Im Gespräch mit Aldo Parmeggiani, aus unserer Sendung vom 09.01.11
Der
bekannte Journalist Peter Voss wurde vor 70 Jahren in Hamburg geboren und wuchs in
Lübeck auf, wo er das ‚Johanneum’ besuchte. Von 1961 bis 1967 studierte er Soziologie,
Jura und Ethnologie an der Universität Göttingen. Beim SWR brachte er es bis zum Intendanten,
in dessen Stellung er zwei Mal bestätigt wurde. Beim breiteren Publikum wurde er vor
allem wegen seiner sonntäglichen Journalistengespräche ‘Presseclub’ bekannt. Im vergangenen
Jahr übernahm Peter Voß das Amt des Präsidenten der privaten Quadriga Hochschule in
Berlin, in der unter anderem auch Ethikfragen auf dem Lehrplan stehen.
Sie
sind ein Spitzenmann der Medien, Journalist, Manager – ergo wird das Gespräch, das
wir aus Anlass Ihres 70. Geburtstages führen, in erster Linie ein Gespräch über Medien
sein, aber nicht nur. War Ihre Studienwahl: Soziologie, Jura und Ethnologie bereits
verbunden mit Ihrer Berufsvorstellung?
„Ich war lange unsicher was ich werden
wollte. Ich habe erst Deutsch und Englisch studiert, dann habe ich gewechselt zu Jura,
aber Staatsanwalt oder Richter wollte ich auch nicht werden, dann bin ich zur Soziologie
übergegangen mit Nebenfach Ethnologie und Rechtsgeschichte: Journalist bin ich dann
geworden, um möglichst rasch einen Beruf zu ergreifen, der mir liegt. Ich war lange
unschlüssig, ob ich nicht in die Politik gehen sollte, und bin heute froh, dass ich
es nicht gemacht habe”.
Gleich zum Beginn; was macht Ihrer Meinung
nach einen guten Journalisten aus?
„Ich hätte fast ironisch gesagt:
seine Seltenheit. Denn der gute Journalist konzentriert sich auf die gründliche Recherche
und bemüht sich um ein Ziel, das nicht absolut aber in Annäherungswerten erreichbar
ist: sie Objektivität. Das heißt, er versucht auch die Fakten, Hintergründe, Argumente,
Zusammenhänge zu berücksichtigen, die nicht zu seiner persönlichen Meinung passen”.
Wo
liegen die Trends, die Tendenzen der Medien heute?
Wie hat sich der Jornalismus
durch die Digitalisierung verändert?
„Das ist ein sehr komplexes Feld. Vor
allem durch den Siegeszug des Internets verändert sich der Journalismus und gleichzeitig
auch durch den viel härteren kommerziellen Wettbewerb, das heißt Verlage wie Sender
haben nicht mehr im gleichen Maße wie vorher die finanzielle Kraft Journalisten zu
bezahlen, die eben gründlich recherchieren. Wen ich heute als Verleger Personal abbaue,
bleibt für die Recherche weniger Zeit, das heißt die Tendenz geht natürlich dann mehr
zu personalisiertem Journalismus,zu Emotionen und das geht dann auf Kosten der Gründlichkeit.
Und das Internet verändert es noch einmal völlig, weil es auf der einen Seite ein
freies, ein tolles Medium ist, aber auch ein Medium das es erschwert, Instanzen der
Glaubwürdigkeit, der Seriosität aufzubauen”.
Sie haben den öffentlich-rechtlichen
Rundfunk einmal als öffentliches Kulturgut beschrieben….Würden Sie das näher beschreiben?
