Prostitution ermitteln.
Es ist der so genannte
„Fall Ruby“, der den italienischen Premier derzeit mal wieder in Rotlicht-Nähe rückt.
Der Vatikan hat zu den unerquicklichen Details, die in den Medien ausgebreitet werden,
bisher geschwiegen, aber am Donnerstag sah sich Kardinal Bertone, die Nummer zwei
des Vatikans, denn doch zu einer Stellungnahme genötigt:
„Der Heilige Stuhl
verfolgt diese italienischen Angelegenheiten mit Aufmerksamkeit – und man kann sagen,
mit Sorge. Angesichts der Probleme, die die italienische Gesellschaft hat, muss man
alle Personen des öffentlichen Lebens dazu aufrufen, beispielgebend zu sein. Die Kirche
ermutigt alle, die in Verwaltung, Politik oder Justiz Verantwortung tragen, sich für
eine robustere Moral, für Gerechtigkeit und Legalität einzusetzen. Das sind die Angelpunkte
für eine Gesellschaft, die positive Antworten auf die Probleme unserer Zeit geben
will.“
So eine richtige Verurteilung des 74-jährigen Regierungschefs war
das nicht; einige italienische Bischöfe äußern sich da deutlich pointierter. Erzbischof
Giancarlo Bregantini von Campobasso spricht von einem „unermeßlichen Schaden, den
die Skandale schon jetzt unter Jugendlichen anrichten“; ein Kurien-Erzbischof sagte
einer Zeitung, sollten sich die Vorwürfe gegen Berlusconi bestätigen, müsse dieser
zurücktreten. Die Worte Kardinal Bertones stehen an diesem Freitag auf Seite eins
vieler Zeitungen. Und an diesem Freitag äußerte sich denn auch der Papst selbst in
einer Audienz für Polizisten zu den „tiefgreifenden Umwälzungen“ unserer Zeit – Worte,
die viele in Italien auf innenpolitische Zwischentöne abhorchen werden.
„Die
vielen Veränderungen führen manchmal zu einem Gefühl von Unsicherheit. Das liegt in
erster Linie an der schwierigen sozialen und wirtschaftlichen Lage; es wird aber auch
verschärft vom Eindruck, dass die ethischen Prinzipien geschwächt sind, auf die sich
das Recht und die moralische Haltung des Einzelnen stützt. Und diese sind es, die
einem Gemeinwesen Stärke verleihen. In unserer Welt gibt es den Eindruck, dass der
moralische Konsens abnimmt und dass damit auch die grundlegenden Strukturen des Zusammenlebens
nicht mehr voll funktionieren. Viele sind deswegen versucht, zu denken, dass es nicht
möglich ist, die Zivilgesellschaft zu verteidigen.“
Angesichts dieser Versuchung
seien vor allem die Christen dazu aufgerufen, eine „neue Entschlossenheit in der Verkündigung
des Glaubens und beim Tun des Guten“ an den Tag zu legen. Benedikt warnte, wie er
das häufiger tut, vor einem Abdrängen von Religion und Moral aus dem öffentlichen
Leben:
„Das ist ein großes Risiko, denn das moderne Denken gaukelt uns vor,
dass sich gar nicht objektiv bestimmen ließe, was gut und was wahr ist. So wird dann
der Einzelne mit seiner Einstellung und seinen Erfahrungen zum Maßstab: Jeder besitzt
dann seine eigene Wahrheit, seine eigene Moral. Mögen die Gesellschaft und die öffentlichen
Einrichtungen ihre Seele wiederfinden, ihre geistlich-moralischen Wurzeln!“
Am
Montag hält der Vorsitzende der Italienischen Bischofskonferenz, Kardinal Angelo Bagnasco,
eine Grundsatzrede zur Lage des Landes und der Kirche. Viele gehen davon aus, dass
er sich dann auch mit Berlusconi beschäftigen wird. „Was nützt es, wenn ein paar Bischöfe
für sich den Ministerpräsidenten kritisieren“, sagt ein Bischof zur Zeitung „La Repubblica“:
„Die gesamte Bischofskonferenz muss endlich eine einheitliche Linie finden!“