2011-01-10 14:12:42

Weißrussland: Kirche hält sich bedeckt


Die katholische Kirche in Weißrussland will sich angesichts der angespannten Lage in dem Land nicht instrumentalisieren lassen; das erklärt möglicherweise ihre Zurückhaltung im Kontext des harten Vorgehens der Regierung gegen Oppositionelle nach den letzten Präsidentschaftswahlen. Zu dieser Einschätzung kommt im Gespräch mit Radio Vatikan Martin Lenz vom katholischen Osteuropahilfswerk Renovabis. Der katholische Erzbischof von Minsk, Tadeusz Kondrusiewicz, sei mit Präsident Lukaschenko am 28. Dezember zusammengetroffen, erzählt Lenz, und da gab es ein interessantes Detail:

„Man hat sich dort gegenseitig relativ freundlich zu Weihnachten Grüße überbracht. Aber ich denke, es ist auch eine Aussage, dass bei dieser Gelegenheit nicht gratuliert wurde. Die römisch-katholische Kirche in Weißrussland versucht, sich nicht politisieren zu lassen. Natürlich ist man als Großinstitution im Lande auf eine Kooperation mit dem Staat angewiesen, aber gleichzeitig möchte man nicht parteipolitisch irgendwo in die Vorgänge involviert werden. Gleichwohl ist natürlich schon die Einstellung der Kirche insgesamt, dass man Bürgerbeteiligung und natürlich die Wahrung der Menschenrechte als unumgänglich ansehen würde.“

Die römisch-katholische Kirche Weißrusslands verhalte sich wohl auch deshalb vorsichtig, weil sie ihre in den letzten Jahren mühsam errungene Stellung nicht gefährden wolle, vermutet Lenz:

„Die katholische Kirche in Weißrussland wurde über lange, lange Zeit als eine sehr stark polnische Kirche wahrgenommen, vom Staat, aber auch von einem Großteil der Bevölkerung. Erst nach und nach ist es auch gelungen zu zeigen: Nein, die katholische Kirche ist hier eine eigene Institution. Und dieses vorsichtige Vorgehen ist natürlich auch dem geschuldet, dass man das auf keinen Fall gefährden will, was man bisher erreicht hat. Ein Großteil der pastoralen Mitarbeiter kommt aus dem Ausland und aus Polen; sie brauchen regelmäßig ein neues Visum und eine neue Aufenthaltsgenehmigung für ihre Arbeit im Land.“

Gewalttätige Niederschlagung der Opposition
Nach der Bestätigung von Präsident Aleksandr Lukaschenko im Amt kam es in Minsk zu Demonstrationen der Opposition. Sie wirft dem Präsidenten Wahlfälschung vor. Die Präsidentschaftswahl sei nicht durchgehend durch internationale Wahlbeobachter beobachtet worden, so Lenz dazu. Der Staat habe darauf gedrängt, die Wahl vorzuziehen, was in Weißrussland möglich ist. So hätten viele Wähler ihre Stimmen schon vor dem Wahltermin am 19. Dezember abgegeben. Lenz:

„Rund 25-30% der Leute haben das so gemacht, zum Teil unter nicht geringem Druck. Also gerade Soldaten, Studenten, Rentner wurden dazu recht massiv gedrängt, ihre Stimmen abzugeben. Und diese Stimmabgabe wurde nicht durch die Wahlbeobachter überwacht, die Wahlbeobachtung durch internationale Kommissionen fand nur am 19.12.2010 statt. Und dazu gab es unterschiedliche Meinungen. Die OSZE, deren Büro in Weißrussland geschlossen werden soll, meinte, dass starke Defizite festzustellen waren. Die Wahlbeobachter der GUS haben gesagt, so schlecht war das Ganze gar nicht. Ich persönlich denke, es waren mit Sicherheit keine demokratischen Wahlen.“

