Kirchliche Beobachter fürchten Ausschreitungen bei den für diesen Freitag geplanten
Demonstrationen gegen Papst Benedikt XVI. Radikalislamische Kräfte haben landesweit
zu Kundgebungen nach dem Freitagsgebet aufgerufen, weil sie in Benedikts Forderung
nach einer Aufhebung des Blasphemiegesetzes eine Einmischung in pakistanische Angelegenheiten
sehen. P. Andrzej Halemba ist Pakistan-Fachmann des Hilfswerkes „Kirche in Not“. Er
sagte uns:
„Bei solchen Kundgebungen sind Emotionen immer sehr präsent.
In Ländern wie Pakistan kommt es da gern einmal zu Gewaltakten, und ich befürchte
das auch für diese Demonstration. Zumindest der Same der Gewalt wird in die Herzen
vieler Menschen gesät, sodass dann vielleicht in den Dörfern und Straßen, wo Christen
nicht geschützt sind, Gewalt ausbrechen kann.“
Dabei habe Pakistan eine
lange Geschichte des friedlichen Zusammenlebens zwischen den Religionen, betont P.
Halemba. Die Spannungen zwischen Moslems und Christen nahmen seiner Beobachtung nach
vor etwa zehn Jahren ihren Anfang. Der 11. September 2001 sei die Wende für antichristliche
Ressentiments gewesen.
„Die Leute vermischen oft mehrere Dinge miteinander:
Gewalt in der Region - Irak, Afghanistan, Pakistan - mit der Anwesenheit US-amerikanischer
und europäischer Soldaten. Das bringen sie in Beziehung mit der christlichen Bevölkerung,
die aber doch seit Jahrhunderten hier leben, länger noch als die muslimische. Es ist
leider leicht, die Leute in diesem Punkt zu manipulieren, also antiamerikanische Emotionen
gegen Christen in Stellung zu bringen.“
Gezielt und geschickt nutze die
pakistanische Politik antichristliche Gefühle für ihre Interessen. Daraus sei Kapital
in Form von Wählerstimmen und Macht zu schlagen, so P. Halemba. Bestes Beispiel dafür:
das Blasphemiegesetz, das eigentlich dazu da sein sollte, die religiösen Gefühle der
Moslems zu schützen.
„Natürlich ist es richtig zu sagen, wir wollen nicht,
dass irgendjemand Gott beleidigt. Aber die Art, das durchzusetzen und zu manipulieren,
ist eine Tragödie für den islamischen Teil der Gesellschaft, und erst recht für den
christlichen. Viele Leute suchen auch nach wirtschaftlichen Vorteilen. Es ist einfach,
einen christlichen Geschäftspartner anzuklagen, um ihn loszuwerden, weil diese Beschuldigungen
der Blasphemie sofort auf fruchtbaren Boden fallen. Das Justizsystem bringt den Christen
keine Gerechtigkeit. Wer versucht, es gerechter für alle zu machen, wird nicht gehört
und mitunter sogar getötet, wie kürzlich geschehen.“
Der Pakistan-Fachmann
bezieht sich hier auf den Regierungschef der Region Punjab, einen prominenten Kritiker
des Blasphemiegesetzes, der sich auch für die Freilassung der Christin Asia Bibi eingesetzt
hatte. Er wurde vor wenigen Tagen Opfer eines Mordkomplotts. Natürlich gebe es in
Pakistan tausende Beispiele eines friedlichen Zusammenlebens zwischen Moslems und
Christen, betont P. Halemba: „aber die Fundamentalisten dominieren“.
„Wir
sollten uns vor Augen halten, was vor 70 Jahren in der Türkei geschah. Damals gab
es 38 Prozent Christen in der Türkei. Heute sind es 0,04 Prozent. Einige Länder folgen
diesem Muster und versuchen, Christen so hart zu behandeln, dass sie weggehen. Dafür
gibt es zwei Gründe. Zum einen den religiösen, dafür ist der Islam fundamentalistischen
Zuschnitts verantwortlich. Der zweite Grund ist einfach Selbstbereicherung. Man weiß,
wenn da Christen leben, die nach Amerika, Australien oder Europa wegziehen, dann gehen
sie für immer, und ihr Eigentum bleibt zurück. Man kann die Häuser, Sachen und Grundstücke
einfach nehmen.“
Die Fundamentalisten, die zur Demonstration gegen den
Papst aufriefen, sind in einer „Allianz zum Schutz der Ehre des Propheten“ („Tehrik
Tahaffuz Namoos-i-Risalat“, TTNR) organisiert. Nach Angaben kirchlicher Beobachter
planen sie, einen „Religionskrieg gegen den Papst und die Christenheit“ anzuzetteln.
Die Gruppe umfasst Strömungen und Parteien, die sich im Zug der Causa Asia Bibi gefunden
haben. Die Christin ist die erste Frau, die aufgrund des Blasphemiegesetzes zum Tod
verurteilt wurde, ihr Schicksal ist weiterhin ungewiss. Was kann die Kirche tun, um
in der aufgeheizten Lage in Pakistan beschwichtigend zu wirken? Immerhin, ihr Einsatz
für Schulbildung und die Katastrophenhilfe, beide auch für Moslems, wurden breit geschätzt,
beobachtet P. Halemba. Auf einer höheren Ebene sei aber Druck von außen die wirksamere
Methode.
„Die Leute sehen, dass die christlichen Kirchen und die
internationalen Organisationen nun die Sache der Christenverfolgung mehr im Blick
haben. Diese versuchen, die Christen unter einen wirksameren Schutz zu bekommen, indem
sie Druck auf die Regierung ausüben und auf die Einhaltung des internationalen Rechts
pochen und genau überwachen, was geschieht. Das ist die Hoffnung.“