Kurz vor dem Beginn des Referendums über eine Unabhängigkeit des Südsudan hat Präsident
Omar Al-Baschir vor einer Loslösung des Landesteils gewarnt. Der Süden sei nicht in
der Lage, einen eigenen Staat zu bilden und für die Menschen dort zu sorgen, sagte
Al-Baschir dem arabischen Sender Al-Dschasira. Die insgesamt neuntägige Volksabstimmung
hat an diesem Sonntag im Südsudan begonnen; sie ist der Schlusspunkt eines 2005 von
der Zentralregierung in Khartum und südsudanesischen Rebellen unterzeichneten Friedensabkommens.
Dieses beendete einen mehr als zwei Jahrzehnte dauernden Bürgerkrieg. Es gilt als
sicher, dass die Bürger des christlich dominierten Südsudan mit großer Mehrheit für
eine Loslösung vom muslimisch geprägten Rest des Landes stimmen werden.
Bislang
hat das Referendum einen sehr positiven Verlauf genommen. Diese Einschätzung übermittelte
Josef Sayer, Hauptgeschäftsführer des katholischen deutschen Entwicklungshilfswerks
Misereor, am Sonntag aus Juba. Sayer begleitet die Volksabstimmung in der südsudanesischen
Stadt zurzeit im Auftrag der „All African Conference of Churches“ als Wahlbeobachter.
„Ich bin sehr beeindruckt, wie zivilisiert und diszipliniert diese Volksabstimmung
abläuft und wie zukunftsorientiert die Menschen hier die Sache in die Hand nehmen.
Das Referendum findet bisher in freier Atmosphäre statt.“ Sayer besuchte am Sonntag
zahlreiche Wahllokale und traf dort unter anderem einen Mann auf Krücken, der im sudanesischen
Bürgerkrieg einen Fuß verloren hatte. „Dieser Mann äußerte sich voller Zuversicht
und Hoffnung, dass die Gewalt in seinem Land nun ein Ende hat“, berichtete der Misereor-Chef.
Sayer hatte den Sudan bereits 1999 besucht. „Ich erlebe den Südsudan nun als ein
völlig verändertes Land, in dem vieles wieder aufgebaut ist, was im Krieg zerstört
wurde.“ Am Morgen hatte der Gast aus Deutschland in der Kathedrale von Juba einen
Gottesdienst mitgefeiert, an dem auch der südsudanesische „Präsident“ Salva Kiir Mayardit
teilnahm. Der amerikanische Senator John Kerry, Vorsitzender des Komitees für auswärtige
Beziehungen im US-Senat, übermittelte in der Kathedrale die Grüße von US-Präsident
Barack Obama und sagte dem Südsudan Hilfe zu. Das Referendum findet in Anwesenheit
zahlreicher bedeutender Persönlichkeiten der Weltpolitik statt, unter ihnen der frühere
US-Präsident Jimmy Carter und der ehemalige UNO-Generalsekretär Kofi Annan.
Mit
Blick auf das Referendum sind nach Angaben von Cora Laes-Fettback, Misereor-Länderreferentin
für den Sudan, bislang Zehntausende Menschen vom Norden in den Süden des Sudans gereist.
Zum einen taten sie dies, um an dem Referendum teilzunehmen. Zum anderen aber auch
vor dem Hintergrund, dass Staatspräsident Umar Hasan Ahmad al Bashir den Südsudanesen
unverhohlen damit gedroht hatte, sie nach einer Unabhängigkeit des Südens im Nordteil
des Landes vom Zugang zu Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen auszuschließen. Seit
dem Friedensabkommen vom Januar 2005 haben sich die Infrastruktur und die Leistungsfähigkeit
staatlicher Stellen in Teilen des Südsudans laut Laes-Fettback deutlich verbessert.
In ländlichen Regionen gebe es aber vielfach weiter keine geregelte Versorgung mit
Wasser, die meisten Straßen seien nur unzureichend befahrbar. Auch existierten für
die Bevölkerung kaum Möglichkeiten, sich medizinisch betreuen zu lassen und Bildungseinrichtungen
zu besuchen.