„Ja,
der Kulturbegriff ist natürlich dehnbar. Etwa die Hälfte der Produktion des öffentlich-rechtlichen
Rundfunks und Fernsehens und Internet würden sich am Markt nicht rechnen. Das heißt,
sie werden geleistet für die Allgemeinheit – insofern ist der öffentlich-rechtliche
Rundfunk gemeinwohlorientiert – sie sind nötig, aber sie erreichen immer nur bestimmte
Minderheiten und wären deshalb kommerziell nicht finanzierbar. Insofern hat der öffentlich-rechtliche
Rundfunk, wenn man will, eine wichtige Aufgabe auch im Hinblick auf die Integrität
einer Gesellschaft auf nationaler, regionaler, föderaler Ebene, aber auch auf europäischer
Ebene und ist nach meiner Meinung unentbehrlich.Ob wir diesen Rundfunk so behalten
können, halte ich für eine offene Frage. Ich hoffe, dass mit größeren Bildungsanstrengungen
auch die Ansprüche von Rundfunk und Fernsehen wieder steigen, sodass wir da wieder
neue Chancen haben”.
Welchen Stellenwert haben Sie als Intendant
des SWR den religiösen Sendungen eingeräumt?
„Also abgesehen von den staatsvertraglich
festgesetzten Gottesdienst-Übertragungen haben wir uns auch selber bemüht, redaktionell
religiöse Themen aufzugreifen bis hin in die Fernsehspiele hinein. Ich selbst habe
etwas getan, was mir auch Kritik eingebracht hat: ich habe versucht selbst den Islam
einzubinden durch eine „Islamisches Wort“ allerdings unter unserer redaktionellen
Verantwortung. Aber nur im Internet als ersten Versuch, weil ich islamistische Tendenzen
ohnehin, aber auch manche islamischen Tendenzen sehr kritisch sehe, aber der Meinung
war, wenn man sie kritisch sieht muss man ein Angebot machen. Und meine stille Hoffnung
war und ist, dass wir mit dem Vordringen des Islam auch unsere eigenen kulturellen
und religiösen Wurzeln wieder stärker zum Bewusstsein bringen müssen”.
Ist
dieses Experiment gelungen?
„Es ist gelungen. Die Ausweitung ist
aber schwierig, weil es auf islamischer Seite keine wirklichen institutionellen Ansprechpartner
gibt. Es gibt keine öffentlich-rechtlich verfaßte islamische Glaubengemeinschaft,
die man mit den Kirchen vergleichen könnte und die -wenn es sie gäbe – auch in unseren
Gremien vertreten sein könnten. Das steckt alles erst in den Anfängen und wird sich
hoffentlich noch entwickeln.“
Es ist bekannt: die Medien haben
Einfluss auf die Politik. Welchen Einfluss haben die Medien auf die Religion? Hat
die Religion auch Einfluss auf die Medien?
„Der Einfluss der Religion,
auch der Einfluss der religiösen Institutionen ist sicherlich zurückgegangen, weil
die agnostische Säkularisierungswelle auch den Journalismus stark erfasst hat. Umgekehrt
haben die Medien schon sehr großen Einfluss auf religiöse Einstellungen, nicht so
sehr auf konkrete, geglaubte Lehrsätze, aber auf das religiöse Empfinden. Und sie
haben auch Einfluss der Kritikfähigkeit. Eine der großen Leistungen des SWR war wirklich
eine Sendung über Scienthologie, die auch riskant war, weil diese Sekte alles versucht
hat, unsere Ausstrahlung zu verhindern. Also wir haben schon Einfluss und damit natürlich
eine große Verantwortung”.
Sie sind Protestant. Was gefällt Ihnen
an der katholischen Kirche, was nicht?
