2011-01-18 14:53:51

Haiti: „Es kann alles passieren“


Mit Argwohn betrachten Menschenrechtsorganisationen und Kirchenvertreter die Rückkehr des ehemaligen Diktators von Haiti, Jean-Claude „Baby Doc“ Duvalier, in sein Heimatland. Er sei gekommen, um Haiti nach dem schweren Erdbeben aufzuhelfen, gab Duvalier nach Medienberichten an. Der 59-Jährige wurde 1986 durch einen Volksaufstand entmachtet und ging danach für 25 ins Exil. Beobachter fürchten, Duvalier wolle die fragile politische Lage ausnutzen, um wieder an die Macht zu kommen - derzeit finden auf Haiti Präsidentschaftswahlen statt. Radio Vatikan hat darüber mit P. Stefano Femminis, dem Direktor der internationalen Jesuitenzeitschrift „Popoli“, gesprochen.

„Was überraschend ist: Duvaliers Rückkehr gerade in dem Moment, in dem eigentlich der zweite Wahlgang der Präsidentschaftswahlen hätte stattfinden sollen. Dieser wurde ja wegen Reklamationen und Neuauszählungen verschoben. Zur dramatischen wirtschaftlichen und sanitären Lage nach dem Erdbeben kommt auf Haiti nun also auch noch institutionelle Verwirrung hinzu. Auch die Cholera-Epidemie ist noch nicht besiegt. Es kann also alles passieren. Der erste Minister im Amt hat es nicht skandalös gefunden, dass Duvalier wiedergekommen ist. Er hat eine ziemlich versöhnliche Erklärung abgegeben, in der er sagte, Duvalier habe als haitianischer Bürger das Recht auf eine Rückkehr. Das sagt auch etwas über die haitianische Führung aus.

Menschenrechtsorganisationen hatten nach Rückkehr des Ex-Diktators gefordert, Duvalier wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit während seiner Herrschaft von 1971 bis 1986 vor Gericht zu stellen. Allerdings ist Haitis Gerichtssystem ein Jahr nach dem verheerenden Erdbeben immer noch nicht voll funktionstüchtig. Unruhen wie nach dem ersten Wahlgang Ende November seien nicht ausgeschlossen, so Femminis:
„Derzeit gibt es eine künstliche Ruhe. Die Situation ist unvorhersehbar. Wenn wir von Haiti sprechen, sprechen wir leider von einer komplizierten Situation, auch bezüglich der Geschichte des Landes. Aber ganz sicher ist dieses politische Vakuum nicht gut; Haiti bräuchte gerade jetzt Klarheit und eine stärkere politische Führung.“

Nach Ansicht des haitianischen Regierungschefs Jean-Max Bellerive ist ein Prozess gegen den zurückgekehrten Diktator möglich. „Jeder Bürger ist in Haiti der Gerichtsbarkeit unterworfen“, sagte Bellerive am Montag in Port-au-Prince. Sollte nach Einreichung einer Anzeige ein Gerichtsverfahren in die Wege geleitet werden, werde die Justiz tun, was sie zu tun habe, ergänzte der Regierungschef.

(rv/diverse 18.01.2011 pr)







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