Trotz Verbot durch die Regierung habe es am Wahltag in Minsk eine Großdemonstration gegeben. Rund 20.000 Teilnehmer, darunter viele Oppositionelle, forderten eine Wiederholung der Wahl. Dass es dabei von Seiten der Demonstrierenden zu Ausschreitungen gekommen sei, wie es die weißrussische Regierung behauptet, konnte bisher nicht bestätigt werden. Von den Behörden, die mit teilweise massiver Gewalt vorgingen, seien allerdings bis zu 600 Oppositionelle und Regierungsgegner verhaftet worden, so Lenz. Darunter befanden sich auch einige Präsidentschaftskandidaten. In den letzten Tagen gebe es vor allem Probleme mit Zensur der Medien, so Lenz:

„Nach meinen Informationen ist die Mehrzahl der am 19. verhafteten Personen wieder frei gelassen worden. Was jetzt in den letzten zwei Tagen ziemlich massiv ist, ist der Druck der Sicherheitsorgane in Weißrussland auf Berichterstatter. Die wurden relativ stark bedrängt. Es wurden Durchsuchungen in Privatwohnungen, in Redaktionen vorgenommen, Telefonanschlüsse und Internetanschlüsse blockiert.“

Lukaschenko hat vor allem bei Landbevölkerung Rückhalt
In Untersuchungshaft sitzen nach Medienangaben zum Beispiel der Oppositionsführer und Präsidentschaftskandidat Andrej Sannikow sowie dessen Frau, die Journalistin Irina Chalip. Ihnen wird Anstiftung zum Aufruhr vorgeworfen, was in Weißrussland mit bis zu 15 Jahren Haft bestraft wird. Lukaschenko habe vor allem in der ländlichen Bevölkerung und bei den älteren Menschen Rückhalt, so Lenz. Ihnen vermittle der autoritäre Politiker „Sicherheit“ und Stabilität, so Lenz, zum Beispiel bezüglich der Verhandlungen mit Russland über Erdgaspreise und Zollbestimmungen. Ohne Subventionen hätte es das wirtschaftlich schwache Land schwer, so der Beobachter:

„Die sehen auch, wie die Situation z.B. in den umliegenden Ländern ist in Russland und der Ukraine, dass es dort zu Versorgungsengpässen kommt usw., dass die Renten nicht mehr pünktlich ausgezahlt werden. Und in Weißrussland hat man eine zwar sehr vom Standard her niedrig angesetzte, aber doch gewährte Sicherheit, leben zu können. Und so hat Lukaschenko eine recht große Unterstützung in der Bevölkerung. Die Vorwürfe der Manipulation der Wahl treffen wahrscheinlich zu, weil die jüngere Stadtbevölkerung sich mit der politischen Ausrichtung, dem Lavieren zwischen Russland und Europa, die Lukaschenko hat, nicht mehr einverstanden erklärt.“
Der Großteil der weißrussischen Bevölkerung habe aber von den Zwischenfällen am Wahltag in Minsk vermutlich gar nichts mitbekommen, meint Lenz:
„Auch innerhalb des Landes wurde natürlich nicht sehr stark darüber berichtet, sondern die Berichterstattung war sehr tendenziös und eingeschränkt. Nach den Erfahrungen auch der letzten Wahlen ist es sehr stark anzunehmen, dass jetzt versucht wird, die ganze Sache mit einem gehörigen Druck fortzuführen, aber immerhin die Situation auch wieder zu beruhigen. Und dann wird aller Voraussicht nach einfach versucht werden, so weiter zu regieren, in einem präsidential-autoritären Stil wie bislang.“
Präsident Lukaschenko ist seit 1994 im Amt. Schon seine Teilnahme an den Präsidentschaftswahlen 2006 war umstritten, da sie der früheren weißrussischen Verfassung widersprach. Wegen Unterdrückung der Opposition hatte die EU bereits damals Sanktionen gegen die Führung in Minsk verhängt. Per Referendum hatte Lukaschenko im Oktober 2004 die Verfassung so ändern lassen, dass für ihn keine Beschränkungen der Amtszeiten mehr galt. Derzeit sind wieder neue Sanktionen für Weißrussland im Gespräch.

(rv/diverse 07.01.2011 pr)







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