In dem kleinen nordafrikanischen Land deutet immer mehr auf eine Kraftprobe hin –
zwischen der bisherigen Regierungspartei RCD und oppositionellen Kräften. Die Übergangsregierung
der „nationalen Einheit“ will am Donnerstag ihre erste Kabinettssitzung abhalten,
auch wenn sich drei Oppositionsvertreter im Protest aus ihr zurückgezogen haben. Ein
Widersacher des gestürzten Präsidenten Ben Ali, Moncef Marzouki, ist am Dienstag aus
dem Exil nach Tunesien zurückgekehrt. Er fordert eine Auflösung der RCD, weil diese
„die Stütze der Diktatur“ war. Auch Übergangs-Premier Mohammed Ghannouchi solle den
Hut nehmen.
Katholiken gibt es in Tunesien kaum: 21.000 in einer Bevölkerung
von zehn Millionen. Sie sind in der Regel Ausländer, die aus Arbeitsgründen im Land
sind. Doch auch diese wenigen Katholiken beobachten alles, was sich derzeit in Tunis
tut, mit Argusaugen. „Die Reaktionen auf die Bildung der Übergangsregierung sind gemischt“,
sagt Erzbischof Moroun Elias Nimeh Lahham von Tunis:
„Die einen akzeptieren
sie, weil sie finden, dass das Land so in sechs Monaten zu allgemeinen Wahlen hingeführt
wird. Andere aber lehnen es absolut ab, dass die bisherige Regierungspartei noch irgendwie
in der neuen Regierung mitmischt. Die nächsten Tage werden zeigen, welche dieser zwei
Strömungen sich durchsetzen wird. Die katholische Kirche in Tunesien wünscht sich,
dass das Volk seine Würde, seine Freiheit wiedererlangt und sich zu einer freien,
demokratischen und erwachsenen Gesellschaft hin entwickeln kann.“
Soweit
der Wunsch – aber der Erzbischof selbst ist da skeptisch. Schließlich, so meinte er
zum römischen Pressedienst misna, seien Demokratien ja in dieser Weltgegend bislang
„nicht existent“. Steigende Lebensmittelpreise hätten vielleicht am Anfang der Straßenproteste
gestanden – aber schnell sei es um mehr, um die Freiheit gegangen. Das sieht auch
ein Italiener in Tunis so, der anonym bleiben möchte: „Achtzig Prozent der Tunesier
haben schließlich ihr eigenes Haus! Natürlich gab es Preiserhöhungen, aber so schlimm
kam mir jedenfalls die Lage gar nicht vor. Die Mehrzahl der tunesischen Familien konnte
das wegstecken. Und ich glaube auch nicht, dass die Mehrzahl der Demonstrierenden
Arbeitslose sind. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hinter all dem
eine politische Regie steht.“