„Also ich habe grundsätzlich
–insofern bin ich befangen, weil ich noch nicht einmal weiß, ob ich ein Gläubiger
bin oder nicht, vielleicht bin ich es auch ohne es zu wissen – habe ich ein Grundvertrauen
in eine höhere Instanz, ohne mir dessen immer bewusst zu sein. Ich habe mit konkreten
Lehrsätzen beider Kirchen meine Probleme und bewundere an der katholischen Kirche
etwas, was zugleich die Schattenseite ist: ihre große Geschlossenheit. Das ist gleichzeitig
auch ein Problem bei bestimmten Themen, die in aller Munde sind – ob es der Ausschluss
der Frauen vom Priesteramt ist, der natürlich dogmatisch begründet ist, oder eben
auch eine kirchenrechtliche Frage wie die zölibatäre Existenz der Priester. Ich glaube,
darin liegt zwar nicht das Kernproblem, aber liegen zumindest in Mitteleuropa große
Akzeptanzprobleme. Nur der Kern des Glaubens – Liebe, Glaube, Hoffnung – der ist für
mich unantastbar. Und da stelle ich mir die Frage immer: welche Institution ist am
ehesten geeignet, die Lehre zu bewahren und weiterzugeben und die Menschen immer damit
zu konfrontieren. Und das ist sicher heute – weltweit gesehen- die katholische Kirche”.
Sie
haben viele hervorragende Kirchenmänner interviewt. Hans Küng, Wolfgang Huber, Erzbischof
Foley. Mit Sicherheit würden Sie auch gerne ein Interview mit Papst Benedikt führen.
Welche Frage würden Sie ihm auf jeden Fall stellen?
„Ich wollte
dem Papst sicher nach dem Kern seines Glaubens fragen und ihm in Grunde die Fragen
stellen, die Sie mir gerade gestellt haben. Darauf würde ich sicher versuchen, ganz
stark einzugehen: bleibt es bei der Volkskirche? Und damit der öffentlich-rechtlichen
verfassten Kirche? Oder kehren wir zurück zu einer Form die an die Urkirche erinnert?
Nämlich eine Minderheit die völlig aus eigener Kraft und ohne Verbindung zur Gesellschaft
und Politik sozusagen – ich hätte fast gesagt, wie im heutige China, nur ohne Verfolgung
– als wenig beachtete Minderheit von „Sonderlingen“ existiert. Vielleicht ist das
die Zukunft der Kirche. Aber ich würde es mir nicht wünschen, weil ich mir eine möglichst
großen Einfluss der Institution Kirche im positiven Sinne auf die Gesellschaft wünsche”.
Seit
einiger Zeit stehen Sie als Präsident der Quadriga, einer neuen privaten Hochschule
in Berlin vor. Was lernen die Studenten an dieser Akademie?
„Hoffentlich
nicht nur Unternehmens- und Organisationskommunikation sondern hoffentlich lernen
sie von uns auch, dass Transparenz , die beste Unternehmenspolitik ist. Man sieht
am Beispiel von BP nach dem Unglück im Golf von Mexiko oder auch bei der deutschen
Bahn wenn es mal mehr schneite als sonst, dass Unternehmen aber auch Parteien und
Institutionen gravierende Fehler machen bei der Vermittlung ihrer legitimen Interessen
und Ziele, weil sie oft die Antwort verweigern oder nicht ganz offen sind. Und das
wäre aber genau richtig, weil es auf lange Sicht die einzige vertrauensbildende Politik
ist. Und das versuchen wir unter anderem den Studierenden zu vermitteln”.
Auf
Ihrem Lehrplan stehen also auch Ethikfragen; welche der christlichen Grundwerte halten
Sie für die entscheidenden?
„Ich denke das Gebot der Nächstenliebe, das
ja nach meiner Auffassung nicht sekular, sondern nur religiös begründet werden kann.
Sie ist der zentrale Wert, der natürlich nicht 1:1 umsetzbar ist. Da bräuchte man
ja keinen Staat und keine Politik mehr. Keine Gesetze und keinen Sozialstaat wenn
wir alle im Sinne der christlichen Ethik sozial wären. Es ist alles zurückzuführen
auf das Gebot der Nächstenliebe und natürlich auch auf dem Wert der Menschenwürde.
Denn das Christentum hat eigentlich die Würde der Einzelperson durchgesetzt. Un das
halte ich für zentral”.
Sie lieben Lyrik. Sie selbst haben Gedichte
geschrieben. Gibt es eines, das Sie abschließend rezitieren möchten?