Wer sich von Johannes
der Täufer taufen ließ, bekundete damit seinen Willen zur Umkehr, seine Bereitschaft
für das Kommen der Gottesherrschaft. Für Jesus bedeutet diese Taufe eine Art Berufsweihe.
Der Geist, der auf ihn herabkommt, und die Stimme aus dem Himmel bezeugen Jesus als
den Gesalbten, den Messias, und als den geliebten einzigen Sohn. (rv/schott)
Lesen
Sie hier das Sonntagsevangelium:
Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus Zu
dieser Zeit kam Jesus von Galiläa an den Jordan zu Johannes, um sich von ihm taufen
zu lassen. Johannes aber wollte es nicht zulassen und sagte zu ihm: Ich müsste
von dir getauft werden, und du kommst zu mir? Jesus antwortete ihm: Lass es nur
zu! Denn nur so können wir die Gerechtigkeit (die Gott fordert) ganz erfüllen. Da
gab Johannes nach. Kaum war Jesus getauft und aus dem Wasser gestiegen, da öffnete
sich der Himmel, und er sah den Geist Gottes wie eine Taube auf sich herabkommen. Und
eine Stimme aus dem Himmel sprach: Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen
gefunden habe.
Lesen Sie hier die Betrachtung zum Sonntagsevangelium von Ludwig
Waldmüller
(Evangelium: Mt 3, 13-17)
Liebe Hörerin, lieber Hörer, der
21. Juli 1969 hat es in die Geschichtsbücher geschafft. Und zwar dick unterstrichen:
Die Amerikaner hatten nach einem langen Wettlauf ins All doch als erste den Fuß auf
den Mond gesetzt. Und Neil Armstrong, der erste Mensch, der je den Erdtrabanten betreten
hat, wird bis heute immer wieder begeistert mit seinem Satz zitiert: „Das ist ein
kleiner Schritt für den Menschen, aber ein großer Schritt für die Menschheit.“ Er
hatte auch sicherlich recht: Sein Fuß, den er in Moonboots auf den Mond direkt unter
der Leiter setzte, ging den Schritt, den Millionen von Menschen gebannt beobachteten
– und von dem über Jahrhunderte Menschen geträumt und ihn wohl für unmöglich gehalten
hatten.
Das Evangelium dieses Sonntags erzählt, so meine ich, auch von einem
kleinen Schritt, der zu einem großen wurde. Um den wahrzunehmen, brauchen wir aber
weder Mondfähre noch Raumanzug, sondern nur einen Blick ins Evangelium. Kommen Sie
doch mit auf eine kleine Expedition.
1. Gerechtigkeit erfüllen Wir stehen
am Jordanufer. Unzählige Menschen stehen um einen im zotteligen Kamelhaarmantel predigenden
Mann herum, der immer wieder Menschen tauft. Und mittendrin steht einer, der sich
taufen lassen will wie alle anderen. Noch ist er nicht bekannt, noch weiß – anscheinend
außer Johannes – niemand von ihm. Jetzt macht er den entscheidenden Schritt: Er steigt
in den Jordan hinein. Wahrscheinlich ist das beileibe nicht das erste Mal, dass er
das tut. Und: Er ist nun wirklich auch nicht der erste Mensch, der seinen Fuß in diesen
setzt. Nicht einmal der erste ist er, der das bei Johannes tut, ganz im Gegenteil.
Aber – sein in-den-Fluss-Steigen ist ein mehr als bedeutender Moment: Johannes wehrt
sich, will Jesus nicht taufen, doch er antwortet: „Nur so können wir die Gerechtigkeit
erfüllen“, das heißt so viel wie: „Es ist wichtig und vor allem richtig, dass ich
in diesen Fluss steige und mich von dir taufen lasse.“ Es ist ein ganz kleiner Schritt,
den der junge Mann aus Nazareth hier zusammen mit vielen anderen tut, aber er verändert
alles: Aus dem im Verborgenen lebenden Juden wird der durch die Lande ziehende Prediger
und Heiler, dem bald viele Menschen folgen werden. In diesem kleinen Moment und mit
diesem kleinen Schritt ändert sich für Jesus (und mit ihm für alle um ihn herum) fast
alles: Der Schritt hinein in den Fluss ist der Schritt heraus aus der Anonymität und
dem Schweigen der Jahre vorher. Viel wurde interpretiert und überlegt, was Jesus wohl
in der Zeit in Nazareth getan und gedacht hat, wie er sich auf diesen Moment vorbereitet
hat. Wir werden es nie wissen. Aber: Wir wissen, dass hier die entscheidende Änderung
stattfindet. Hier sagt er „ja“ zu seiner Sendung und zu seiner Berufung.
