PID: Kein Unrecht bekämpfen, indem man ein neues schafft
Mit der Präimplantationsdiagnostik,
kurz PID, werden künstlich befruchtete Eizellen vor der Einpflanzung in den Mutterleib
auf Erbkrankheiten und genetische Auffälligkeiten untersucht. Den Ärzten bietet sich
die Möglichkeit, „kranke“ Embryonen nicht zu verwenden, sie abzutöten und durch „gesunde“,
fehlerfreie zu ersetzen. Das bis letzten Sommer geltende Verbot der PID wurde gerichtlich
aufgehoben, es muss also eine Neuformulierung des Rechts geben. In den kommenden Monaten
wird der Deutsche Bundestag darüber debattieren und schließlich eine Entscheidung
treffen müssen. Pro oder contra PID, das ist also die Frage, die zurzeit in den
Hinterzimmern der Bundestagsabgeordneten quer durch alle Fraktionen diskutiert wird.
Karl Jüsten, Leiter des katholischen Büros in Berlin, erläutert die drei aktuellen
politischen Lager in der Debatte um eine gesetzliche Lösung der PID-Frage. Da gebe
es um den CDU-Abgeordneten Hinze eine erste Gruppe, die eine weiter Liberalisierung
der PID fordert, also eine möglichst grenzenlose Zulassung der Technik. Zweitens gebe
es eine Gruppe um die Grüne Priska Hinz und andere CDU-Abgeordnete, die nur eine begrenzte
Zulassung wollen.
„Und dann gibt es eine dritte Gruppe, die sich um viele
insbesondere katholische Abgeordnete des deutschen Bundestages schart, da ist etwa
der Abgeordnete Singhammer von der CSU zu nennen oder Andrea Nahles von der SPD. Die
wollen, dass es bei einem Verbot bleibt. Sie vertreten damit auch mehr oder weniger
die Position der katholischen Kirche, und es ist jetzt ein sehr offenes Rennen und
eine spannende Frage, welche Gruppe sich jetzt letztendlich durchsetzen wird.“ Karl
Jüsten, Interessensvertreter der katholischen Kirche im Berliner Regierungsviertel,
will bei diesem Rennen nichts dem Zufall überlassen. Der Lobbyist setzt im Namen der
deutschen Bischöfe alles daran, unter den Parlamentariern Verbündete für ein PID-Verbot
zu mobilisieren. Dabei kommt ihm der Umstand zugute, dass die Abgeordneten in der
PID-Debatte über eine Frage des Lebensschutzes entscheiden:
„Da gilt in
der Regel nicht der sogenannte Fraktionszwang. Da muss sich also jede Gruppe im Bundestag
dann ihre Mehrheiten suchen und so tue ich das auch. Und wir sprechen also mit den
katholischen Abgeordneten selbstverständlich, aber eben auch mit Abgeordneten aus
anderen politischen Lagern, die möglicherweise mit uns ansonsten überquer sind. Also
wir haben zum Beispiel von dem Abgeordneten Beck, mit dem wir ansonsten schon mal
schwierige Diskussionen haben mit der sogenannten Homo-Ehe, gesprochen, und der unterstützt
unser Anliegen vorbehaltlos. Dann sprechen wir genauso mit Vertretern der Linkspartei,
die wiederum aus ganz anderen Gründen unsere Position vertreten: Für die ist eine
neue Einführung der PID also eine neue Frage des Klassenkampfes.“ Für Jüsten
sind die Befürworter nicht mit überzeugenden Argumenten ausgestattet, die eine Legalisierung
der PID in Deutschland rechtfertigen würden:
„denn welche Krankheit soll
künftig davon betroffen sein und welche Krankheit nicht. Das können sie nicht klar
abgrenzen. Sie tun sich sehr schwer, eine Positivliste zu erstellen, bei welchen Krankheiten
man PID und dann eben die Folge der Tötung des Embryos zulässt.“ Auch
das vielerseits angeführte Argument, dass mit der PID Abtreibungen verhindert würden,
weist Jüsten zurück:
„Man soll jetzt nicht ein Unrecht bekämpfen, in dem
man ein anderes Unrecht schafft. Wir haben in Deutschland ja die Situation der sogenannten
Spätabtreibungen, die also erlaubt sind, wenn das Wohl der Mutter gefährdet ist, weil
sie ein behindertes Kind erwartet. Das ist ja die rechtliche Lage. Und die halten
wir als katholische Kirche schon immer für schwierig und eigentlich nicht vertretbar.
Und bloß weil wir an dieser Stelle rechtlich etwas zulassen, soll man jetzt nicht
ein Verfahren einführen, mit dem das also weiterhin perpetuiert wird.“ Über
pro und contra PID wird der Deutsche Bundestag in den nächsten Monaten ausführlich
diskutieren und später einen gesetzlichen Entschluss fassen. 200 bis 300 Familien
und ihre ungeborenen Kinder wären pro Jahr in Deutschland betroffen. Doch eine Entscheidung
über die Präimplantationsdiagnostik betrifft nicht nur sie, betont Jüsten.
„In
der Tat, es geht hier um eine Grundsatzentscheidung. Und wenn es um eine Grundsatzentscheidung
geht, ist natürlich auch jeder einzelne Fall wichtig und auch 200 Kinder sind 200
Kinder. Von daher ist die Frage von Zahlen eine müßige Frage.“ (rv 13.01.2011
cs/ord)