In
unserem Leben gibt es ganz viele solcher Flussufer, an denen wir stehen, und die von
uns einen kleinen Schritt verlangen. Den Schritt hinein ins Leben. Den Schritt hinein
in unsere Berufung. Den Schritt hinein in eine neue Aufgabe. Den Schritt hinein ins
Wasser des Flusses des Lebens. Wie ist das mit den Flüssen meines Lebens? Wie ist
das mit den kleinen Schritten, die ich tun muss, um „Gerechtigkeit zu erfüllen“? Hab
ich den Mut, solche Schritte zu gehen? Oder bin ich eine Person, die lieber am Ufer
stehen bleibt und allen anderen beim Hineinsteigen in den Fluss zusieht?
2.
Rolle des anderen Aber zurück an den Jordan. In unserer Szene spielt ja noch ein
anderer mit: Johannes. Überfahren wirkt er auf mich, ein klein wenig überfordert von
der Situation, schließlich weiß er anscheinend genau, dass da einer vor ihm steht,
der größer ist als er. Und deshalb will er lieber den Schritt ins Wasser hinein verhindern.
Schließlich kann er ja nicht abschätzen, was dieser Schritt bedeutet. Auch hier ist
äußerst interessant, was Jesus sagt: „Lass es nur zu.“
Genau das ist die Rolle
des Johannes: Nicht verhindern, dass Jesus seiner Berufung folgt. Nicht verhindern,
dass hier einer einen Schritt geht, der auf den ersten Blick nicht verständlich aussieht.
Spannend ist, dass Jesus wohl genau sieht, dass Johannes durch sein Zulassen Entscheidendes
zum ersten Schritt des Mannes aus Nazareth beiträgt: Wir, sagt er, können so die Gerechtigkeit
erfüllen. Johannes tut mit, indem er lässt. Zu demjenigen, der den ersten Schritt
der Berufung, den ersten Schritt in die richtige Richtung tut, gehören immer diejenigen,
die diesen Schritt tun lassen.
Wie ist das in meinem Leben? Wie ist das mit
den Menschen um mich herum, die mit ihrer Berufung, ihrem Leben ringen? Mit denen,
die nach dem ersten Schritt in die richtige Richtung kämpfen? Lass ich sie gehen?
Lass ich zu, dass sie das tun, was sie als nötig erkennen? Oder hindere ich sie in
irgendeiner Weise daran? Aus Angst. Aus Eifersucht. Aus Neid. Aus übertriebener Sorge.
Aus Egoismus. Du darfst nicht weg, du gehörst doch zu mir. Ich hab doch schon Pläne
gemacht…
3. Keinerlei Garantie Aber noch einmal ruft der Jordan. Der erste
Schritt Jesu ins Wasser wird begleitet von einem der bekanntesten Bilder überhaupt:
Er hört die Stimme: „Dies ist mein geliebter Sohn.“ Der Schritt, den Jesus vielleicht
noch unsicher und zitternd getan hat, wird auf einmal bestätigt. Im Nachhinein ist
für Jesus klar: Das war der richtige Schritt. Das Hineinsteigen ins kalte Nass war
der maßgebliche Moment, die tragende Entscheidung. So viel ist jetzt klar.
Aber
sonst? Gar nichts. Keine Landkarte, keine Beschreibung der nächsten Schritte, keine
Garantie. So sehr der kleine Schritt ein großer wurde, so sehr es der Schritt heraus
aus dem Leben vorher hinein ins Leben danach war, so wenig ist klar, wie es weitergehen
wird. Aber das Ausschlaggebende ist: Der Schritt ist getan. Das „mein geliebter Sohn“
ist gehört. Und jetzt heißt es weitergehen.
Wie ist das in meinem Leben? Wie
ist das mit dem Weitergehen nach jenem ersten Schritt, den ich vielleicht vor einiger
Zeit schon gegangen bin? Wie ist das mit dem Vertrauen darauf, dass der Satz „Du bist
mein geliebtes Kind“ auch für mich gilt? Dass er gilt, auch wenn ich nicht weiß, in
welche Richtung die nächsten und übernächsten Schritte zu machen sind. Und – bin ich
bereit, einen ersten Schritt zu machen, auch wenn ich nur sehe, wie weit mich dieser
Schritt bringen wird?
Liebe Hörerin, lieber Hörer, der erste kleine Schritt
Jesu ins Wasser des Jordans war ein großer Schritt für ihn und die ganze Weltgeschichte.
Wir haben im Leben immer wieder Situationen des „ersten Schritts“. Wichtig ist, dass
wir diesen Schritt machen, dass wir uns und andere nicht an diesem Schritt hindern
– und dass wir darauf vertrauen, dass auch die weiteren Schritte klar werden. Das
bringt uns um einiges weiter als nur auf den Mond!